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Roland-Garros 2024: Warum die Schiedsrichterentscheidung gegen Alexander Zverev vielleicht doch kein "Skandal" war

Eine Entscheidung des französischen Stuhlschiedsrichters Renaud Lichtenstein im fünften Satz des French-Open-Endspiels zwischen Carlos Alcaraz und Alexander Zverev sorgte für reichlich Zündstoff. Wir haben uns die Fakten angesehen.

von Nikolaus Fink
zuletzt bearbeitet: 10.06.2024, 14:16 Uhr

War nicht vom Glück verfolgt: Alexander Zverev
© Getty Images
War nicht vom Glück verfolgt: Alexander Zverev

Alexander Zverev versuchte es noch einmal - und wurde dafür beinahe mit dem Rebreak belohnt: Beim Stand von 1:2 im fünften Satz und zwei Breakbällen für den Deutschen setzte Carlos Alcaraz seinen zweiten Aufschlag vermeintlich knapp neben die Linie. Stuhlschiedsrichter Renaud Lichtenstein korrigierte den Aus-Ruf des Linienrichters jedoch und ließ den Punkt wiederholen. Eine Fehlentscheidung, wie Bilder beim US-Sender NBC beweisen sollen.

Diese zeigen tatsächlich, dass Alcaraz' zweiter Aufschlag zwei Millimeter im Aus war. Da bei den French Open jedoch nicht das Hawk-Eye zur Ballverfolgung eingesetzt wird, hatte Lichtensteins Entscheidung Bestand. Alcaraz gewann das Game anschließend doch noch und hielt rund eine halbe Stunde später seine erste French-Open-Trophäe in den Händen. Nicht zuletzt aufgrund der “skandalösen” Fehlentscheidung des Stuhlschiedsrichters, wie nicht nur auf Social Media zu lesen war.

Fehlertoleranz von zwei bis drei Millimetern

Bei einem Blick auf die Fakten ist diese Betrachtung völlig überzogen. Selbst bei Laborbedingungen - sprich auf windstillen Hartplätzen - liegt die Fehlertoleranz des Hawk-Eye bei zwei bis drei Millimetern. Demnach lässt sich - noch dazu auf Sandplätzen, die die Kalibrierung deutlich erschweren - überhaupt nicht seriös einschätzen, ob Alcaraz' Aufschlag tatsächlich neben der Linie landete.

Dass das Vertrauen in die Stuhlschiedsrichter durch das Zeigen des Hawk-Eye-Abdrucks untergraben wird, liegt auf der Hand. Dabei könnte es so einfach sein: Wenn selbst die French Open als renommiertes Major-Turnier das Hawk-Eye für nicht gut genug erachten, sollten diese Bilder auch den Zuschauern vor den Fernsehgeräten nicht gezeigt werden.

Denn sonst passiert genau das, was im French-Open-Finale passierte: Es werden hitzige Diskussionen geführt, ohne eine sachlich fundierte Begründung dafür zu haben. Gut möglich, dass Alcaraz' Aufschlag im Aus war. Genauso gut möglich aber, dass der Ball gerade noch die Linie kratzte.

“Electronic Line Calling Live” ab 2025 im Einsatz

Zverev selbst zeigte sich mit Lichtensteins Entscheidung in der Pressekonferenz nach dem Match - naturgemäß - nicht einverstanden, präsentierte sich aber als fairer Verlierer: “Ja, am Ende ist es frustrierend, aber es ist, wie es ist. Schiedsrichter machen Fehler. Sie sind auch nur Menschen und das ist in Ordnung. Aber natürlich wünscht man sich in so einer Situation, dass es keine Fehler gibt.”

Weniger Fehler könnte es auf der regulären Tour ab dem kommenden Jahr geben. Die ATP setzt ab der Saison 2025 bei sämtlichen Turnieren auf das “Electronic Line Calling Live”, Linienrichter werden dadurch überflüssig. Auch die sogenannten Challenges wird es auf der ATP-Tour demnach nicht mehr geben.

Insbesondere auf Sand wurde schon zuletzt vorrangig auf "Foxtenn" gesetzt. Bei diesem Konkurrenzsystem des Hawk-Eye werden Hochgeschwindigkeits-Kameras rund um den Court platziert, die den Ballaufsprung dokumentieren und diesen als echtes Bewegbild anzeigen. Auf der ATP-Tour sollen ab 2025 mehrere Anbieter zum Einsatz kommen. Was die French Open machen, ist derzeit noch unklar.

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von Nikolaus Fink

Montag
10.06.2024, 13:45 Uhr
zuletzt bearbeitet: 10.06.2024, 14:16 Uhr

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