Titel-Kapitel 37: Zverev kämpft in Paris auch gegen sich selbst
Im 37. Grand-Slam-Turnier seiner Karriere soll es für Alexander Zverev endlich mit dem ersehnten Titel klappen. Zu den Topfavoriten zählt er bei den French Open diesmal nicht.
von SID
zuletzt bearbeitet:
26.05.2025, 19:35 Uhr

Fieses Fieber und verhexter Magen bei der Generalprobe, ein Blitzeinschlag in den Flieger nach Paris und dann auch noch latentes Lospech: Wäre Alexander Zverev ein allzu abergläubiger Mensch, er könnte höhere Mächte am Werk wähnen, die unbedingt seinen ersten Grand-Slam-Titel verhindern wollen. "Schlimmer kann es ja jetzt nicht mehr werden", sagte Zverev grinsend nach seiner Holper-Anreise zu den French Open. Dort sollen ihm beim Griff nach dem so ersehnten Major-Sieg weder die Tennis-Götter noch wie zuletzt so häufig er sich selbst im Weg stehen.
Best of five-Format als Hoffnung
"Ich freue mich sehr auf dieses Turnier und eine neue Chance, gerade nach den Australian Open", sagt Zverev vor seinem Auftaktmatch am frühen Dienstagsnachmittag (zweites Match auf Court Suzanne Lenglen) gegen den jungen US-Amerikaner Learner Tien. Vier Monate nach seiner deftigen Final-Abfuhr in Melbourne gegen Jannik Sinner soll Paris endlich den Triumph bringen, dem Zverev schon so lange hinterherjagt. Doch nach einer Sandplatzsaison mit Rückschlägen in Serie und einem krachend gescheiterten Angriff auf Weltranglistenplatz eins weiß er: Das wird verdammt schwer.
"Gerade die ersten Matches hier sind immens wichtig", sagt der Hamburger, der im April zwar das mäßig besetzte Heimturnier in München gewann, ansonsten aber regelmäßig gegen Spieler verlor, die er normalerweise auf seinem Lieblingsbelag im Griff haben sollte. "Das ist hier aber anders, hier werden fünf Sätze gespielt", sagt Zverev. Soll heißen: Zwei Sätze mögen diese Cerundolos oder Comesanas, die ihn zuletzt ärgerten, vielleicht gegen ihn gewinnen können. Drei aber? Nicht mit Sascha.
Steiniger Weg zum Titel
Echtes Selbstvertrauen oder trotzige Hoffnung? Schon das Match gegen Melbourne-Achtelfinalist Tien, der Zverev im Februar in Acapulco bezwang, könnte darüber aufklären. Auch der weitere mögliche Weg ist steinig: Der frühere Weltranglistensechste Félix Auger-Aliassime könnte in Runde drei warten, im Achtelfinale dann immerhin nicht Francisco Cerundolo, der Zverev zuletzt in Buenos Aires und Madrid schlug, nun aber am Montag bereits scheiterte. Im Viertelfinale aber: Novak Djokovic, alt aber mächtig. Losglück sieht anders aus.
Körperlich gesund ist Zverev jedenfalls, die Krankheitsepisode vom Heimturnier in Hamburg passé. Nun kommt es wieder auf das Mentale an. Und da mehren sich die Zweifel an der psychischen Konkurrenzfähigkeit des physischen Weltklassespielers. "Ich glaube leider, dass es an seinem Kopf liegt. Denn wenn man sein Tennis-Niveau sieht, hätte er schon einen Grand-Slam-Titel gewinnen müssen", sagt der 14-malige Paris-Champion Rafael Nadal, einer der mental stärksten Spieler der Geschichte. Zverev, das bleibt sein Problem, verliert zu oft den Fokus. In den Matches und auch dazwischen.
"Tennis ist mental kein einfacher Sport"
Bei seinem Medienterminen in Paris redete Zverev ausgiebig über die Abgründe von Social Media und seine Einstellung zu Linienrichtern, bei den Frühjahrs-Niederlagen arbeite er sich an Zuschauern, Schiedsrichtern, Ball-Qualität oder verirrten Drohnen über dem Platz ab. Wer Zverev wohlgesonnen ist, könnte sagen, er habe feine Antennen, denke seinen Sport komplex und ganzheitlich. Die andere Lesart: Zverev lässt die Konzentration aufs Kerngeschäft vermissen.
"Tennis ist mental kein einfacher Sport", sagte Zverev in Paris. Dort war im Vorjahr im Finale Carlos Alcaraz auch psychisch stärker als der Deutsche.
Zverev arbeitet an dem Thema, sein Titelfenster ist noch offen. Wie lange noch? Er spielt seinen 37. Grand Slam, die Italienerin Flavia Pennetta gewann 2015 in New York bei ihrem 49. Major erstmals, Goran Ivanisevic benötigte 47 Anläufe, Jana Novotna 45. Auch bei ihnen war es lange eine Kopfsache.
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