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"Schwierig zu verstehen": Impf-Differenz zwischen Spielern und Zuschauern sorgt für Unmut

Nur etwas die Hälfte aller Tennisprofis bei den US Open ist gegen COVID-19 geimpft - trotz Vielreiserei. Eine Sache, die auf Unmut stößt.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 01.09.2021, 12:10 Uhr

Novak Djokovic ist erwartungsgemäß eher nicht ins Schwitzen gekommen
© Getty Images
Novak Djokovic

Die verschiedenen Tenniswelten bei den US Open fallen schon vor den Toren des Billie Jean King Tennis Centers ins Auge. An den Zuschauertoren ist mehr Geduld denn je gefragt, um das Grand-Slam-Universum von Flushing Meadows zu betreten, neben der ohnehin peniblen Leibes- und Gepäckkontrolle ist in diesen Corona-Zeiten nun auch für alle Besucher über zwölf Jahren der gültige Impfnachweis vorzulegen. Manche Fans standen an den ersten US Open-Tagen bis zu einer Stunde in der Warteschlange, der Veranstalter, die United States Tennis Association, sah sich sogar zu einer offiziellen Entschuldigung für den lähmenden Stau gezwungen.

Am Eingang zum sogenannten „Presidents Gate“, dort, wo auch die Profis das Grand-Slam-Theater entern, ist von solchen Beschwernissen nichts zu spüren. Wer einen Spielerpass vorzeigt, wird nach der üblichen Visitation der Taschen lächelnd durchgewunken. Ob geimpft oder nicht, interessiert nicht weiter – denn bei den US Open wie auch anderswo im Wanderzirkus besteht für die Akteure keine Impfpflicht. Eine äußerst seltsame Situation sei das, notierte der frühere amerikanische Topspieler und Davis-Cup-Chef Patrick McEnroe: „Ich muss als TV-Experte einen Impfnachweis vorlegen, um hier arbeiten zu können. Aber die Spieler nicht. Das ist schwierig zu verstehen.“

Nur etwa die Hälfte der Tennisprofis geimpft

Tatsächlich ist die Impfthematik auch ein Jahr nach den Geisterspielen im Big Apple nicht verschwunden, gerade, weil sich erstaunlich viele Spieler beharrlich als Impfmuffel oder auch offen als Impfgegner zeigen. Jüngste Erhebungen der Spielerorganisationen WTA (Frauen) und ATP (Männer) zeigten, dass nur etwa die Hälfte der Profis gegen COVID-19 immunisiert wurde. Die Konsequenz: Überall dort, wo der Wanderzirkus gastiert, müssen die Spielerinnen und Spieler Sonderrechte beanspruchen und auf Zugeständnisse von Ämtern und Veranstaltern hoffen.

Dass Profis, die bei den Reisen rund um den Globus ständig der Gefahr der Ansteckung ausgesetzt seien, eine Impfung teils offen ablehnten, sei „irritierend“, sagt ein hoher Funktionär des Tennis-Weltverbands ITF. Die Empfehlung zur Impfung sei „sonnenklar“ und sehr „nachvollziehbar“, nicht zuletzt wegen der Vorbildrolle, die viele Stars einnähmen. Die ATP sprach in einem Statement davon, eine Impfung helfe der gesamten Spielergruppe und könne dafür sorgen, „dass Beschränkungen nach und nach aufgehoben werden.“

Murray genießt, Djokovic denkt nach

Die Gräben zwischen Impfwilligen und Impfgegnern in der Szene sind allerdings tief. Während Schottlands Braveheart Andy Murray sagt, er könne als Geimpfter nun wieder „so eine Art normales Leben genießen“ und habe auch eine Verantwortung für die „breite Öffentlichkeit als jemand, der um die Welt jettet“, pocht Ranglisten-Spitzenreiter Novak Djokovic weiterhin auf die „persönliche Entscheidung jedes einzelnen“. Allerdings wolle er nach dem Auftreten der Delta-Variante „noch einmal über alles nachdenken.“ Djokovic hatte dem Welttennis im Sommer 2020 allerdings schon einmal üble Schlagzeilen mit seiner leichtsinnigen Adria-Tour beschert, bei der er und viele Kollegen sich infizierten.

Für einen Aufschrei der Empörung sorgte auch der Grieche Stefanos Tsitsipas, aktuell in den US Open-Schlagzeilen wegen seiner überlangen Toilettenpausen. Tsitsipas hatte unlängst die Impfung als „nicht genügend erprobt“ bezeichnet, sie habe „Nebenwirkungen“: „Ich glaube, für uns Jüngere ist es besser, die Erkrankung durchzumachen.“ Eine scharfe Erwiderung von höchster Stelle ließ da nicht lange auf sich warten, Griechenlands Regierungssprecher Giannis Oikonomou wies den 23-jährigen harsch zurecht: „Stefanos Tsitsipas hat weder das Wissen noch die Bildung, die ihm erlauben, sich eine entsprechende Meinung zu bilden.“ 

Was passiert bei den Australian Open 2022?

Die Tennisszene hinkt bei der Impfrate anderen Spitzenorganisationen im Berufssport weit hinterher. Nach Informationen der „New York Times“ liegt der Anteil der immunisierten Profis in der Eishockeyliga NHL bei 85 Prozent, in der männlichen Basketballliga NBA bei 90 Prozent – und bei den Basketballfrauen in den USA (WNBA) sogar bei 95 Prozent. In den meisten US-Ligen sind die Sportler Angestellte, die bei einer Infektion mit Lohneinbußen rechnen müssen. Verlässliche Angaben etwa über die Impfquote bei Spielern der deutschen Fußball-Ligen gibt es derzeit nicht.

Für viele Tennisprofis könnte bald schon ein Moment der Wahrheit kommen. Denn es gibt ernstzunehmende Indizien, dass zu den Australian Open 2022 im Januar in Melbourne nur Sportlerinnen und Sportler einreisen dürfen, die geimpft sind.

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von Jörg Allmeroth

Mittwoch
01.09.2021, 17:08 Uhr
zuletzt bearbeitet: 01.09.2021, 12:10 Uhr

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