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Serena Williams betritt wieder die US-Open-Bühne

Vor zwei Jahren hatte ein Wutausbruch im Halbfinale gegen Kim Clijsters den Finaleinzug der ehemaligen Weltranglisten-Ersten verhindert.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 28.08.2011, 08:59 Uhr

Von Jörg Allmeroth

Als am vergangenen Dienstag an der Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika die Erde bebte und Hurrikan „Irene“ noch eine ferne, vage Gefahr war, da hatten die notorischen Spötter des Tennis-Wanderzirkus sofort eine einleuchtende Erklärung für die Erschütterungen parat. Es könne sich, so twitterte ein Reporter des amerikanischen Fachblattes „Sports Illustrated“ umgehend, nur um die wütende, auf den Boden stampfende Serena Williams gehandelt haben, die jene 5,8-Ausschläge auf der Richterskala zwischen Virginia und New York verursachte. Schließlich sei kurz vor dem Erdbeben die Setzliste für die US Open veröffentlicht worden, und auf der habe sich die keineswegs klammheimliche Turnierfavoritin bloß auf Platz 28 befunden, wenig ehrenvoll eingerahmt zwischen der Tschechin Lucie Safarova (27) und der Australierin Jarmila Gajdosova (29).



Ab Montag jedenfalls, so die Naturgewalten es denn zulassen, kann die dreimalige Siegerin der Offenen Amerikanischen Meisterschaften (1999, 2002, 2008) die formelhaft nach der WTA-Rangliste sortierte Setzliste gewaltig Lügen strafen – bei einer Mission, die nur ein Ziel kennt: Den Sieg am übernächsten Samstagabend, den Sieg am Abend des „Super Saturday“ unter den Flutlichtstrahlern des Arthur Ashe-Stadions. „Natürlich will ich den Titel. Deshalb bin ich ja hierher gekommen,“ sagt die jüngere der beiden Williams-Schwestern, die am 26. September ihren 30. Geburtstag feiert und die schillerndste Erscheinung bei diesem Turnier sein wird, das schon in einer Art Ausnahmezustand begann, so kurz nach Durchzug des Hurrikans „Irene“ im Big Apple. Schwester Venus übrigens wird beim traditionell letzten Major, das zudem am zehnten Jahrestag der Terroranschläge gegen das World Trade Center endet, ganz ohne sportliche Privilegien auskommen: Auf Platz 36 der Weltrangliste stehend, fand die 32-jährige ganz und gar keine Gnade bei den strikten Mitgliedern des Setzkomitees.



„Big Sister“ Venus wird ganz sicher wie alle anderen Starter in den Schatten von Schwesterherz Serena rücken, die in Flushing Meadow zum ersten Mal seit jenem verhängnisvollen Halbfinal-Freitag vor zwei Jahren aufschlagen wird, an dem sie gegen Kim Clijsters in Schimpf und Schande die größte Tennisarena der Welt verließ. Nach einem Fußfehler hatte die bullige Athletin sich vor einer asiatisch-stämmigen Linienrichterin aufgebaut und die arme Frau mit einer Kaskade von Beleidigungen überzogen. Höhepunkt der Entgleisungen war Williams´ Drohung: „Bei Gott, ich schwöre, dass ich Dir einen dieser verfluchten Bälle in den Hals schiebe.“ Dumm für Williams: Die Linienrichterin ließ sich nicht einschüchtern, meldete den Vorfall wortgetreu, und der schon zweite Strafpunkt in dieser unvergeßlichen Nacht bedeutete für die Titelverteidigerin bei Matchball von Clijsters das umgehende Turnier-Aus. Später wurde die erfolgreichste aktive Tennisspielerin für ihren Ausraster mit einer vergleichsweise milden Geldstrafe von 82.500 Dollar und einer zweijährigen Bewährungszeit belegt, die nun bei den US Open 2011 endet.



Die Dramen-Queen, die sich wie der Rest der Profis am Wochenende in einem Hotelzimmer in Manhattan vor „Irene“ verkroch („Ich habe echt Angst vor diesem Monster“), dürfte allerdings in den beiden nächsten Wochen eher in der Abteilung sportliche Wundertaten reüssieren. Altersmilde ist die Kalifornierin zwar nicht geworden, aber doch schlau genug, um sich die anstrengende Mission des US-Open-Sieges nicht durch Eklats und Skandälchen zu erschweren. „Ich habe meine Emotionen eigentlich immer im Griff. Nur in diesen zwei, drei Sekunden damals nicht. Das war ein echter und einmaliger Sündenfall“, sagt die 29-jährige, die zumindest auf dem heimischen US-Markt die großen Schlagzeilen fast ganz allein für sich beanspruchen dürfte. „In Amerika kommt erst Williams, dann Williams und dann noch einmal Williams. Serena und Venus“, sagt Martina Navratilova, „das werden die Williams Open – mit dem Rest der Welt als schöner Nebensache.“



Wobei die Serena-Williams-Siegstory des Jahres 2011 auch eine der besten Storys in dieser ohnehin nicht ereignisarmen, nie langweiligen Karriere wäre. Nach der einjährigen Verletzungspause seit dem Sommer 2010 war die 29-jährige zuletzt in Wimbledon zwar noch nicht auf der Höhe der führenden Spielerinnen des Tenniscircuits gewesen, doch nach zwei Turniersiegen in den letzten Wochen in Stanford und in Toronto und dazu einem fulminanten Sprung unter die besten 30 der Weltrangliste ist die 13-malige Grand-Slam-Siegerin die gefühlte Frontfrau der Branche – und die eigentliche Siegkandidatin Nummer eins bei den US Open. „Alle anderen müssen sich erstmal hinter Serena einordnen“, sagt Altmeisterin Chris Evert, „der Weg zum Titel führt nur über sie, kein Zweifel.“



Mit scheinbar unlösbaren Aufgaben hat die kraftstrotzende Athletin ausreichend Erfahrung – belegt vor allem durch ihren Australian-Open-Sieg 2007, den sie von Platz 81 der Tennis-Hackordnung in Angriff nahm und mit einem 6:1, 6:2-Sieg über die Russin Maria Sharapova im Finale beschloß. Jene Maria Sharapvwa dürfte auch die größte und schillerndste Gegnerin der amerikanischen Heim-Spielerin sein, eine Spielerin mit vergleichsweise großem Namen und einer ähnlichen Comeback-Story wie sie selbst, wie Serena Williams. „Es wäre der Traum für Fans, Sponsoren und Fernsehleute, dieses Finale Serena gegen Maria“, sagt John McEnroe, die Plaudertasche vom Dienst im „Big Apple“.(Foto: GEPA pictures)

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