Russland, Saudi-Arabien, Wimbledon - Komische Zeiten im Tennis

Sport hat zumeist auch eine politische Komponente. Selten hat man das klarer vor Augen geführt bekommen als in den vergangenen Tagen.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 10.12.2022, 08:46 Uhr

Viel voller sind die Tribünen in Saudi-Arabien nicht geworden
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Viel voller sind die Tribünen in Saudi-Arabien nicht geworden

Wer es nicht mitbekommen hat: Anfang Dezember hat sich eine kleine Gruppe von ehemaligen und auch noch aktiven Spielern nach St. Petersburg aufgemacht, um dort einen Schaukampf zu bestreiten. Das ist bei Sergiy Stakhovsky erwartbar nicht gut angekommen, immerhin wurde sein Heimatland im Februar von Russland überfallen. Stakhovsky forderte also via Twitter von der ATP eine Sperre der aktiven Spieler (wie etwa Laslo Djere, Pedro Martinez und Bernabe Zapata Miralles) und fragte bei Viktor Troicki und Janko Tipsarevic via SMS mal zart nach, ob sie, wie man in Wien und vielleicht auch in Kiew wohl sagen würde, irgendwo ang´rennt sind.

Die Reaktionen fielen auf den verschiedenen Kanälen geteilt aus. Einig waren sich Troicki und Tipsarevic jedenfalls darin, dass sich Stakhovsky um seine eigenen Angelegenheiten kümmern solle. Auch wenn sie es nicht ganz so fein ausgedrückt haben (der Ukrainer hat die beiden Konversationen bei Twitter ebenfalls veröffentlicht). In den Kommentaren gibt es nur Schwarz oder Weiß: die eine Seite unterstützt das Anliegen Stakhovskys, die andere weist in eindeutigen Worten darauf hin, dass mit zweierlei Maß gemessen werde: Schließlich hätte ja auch niemand im Tenniszirkus die USA boykottiert, als die NATO Belgrad im Balkankrieg bombardiert hätte. Und da soll noch mal jemand behaupten, Sport habe nichts mit Politik zu tun.

Geldstrafe für Wimbledon

Irgendwie passt dazu die Meldung, dass die ATP dem Turnier in Wimbledon nicht nur eine (für die Veranstalter leicht verschmerzbare) Geldstrafe auf´s Auge mit einem gedrückt hat, sondern damit droht, das Traditionsturnier von der Tour auszuschließen, sollte es wie schon in diesem Jahr auch in Zukunft SpielerInnen aus Russland und Belarus von einer Teilnahme ausschließen. Das sieht nach einer Kraftprobe aus, in der es zwei Verlierer geben könnte. Fast schon lustig, dass mit Elena Rybakina eine in Moskau geborene und wohnhafte Athletin 2022 den Titel an der Church Road geholt hat. Unter der Flagge von Kasachstan zwar, aber mit stark russischem Einschlag.

Und dann wäre da ja noch das völlig ohne Not stattfindende Schaukampfturnier in Saudi-Arabien, das nicht nur viele internationale aktuelle Stars angezogen hat, sondern auch einen erstaunlichen Begleittross an Journalisten und ehemaligen Branchengrößen. Dass in diesem Land Menschenrechte keinen annehmbaren Standards genügen - ja, gut, unschön, aber was soll man machen (kleiner Tipp: nicht teilnehmen)? Dass sich kaum jemand die Matches live vor Ort ansieht, tut auch nichts zur Sache. Weil, wie ein Kommentator eines der übertragenden Sender am Donnerstag verkündete, die Veranstaltung ja in mehr als 140 Länder übertragen wird.

Na, dann.

von Jens Huiber

Samstag
10.12.2022, 09:55 Uhr
zuletzt bearbeitet: 10.12.2022, 08:46 Uhr