Rudi Molleker: "Ich konzentriere mich auf den Augenblick"

Rudi Molleker gilt als das "Next big thing" - er selbst will jedoch nicht zu weit in die Zukunft blicken. Und überraschte in Hamburg mit einem Schritt zurück in die Zukunft.

von Jörg Allmeroth aus Hamburg
zuletzt bearbeitet: 24.07.2019, 18:52 Uhr

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Rudi Molleker
© Florian Heer
Rudi Molleker

Mit dem deutschen Tenniskanzler hat Rudi Molleker (18) eins gemein: Man weiß bei ihm, genau so wie einst bei Boris Becker, nicht wirklich, was im nächsten Moment oder im nächsten Spiel passiert. Mollekers noch junge Karriere ist bereits reich an Kapriolen und Abenteuern, an Drehungen und Wendungen. So sehr, dass selbst Becker, der schillernde Übervater der nationalen Szene, schon mal mahnend den Zeigefinger heben musste: „Rudi muss sehen, dass er er eine klare Linie behält“, sagt Becker, „und er sollte nicht die Leute verprellen, die ihm wohlgesonnen sind.“

In diesen Tagen ist Molleker am Hamburger Rothenbaum beschäftigt, beim frisch herausgeputzten, neu modellierten Traditionsturnier - und gleich nach seinem souverän herausgespielten Auftaktsieg gegen den Argentinier Leonardo Mayer sorgte der Teenager für einen weiteren Knalleffekt. Nachdem er monatelang fast demonstrativ mit der Botschaft durch die Lande gezogen war, das Tischtuch zwischen ihm und dem Deutschen Tennis Bund sei zerschnitten, verkündete er fast beiläufig, dass er noch in diesem Sommer wieder von DTB-Coach Jan Velthuis betreut werde.

Genau den hatte Molleker im letzten Jahr aber auf der Strecke gelassen, als er sich dem großen Impresario Patrick Mouratoglou und dessen Akademie im Süden Frankreichs zugewandt hatte. „Ich bin froh, Jan wieder an meiner Seite zu haben“, sagte Molleker nun, ganz so, als habe es die Turbulenzen und Differenzen überhaupt nicht gegeben. Man müsse einem jungen Mann zugestehen, „auch mal Alternativen auszutesten“, sagt DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff diplomatisch, „um festzustellen, dass das, was man vorher hatte, nicht die schlechteste Möglichkeit war.“

Becker: Molleker sei "bester 18-Jähriger weltweit" 

Becker, der Abteilungsleiter des deutschen Herrentennis, ist durchaus ein Fan von Molleker. Er hat ihn sogar als den „besten 18-jährigen weltweit“ bezeichnet, als „Jungen mit riesiger Perspektive“. Aber das Erwachsenwerden im Tennis ist so eine Sache, es birgt mehr Gefahren als Chancen. Nur wenige der besten Juniorenspieler schaffen es je auch in die Weltspitze bei den Senioren, im Profibetrieb. „Das Wichtigste ist, frühzeitig die richtigen Leute an seiner Seite zu haben. Die einem den Weg zeigen“, sagt Maestro Roger Federer. Selbst er hatte diffizile Lehr- und Wanderjahre erlebt, sein Durchbruch kam mit 22 Jahren, da hatte er aber schon ein Trommelfeuer der Kritik eingesteckt, war als Mann der verpassten Chancen beschrieben worden.

Molleker, der junge Deutsche aus Oranienburg, hat vieles, was man für eine große Karriere mitbringen muss. Vor allem die nötige Power, die innere Leidenschaft, den Mut, den Mumm, den Biss. Aber er ist auch schwierig und launisch, war oft schlecht beraten. Auch mit Davis Cup-Chef Michael Kohlmann überwarf er sich schon , als der ihn zusätzlich persönlich betreute. Manchmal war Molleker auch einfach ohne Trainer unterwegs, Freunde kamen mit zu den Reisen im Wanderzirkus. Viele schwärmen, wenn es um Molleker geht und um seine Fähigkeiten. Aber manche schütteln auch den Kopf. Zu viel Theater rund um die eigentliche Arbeit.

Und doch: Molleker ist jemand, von dem die Experten glauben, er sei die nächste große Geschichte im Tennis. In Deutschland und auch über dessen Grenzen hinaus. The Next big thing, wie das so plakativ im Amerikanischen heißt. Schon seit Jahren gibt es dieses Geraune und Gerede. Die Erwartung, dass da einer mit ähnlichem Potenzial heranwachse wie der vier Jahre ältere Alexander Zverev. Molleker ist der Spieler, auf den sich theoretisch die erweiterten Hoffnungen auf eine strahlende deutsche Tennis-Zukunft richten – gemeinsam mit Zverev, so der Traum, könne man zu den goldenen Zeiten zurückkehren, auch zu allgemeinem Bedeutungsgewinn. Damit beschäftige er sich nicht, sagt Molleker allerdings abwehrend, „das ist ferne Zukunft. Ich konzentriere mich auf den Augenblick. Das ist am Besten.“

Letztes Hemd für einen Sieg 

Eins muss man Molleker aber erst einmal lassen. Anders als andere in anderen Jahren und Jahrgängen traute er sich früh in diese Welt des großen Tennis hinein, ob bei Challengerturnieren, auf nicht so schillernden Bühnen. Oder bei Abstechern auf die ATP Tour oder zu den Grand-Slam-Höhepunkten. Molleker hat so schon erhebliche Wettkampfhärte mit seinen 18 Jahren gefunden, in einem Alter, in dem man nicht mehr wie früher auch nur halbwegs selbstverständlich Erfolge feiert. 

Mollekers in den letzten Jahren war keineswegs geradlinig, er führte auch nicht kontinuierlich nach oben. Aber wer ihn in seinen guten Momenten spielen und kämpfen sieht auf einem großen Tenniscourt, der ahnt, was aus ihm werden kann. Molleker ist einer, der wie einst sein kritischer Mentor Becker das letzte Hemd für einen Sieg hergeben würde. Immer und überall. Und in dieser Woche in Hamburg, an einem seiner Lieblingsplätze im Wanderzirkus. „Ich fühle mich sehr wohl hier. Ich will noch ein bisschen länger bleiben“, sagt Molleker, der am Donnerstag auf Italiens Chefexzentriker Fabio Fognini trifft.

von Jörg Allmeroth aus Hamburg

Mittwoch
24.07.2019, 19:35 Uhr
zuletzt bearbeitet: 24.07.2019, 18:52 Uhr