Roland Garros: Apostolos Tsitsipas und die Kernfrage des Trainerdaseins
Die ganz Großen des Tennissports haben immer mal wieder ihre Trainer gewechselt. Aus gutem Grund.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
06.06.2023, 10:14 Uhr
Von Jens Huiber aus Roland Garros
Vor Corona war vieles anders und, ja, auch besser. Zum Beispiel durfte man bei den French Open rechtschaffen freizügig in das Jean Bouin gehen, einer wunderbaren Trainingsanlage des Französischen Tennisverbandes. Dort hat man sich dann eine halbe Stunde Ballklopfen für Fortgeschrittene angesehen, vielleicht mit einem Trainer ein Wort gewechselt, ist dann seiner Wege gegangen.
Die Pandemie hat auch das geändert, als Vorwand für mehr Privatsphäre war der Virus allemal gut. Im vergangenen Jahr durfte nur eine erlesene Auswahl an Journalisten auf Jean Bouin, 2023 scheint sich indes die Gemengelage ein wenig verändert zu haben. Vielleicht liegt es aber auch an der Begleitung der bezaubernden griechischen Kollegin, die offenbar ein Jahresticket gelöst hat.
Wurscht.
Rein ins Vergnügen. Was im konkreten Fall heißt: 26 goldene Trainingsminuten mit Stefanos Tsitsipas am Montag. Stefanos selbst trainiert natürlich deutlich länger, aber man will den Goodwill ja nicht überstrapazieren. Ein paar Eindrücke …
- Stefanos trainiert mit zwei Hitting-Partnern, einem Lefty und einem Rechtshänder. Die Aufsicht hat Papa Apostolos.
- Nach einer (hochgerechnet) Dreiviertelstunde wird der Linkshänder verabschiedet. Man hört etwas von „too much topspin“, aber das kann auch eine akustische Täuschung gewesen sein.
- Der Rechtshänder spielt ein Level, bei dem man sich fragt: Warum ist der Junge nicht selbst im Draw vertreten? Dazu stöhnt er auch noch wie Carlos Alcaraz, der heutige Gegner von Stefanos. Vielleicht auch eine Idee von Apostolos.
- Die Atmosphäre ist übrigens extrem konzentriert und professionell. Apostolos redet, Stefanos hört zu. Kein Vergleich zu den Auftritten in Madrid und Rom. Aber: Da war ja auch noch ein anderes Familienmitglied am Start. Das in Paris fehlt. You do the math.
- Die Kernfrage, ja, die größte Frage überhaupt ist aber folgende: Wie viel neuen Input kann ein Coach seinem Schützling noch geben, wenn er mit diesem schon viele Jahre lang zusammengearbeitet hat? Und das gilt ja nicht nur für Tsitsipas und Tsitsipas. Kein Wunder, dass sich die ganz Großen ab und zu neue Inspiration holen. Selbst Rafael Nadal hat ja irgendwann Onkel Toni mit Carlos Moya ersetzt.
Wer sich auf die Suche nach Carlos Alcaraz und Juan Carlos Ferrero gemacht hat, wurde übrigens enttäuscht: Carlitos hat sich den Mittwoch frei genommen. Vielleicht braucht eine Trainer-Spieler-Beziehung ja auch Pausen.