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Rublev gewinnt die Erste Bank Open: Ein Tennisfest in dunklen Tagen für den Sport

Andrey Rublev hat beim wohl letzten Sportfest vor zumindest teilweise vollen Rängen den Titel geholt und sich für die Nitto-ATP-Finals qualifiziert. Eine Rückschau auf eine starke Woche des Russen, aber auch eine starke Woche der Veranstalter.
 

von Michael Rothschädl
zuletzt bearbeitet: 02.11.2020, 10:52 Uhr

Andrey Rublev holte bei den Erste Bank Open den Titel
Andrey Rublev holte bei den Erste Bank Open den Titel

Von Michael Rothschädl aus der Wiener Stadthalle

Mit einem lauten Jubelschrei beendete Andrey Rublev nicht nur das Endspiel der Erste Bank Open, er beendete auch ein Turnier, das für sieben Tage eine schöne, eine geborgene Parallel-Realität geboten hat. Eine Realität, in der Weltklasse-Tennis auch mit Applaus von den Rängen belohnt wird. Eine Realität, die es in den kommenden Wochen aber nicht länger geben wird, die es nicht geben kann. 

Die 1000 Zuseher und die damit verbundene Geräuschkulisse in der Wiener Stadthalle wird  am Montag von einer nächster Geister-Veranstaltung abgelöst, wenn das ATP-Masters-1000-Event von Paris seinen Start finden wird. In einer Stadt, die mit der Krise so hart zu kämpfen hat wie kaum eine zweite in Europa. Auch in London ist der Kampf gegen COVID-19 ein verbitterter. In der britischen Hauptstadt wird eine verrückte Saison mit dem Finale der besten acht Spieler der Saison beschlossen. Vor leeren Rängen versteht sich. 

Rublev mit österreichischem Background

"Wir Spieler wissen das wirklich zu schätzen, vielen Dank an die Organisatoren des Turniers", sollte auch Andrey Rublev allen voran in Richtung Herwig Straka ausrichten. "Eine Investition" sei die Austragung 2020 gewesen, man wolle die Tennisfans glücklich machen. Das ist gelungen. Mit einem Teilnehmerfeld so stark wie nie auf österreichischem Boden, mit einem Ausnahme-Engagement der Turnier-Host-Broadcaster vom Privatsender ServusTV, die die so wichtige Rolle der TV-Übertragung per excellence erledigten. 

"Vielen Dank an alle, die gekommen sind", richtete ein demütiger Herwig Straka an die rund 1000 Menschen, die auch der Siegerehrung geduldig beiwohnten. Man habe alles getan, um eine möglichst sichere Atmosphäre zu gewährleisten. Dennoch sei es nicht selbstverständlich, hierher zu kommen. Sie sollten wenig später hören, wie Andrey Rublev eine bislang verborgene Verbindung zur Alpenrepublik bekanntgab. Seine Großmutter, so der 23-Jährige, sei in Österreich geboren, als Kind aber schon nach Russland gezogen. "Sie war einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Ich habe bis zu meinem 16. Lebensjahr bei ihr gelebt, weil meine Schule in der Nähe war. Großvater hat mich zum Tennistraining gebracht, sie hat Essen vorbereitet, mit mir gelernt", erinnert sich der Russe. Erst vor wenigen Wochen war seine Großmutter verstorben. 

Start in Paris 

Am Spiel des Russen hat dieser Verlust nichts geändert. Ohne Satzverlust, ohne verlorenes Aufschlagspiel stürmte der Russe zu Titel Nummer fünf in dieser Saison - nicht nur für ihn ein Rekord, kein anderer Spieler hat 2020 mehr Trophäen holen können. "Diese Ergebnis geben mir das Selbstvertrauen, dass ich auf dem richtigen Weg bin", sollte der Russe im Anschluss an seinen Titelgewinn erklären. Das Wichtigste sei nun aber, weiterzuarbeiten, die Schwächen zu verbessern, sein "Limit" zu erreichen. Understatement ist beim 23-Jährigen Programm. 

Das endet auch nicht, wenn der Russe auf seine mit dem Titelgewinn verbundene Qualifikation für die Nitto-ATP-Finals angesprochen wird. "Es wird cool, zu sehen, woran ich arbeiten muss, wenn ich mich mit den Besten der Welt messe", so Rublev. Zuvor werde er Paris aber "zu 100% spielen", hätte durch die Aufgaben von Jannik Sinner und Kevin Anderson Kräfte sparen können. "Ich fühle mich körperlich großartig." Das äußerst sich auch auf dem Platz. 

Während es für Rublev schon am Montagmorgen nach Frankreich geht, verabschiedet sich Österreich mit Dienstag in einen weiteren Lockdown. Gut 5500 Neuinfektionen waren an einem Turniertag gemeldet worden. In den nächsten Wochen werden also nicht nur die Spieler, sondern auch die Tennisfans von diesem Ereignis zehren.

von Michael Rothschädl

Montag
02.11.2020, 10:49 Uhr
zuletzt bearbeitet: 02.11.2020, 10:52 Uhr