Stuttgart-Boss Edwin Weindorfer - „Es wird Kollateral-Schäden geben“

Edwin Weindorfer, Turnierdirektor der Boss Open in Stuttgart, zieht im Gespräch mit tennisnet eine Bilanz über die Woche. Und nimmt auch Stellung zu den Plänen der ATP.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 12.06.2022, 20:42 Uhr

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Edwin Weindorfer war mit der Turnierwoche in Stuttgart zufrieden
© Getty Images
Edwin Weindorfer war mit der Turnierwoche in Stuttgart zufrieden

Die Turnierwoche in Stuttgart ist fast gelaufen, Matteo Berrettini und Andy Murray versprechen ein hochklassiges Finale, die Zuschauer sind auch zurück. Edwin Weindorfer hat viel zu tun am Samstagnachmittag, für ein Bilanzgespräch mit tennisnet.com nimmt sich der Steirer dennoch ein paar Minuten Zeit. Treffpunkt Clubhaus beim TC Weissenhof, dort, wo eigentlich die Spieler exklusiven Zutritt haben.

tennisnet: Herr Weindorfer. Wie fällt Ihr Fazit über die Boss Open 2022 aus? Zunächst einmal in sportlicher Hinsicht.

Edwin Weindorfer: Wir sind natürlich absolut zufrieden, dass die Topspieler so weit gekommen sind. Das ist ja nicht alltäglich. Wir haben im letzten Moment ein sehr gutes Starterfeld gehabt mit dem zweifachen Wimbledon-Sieger Andy Murray, mit Stefanos Tsitsipas, mit Matteo Berrettini. Und das in einer schwierigen Zeit. Bei uns haben natürlich auch schon mal Roger Federer oder Rafael Nadal aufgeschlagen. Es gab also sogar noch bessere Besetzungen.

tennisnet: Und was den Zuschauerzuspruch anbelangt? Im vergangenen Jahr musste ja vor leeren Rängen gespielt werden.

Weindorfer: Die ersten Tage waren durchwachsen vom Wetter her. Aufgrund von Corona verkaufen wir derzeit viele Tagestickets. Das war auch ein Lernprozess für uns. Am Dienstag und am Mittwoch war das Wetter schlecht, da haben wir auch an der Tageskasse nicht gut verkauft. Dazu kommen die Pfingstferien in Baden-Württemberg. Viele Leute, die eigentlich zum Tennis kommen, sind gerade unterwegs. Das ist die Realität. Am Wochenende sind wir zu 90 bis 100 Prozent voll besetzt. Wir konnten erstmals wieder eine Players Party veranstalten, das Leben ist zurück. Das ist positiv.

tennisnet: Was können Sie uns über den für Außenstehende doch überraschenden Wechsel des Titelsponsors sagen?

Weindorfer: Zunächst einmal ist es unglaublich, dass wir es nach dem Ende einer 42-jährigen Partnerschaft zwischen Mercedes und diesem Turnier geschafft haben, mit Boss einen neuen Sponsor von Weltrang zu finden. Wir waren überrascht, dass es nach Auslaufen des Vertrages im Herbst 2021 mit Mercedes nicht weitergeht. Aber wir haben in dieser schwierigen Situation mit Boss den perfekten Partner bekommen. Ein Vierjahresvertrag, besser konnte es nicht kommen. Das Unternehmen ist jung orientiert, rüstet Matteo Berrettini aus, ich bin davon überzeugt, dass dies eine grandiose Zusammenarbeit wird.

"Einige Turniere werden nicht überleben"

tennisnet: Globaler betrachtet gibt es in der ATP richtig große Umwälzungen in der Turnierlandschaft. Von denen die von Ihnen betreuten Events aber noch verschont geblieben sind, oder?

Weindorfer: Wien, Stuttgart, Berlin und Mallorca sind nicht betroffen. Es gibt diese Idee eines 1000er-Turniers auf Rasen, das ist kein Geheimnis. Aus meiner Sicht ist das aber alles nur ein Geplänkel. Weil ein Turnier dieser Größenordnung weder in Hamburg, HalleWestfalen oder Stuttgart umsetzbar wäre. Es wäre möglicherweise in England durchführbar, aber auch nicht am jetzigen Standort des 500ers in Queen´s Club. Dieses 1000er, von dem ich nicht glaube, dass es kommt, würde den einzigen Teil des Kalenders, der wirklich super funktioniert, massiv beeinflussen. Man spekuliert eben gerne. Und es sind ja einige Punkte der Vision von Andrea Gaudenzi noch nicht klar ausformuliert.

tennisnet: Was klar ist: Einige ATP-Masters-1000-Turniere werden schon 2023 auf zwölf Tage erweitert, ein Jahr danach folgen weitere. Wie sehen Sie diese Änderungen?

Weindorfer: Die Frage ist dabei nur: Wie viele Kollateralschäden wird es geben? Wir sind ja alle Members in der ATP, egal, welche Kategorie ein Turnier einnimmt. Stuttgart ist gemeinsam mit Doha und Marseille das stärkste 250er der Welt, auch besser besetzt als so manches 500er. Wird sind in den nächsten drei Jahren nicht betroffen. Und wer weiß schon, was 2026 passiert?

tennisnet: Aber wenn dann Madrid, Rom, Cincinnati und das kanadische Masters auf zwölf Tage aufgebläht werden - werden da nicht einige Turniere leiden?

Weindorfer: Ich persönlich halte das für keine gute Idee. Weil aus meiner Sicht die genannten Turniere nicht wahnsinnig viel stärker werden. Und es gibt sehr viele kleinere Turniere, die auch wichtig sind: Kitzbühel als zweitgrößtes Event in Österreich, Umag als einziges Turnier in Kroatien, Bastad in Schweden, Gstaad. Diese Turniere werden alle furchtbar leiden, wenn Cincinnati und Kanada auf zwei Wochen verlängert werden. Da fällt im Sommer permanent eine Woche weg. Zum Glück haben wir uns 2014 entschieden, auf Rasen zu gehen. Und ja, jetzt haben wir doch eine Antwort: Diese große Vision, die nicht von allen geteilt wird, wird sehr viele Kollateralschäden verursachen. Und es werden einige Turniere nicht überleben.

"Die WTA hat ein großes Problem: China"

tennisnet: Auch für München wird es bei einem früheren Termin schwierig.

Weindorfer: Genau. Das ist aber nicht der Fehler vom MTTC Iphitos, sondern von der ATP. Da passieren gerade massive Fehlentscheidungen. Wenn man darüber nachdenkt, wie gut alles in den vergangenen 30 Jahren funktioniert hat - und jetzt hat man eine zweiwöchige Sandplatz-Saison im Sommer. Aber bei den Mehrheitsentscheidungen im Board dominieren die 1000er. Und denen ist es herzlich egal, wie es den kleinen Events geht. Und das ist falsch.

tennisnet: Und was ist mit der WTA? Die muss sich ja nach den Männern richten …

Weindorfer: Die WTA muss sich anpassen. Das ist sicherlich nicht einfach. Die WTA hat zur Zeit ein ganz großes Problem: China. Die Frauen sind viel stärker abhängig als die ATP. Die WTA hat elf Turniere in China, die ATP nur drei. Wenn jetzt aufgrund eines möglichen nächsten Lockdowns diese elf Turniere abgesagt werden, dann hat die WTA-Tour ein Problem. Und dann gibt es ein weiteres Problem, auf einer anderen Ebene: Wir hatten für das WTA-Turnier in Berlin in der kommenden Woche ein super Teilnehmerfeld. Dann sagen Iga Swiatek und Naomi Osaka ab. Zwar auf eine nette Art und Weise - Swiatek hat uns ein bedauerndes Video geschickt -, aber gerade diese Absage tut weh. Wir haben den polnischen Markt extrem beworben. So etwas muss man diskutieren. Und im Zweifel härter sanktionieren.

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