Tennis verboten, Skifahren erlaubt? Das versteht auch Jürgen Melzer nicht

Auch Jürgen Melzer, der kommende Sportdirektor des Österreichischen Tennis Verbandes (ÖTV), kann mit dem Verbot des Tennisspielens in der Halle nichts anfangen.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 02.12.2020, 16:17 Uhr

Jürgen Melzer plädiert für ein Öffnen der Tennishallen
© Getty Images
Jürgen Melzer plädiert für ein Öffnen der Tennishallen

Alfred Dorfer hat in einem seiner frühen Kabarett-Programme sinngemäß folgenden Vergleich gezogen: Der einzige Vorteil der Österreicher gegenüber den Deutschen bestehe darin, dass wir, also die Österreicher, weniger seien. Im Kontext bezog sich dies damals auf das Urlaubsverhalten der beiden Nationen. In diesen Tagen sind die Hobby-Tennisspieler allerdings in Deutschland besser dran: Denn während in Österreich die Tennishallen für die Amateurspieler geschlossen bleiben, gibt es in einigen deutschen Bundesländern nach wie vor die Erlaubnis, Indoor zu spielen.

Zum Beispiel in Hessen, wo der DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff sich so lange und beharrlich für das Aufsperren der Hallen eingesetzt hat, bis die Politik dem Druck nachgegeben hat. Ein Modell, das Hordorff auch anderen Bundesländern, oder Nationen, durchaus weiter empfiehlt, wie er in der jüngsten Ausgabe von „Quiet, please - der tennisnet-Podcast“ erklärt hat. Auch in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen darf unter den bekannten Hygiene-Auflagen in der Halle gespielt werden. In Bayern nicht. Weshalb der Bayerische Tennis Verband (BTV) nun gegen das Verbot klagen wird.

tennisnet · Quiet, please - der tennisnet-Podcast - Episode 38

Jürgen Melzer „Das Verbot stößt bei mir auf Unverständnis“

In Österreich sieht es danach aus, dass ab dem 24. Dezember zwar Outdoor-Sportarten wie das Skifahren oder Eislaufen erlaubt sein werden, nicht aber das Tennisspielen in der Halle. Dieser Regelung kann Alex Antonitsch, Turnierdirektor von Kitzbühel, wenig abgewinnen. Denn die Abstände der Spieler seien in der Halle wesentlich größer als etwa auf einer Eislauffläche an einem normalen Sonntagnachmittag.

Und natürlich setzt sich auch Jürgen Melzer mit der Situation auseinander. Die österreichische Doppel-Legende bereitet sich auf die Aufgaben als Sportdirektor beim ÖTV vor. Und hat im Interview mit tennisnet zu den dringendsten Fragen Stellung bezogen.

tennisnet: Herr Melzer. Es sieht danach aus, dass für Österreichs Hobbyspieler die Hallen bis mindestens Ende des Jahres geschlossen bleiben werden. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Jürgen Melzer: Grundsätzlich muss man vorausschicken, dass wir sehr froh sind, dass die Profis und sehr viele Spieler spielen dürfen. Das war in anderen Sportarten nicht so. Jetzt haben wir den Fall, dass die Tennishallen nicht aufsperren. Wenn man sich die Möglichkeiten in einer Tennishalle anschaut, wie weit man eigentlich voneinander entfernt miteinander spielen kann, dann stößt das bei mir auf Unverständnis, dass das nun verboten ist.

tennisnet: Aus Deutschland wissen wir, dass der Druck der Tennisspieler auf die Politik - durch Mails, durch Anrufe - gefruchtet hat. Könnten Sie sich so etwas für Österreich auch vorstellen?

Melzer: Wieso nicht? Ich glaube schon, dass aufgezeigt werden muss, wie es im Tennissport aussieht. Dass wir die Chance haben, eine Sportart aufzumachen, die mit dem nötigen Präventionskonzept auf alle Fälle durchführbar ist. Und es ist jetzt ja nicht so, dass im Sommer viele Fälle dadurch entstanden sind, weil die Leute Tennis gespielt haben. Man muss differenzieren. Wenn ich jetzt höre, dass die Skilifte aufgesperrt werden, wenn auch nur bis zur halben Kapazität, und die Tennishallen müssen zu bleiben, dann steht das für mich in absolut keiner Relation. Das ist für mich unverständlich.

tennisnet: Nun haben die Erfolge von Dominic Thiem, aber auch von Ihnen in Österreich dafür gesorgt, dass der Tennissport wieder deutlich mehr Zuspruch erfährt. Befürchten Sie in dieser Hinsicht einen Rückschlag?

Melzer: In Österreich gibt es im Augenblick einen großen Tennisboom. Und viele Leute akzeptieren und verstehen, dass Tennis eine dieser Sportarten ist, die man während COVID auch spielen kann. Deshalb sind auch viele neue Leute zum Tennis gekommen. Und wir müssen schauen, dass wir das weiter führen. Wir müssen den Leuten schmackhaft machen, was für ein geiler Sport Tennis ist. Und da werden wir in den nächsten Wochen, Monaten, Jahren daran arbeiten.

tennisnet: Haben Sie das Gefühl, das ÖTV eine große Lobby bei den Entscheidungsträgern hat?

Melzer: Das ist im Moment extrem schwierig zu beantworten. Der Sport wird einfach generell hinten angestellt. Es herrscht offenbar die Ansicht: Sport muss zubleiben, das ist die sichere Variante. Ich als leidenschaftlicher Sportler sehe das einfach anders. Viele Leute sind im Moment „eingesperrt“, machen wenig Bewegung - und Tennis ist eine Sportart, die man ohne Probleme durchführen könnte. Und oft hilft es ja auch, wenn man einfach gegen einen Ball drischt, damit man den im Moment nicht besonders sonnigen Alltag vergisst. Deshalb ist es aus meiner Sicht extrem wichtig, dass man Sportarten mit einem sinnvollen Konzept wieder öffnet. Und das möglichst schnell.   

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02.12.2020, 15:25 Uhr
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