Bedeutungsvoller Sieg in Hongkong – „Ich spüre, dass ich auf dem richtigen Weg bin“
Sabine Lisicki kann endlich wieder vorwärts blicken. Besonders nach ihrem vierten WTA-Titelgewinn am Sonntag in Hongkong.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
14.09.2014, 18:54 Uhr

Von Jörg Allmeroth
Als ihre deutschen Kolleginnen jüngst bei den US Open die große Jammer-Arie über die Schrecklichkeiten der herbstlichen Asien-Tournee anstimmten, da verweigerte Sabine Lisicki schlichtweg die Teilnahme an diesem düsteren Chorgesang. Schon damals, in New York, begriff die wieder aufwärtsstrebende Berlinerin den Saisonabschnitt im Fernen Osten als große persönliche Chance, als potenzielle Werbebühne für die Rückkehr ins Fed-Cup-Team. Und auch als ideale Plattform, um der neuen Liaison mit dem französischen Coach Guillaume Peyre „kräftig Rückenwind zu geben“: „Ich will 2014 mit einem schönen Gefühl beenden“, sagte Lisicki, „dafür gebe ich noch mal richtig Gas.“
Gesagt, getan: Bei den neuinstallierten Hongkong Open meldete sich die 24-jährige Deutsche nach dem Grand-Slam-Gastspiel auf den allerletzten Drücker an, erhielt vom Veranstalter dank Promi-Bonus eine Wildcard – und strahlte schließlich am Sonntag als äußerst glückliche Pokalbesitzerin in die Kameras. Drei lange Jahre nach ihrem letzten Titelcoup im US-amerikanischen Dallas war der willensstark herausgespielte7:5,-6:3-Siegüber die TschechinKarolina Pliskovavon besonderem Gewicht für die Aufschlag-Weltrekordlerin, die in einer hartnäckig anhaltenden Schaffensperiode der Enttäuschungen und Entbehrungen zwischenzeitlich jegliches Selbstbewusstsein verloren hatte. „Es ist ein unbeschreiblich schöner Moment jetzt“, sagte Lisicki am Ende ihrer souveränen Erfolgsmission in Hongkong, „ich spüre, dass ich wieder auf dem richtigen Weg bin.“ Lisicki rückte damit auch wieder bis auf Platz 24 der Weltrangliste vor, somit in Sichtweite der Top 20.
„Wie Sabine mit Selbstvertrauen spielen kann, wissen wir alle“
Mit der richtigen, stimmigen Grundverfassung gelang der Berlinerin im Endspiel sogar das Kunststück, einen kapitalen Fehlstart mit 1:5-Rückstand im ersten Satz wegzustecken und ihrer Gegnerin bis zum Schlusspunkt nur noch drei Spielgewinne zu gestatten. Im Schaulaufen um einen der freien Plätze im deutschen Fed-Cup-Team hinter den gesetzten AssenAngelique KerberundAndrea Petkovichatte Lisicki nun mächtig Eindruck gemacht – und sich in eine Position gebracht, in der BundestrainerinBarbara Rittnerbeim komplizierten Personal-Puzzlen nur schwer an ihr vorbeikam. „Ein Turniersieg gibt immer Selbstvertrauen. Und wie Sabine mit Selbstvertrauen spielen kann, wissen wir alle“, sagte Rittner am Sonntag im Gespräch mit tennisnet.com, „ich beobachte weiter, freue mich über gute Leistungen und nominiere Mitte Oktober.“
Doch im Moment erscheint es schwer vorstellbar, dass Lisicki beim großen, rauschenden Saisonfinale für die deutschen Tennis-Frauen nur als Tribünen-Zuschauerin in Prag dabei sein könnte – und nicht als vielseitig einsetzbare Kraft im taktischen Poker, als Einzel- oder eben auch Doppelspielerin. Seit die Berlinerin sich jedenfalls Ende Juni und Anfang Juli bei ihrer Rückkehr auf die geliebten grünen Tennisfelder Wimbledons mit einer Viertelfinal-Teilnahme achtbar schlug und danach auch noch das eigene Tennis-Unternehmen komplett auf den Kopf stellte, hat der schwere Frust über das Verletzungspech im ersten Saison-Halbjahr seine Macht verloren. „Ich kann endlich wieder nach vorne schauen. Ich fühle mich gut, ich arbeite gut, ich spiele gut“, sagt Lisicki, die sich selbst das Versprechen abnahm, mit dem neuen Coach Peyre auch das Ende der Ära des bloßen Bumm-Bumm-Tennis einzuläuten.
Peyre schwärmt: „Sabine hat so große Möglichkeiten“
Mehr Geduld im Spiel der Kräfte kann sich die 24-jährige aber nun auch leisten, weil sie deutlich frischer und beweglicher wirkt und nicht von irgendwelchen Blessuren behindert wird. Schon bei den US Open hinterließ Lisicki von allen angetretenen Deutschen den besten Eindruck, sehr zur Zufriedenheit auch des neuen Mannes an ihrer Seite – nein, nicht „Spielerfrau“ Oliver Pocher, sondern Coach Peyre. „Sabine hat so große Möglichkeiten. Wir beginnen gerade erst, das alles auszuschöpfen“, sagte der erfahrene Franzose am Rande des Grand-Slam-Spektakels. Dass er Lisicki vierten Karrieretitel gleich zwei Wochen später miterleben würde, hätte er sich wohl allerdings auch nicht träumen lassen.
Hier die Ergebnisse aus Hongkong:Einzel,Doppel,Einzel-Qualifikation.