„Ich kam mit drei Schlägern und 500 Mark nach Deutschland“

Der ehemalige Davis-Cup-Spieler spricht im Interview über seine Akademie und den Verlauf seiner Karriere.

von Christian Albrecht Barschel
zuletzt bearbeitet: 24.09.2012, 11:05 Uhr

Von Christan Albrecht Barschel

Tomás Behrend (geboren am 12.12.1974) ist ein ehemaliger deutscher Tennisprofi. Behrend kam mit 17 Jahren nach Deutschland und spielte 13 Jahre auf der ATP-Tour. 14-mal stand er im Einzel im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers. Nach seiner Karriere gründete er 2008 eine Tennis-Akademie in Alsdorf. 2012 kam eine neue Base in Köln-Chorweiler dazu.

Herr Behrend, Sie haben Ende 2007 Ihre Karriere beendet. Wie ist es Ihnen seitdem ergangen?

Mir ist es ganz gut ergangen. Der Prozess des Karriereendes hatte schon deutlich früher angefangen. Ich wollte Ende 2006 meine Karriere beenden, weil meine Frau schwanger war. Meine Frau hatte damals dann den guten Vorschlag gemacht, dass ich noch ein Jahr, vorwiegend im Doppel, dranhängen könne. Unser Kind kam Anfang 2007 zur Welt und wir sind dann zu dritt um die Welt gereist. Das war noch ein sehr schönes Jahr. Mir hat das gut gefallen, wie ich meine Karriere ausklingen lassen habe.

Wie schwierig war für Sie nach dem Karriereende der Übergang in das "normale Leben"?

Nach meinem Karriereende habe ich mir erst einmal ein halbes Jahr komplett freigenommen, um das Leben zu genießen und viele Dinge zu machen, die man auf der Tour nicht schafft. Im April 2008 habe ich dann meine Tennis Academy gegründet.

Wie ist es zur Gründung Ihrer Tennis-Akademie gekommen?

2006 habe ich schon überlegt, was ich nach meinem Karriereende machen könnte. Es gab die Möglichkeit als Tourcoach einzusteigen oder mit der Firma Head, die mich jahrelang begleitet hat, zusammenzuarbeiten. Es gab zwei Gründe, warum ich meine Academy gegründet habe. Zum einen wollte ich etwas mehr zu Hause sein und bei der Erziehung meiner Kinder entscheidend mitbeteiligt sein. Zum anderen habe ich mir meinen Kindheitstraum, Tennisprofi zu sein und Grand-Slam-Turniere zu spielen, verwirklicht. Ich will mit Jugendlichen zusammenarbeiten, die ebenfalls den Traum haben, Tennisprofi zu werden.

War die Gründung einer eigenen Tennis-Akademie immer ein Ziel von Ihnen?

Die Jugendlichen von klein auf bei ihrem Weg zu begleiten, sie zu fördern und zum Tennisprofi auf Grand-Slam-Niveau auszubilden, ist ebenfalls ein Traum von mir. Wenn ein gestandener Spieler dich anruft und fragt, ob du ihn auf der Tour begleiten kannst, ist das zwar auch schön. Ich will aber Jugendliche zum Tennisprofi formen und zu den Grand Slams bringen. Das ist mein Traum.

Welche Schwerpunkte werden den Jugendlichen an der Tomas Behrend Tennis Academy vermittelt?

Wir haben sehr schnell ein komplettes Team mit Physiotherapeuten, Ärzten, Osteopathen, Fitness- und Mentaltrainern gebildet. Wir haben es geschafft, dass alle Bereiche des Tennissports mit guten Leuten besetzt sind. Ich leite fast das komplette Training und stehe täglich mit den Jugendlichen auf dem Platz. Ich glaube, dass das später einen großen Unterschied ausmachen kann. Dass die Jugendlichen von Anfang an die Erfahrung eines Grand-Slam-Spielers vermittelt bekommen, inklusive der Fehler, die ich gemacht habe. Das verspricht eine Menge an Erfolg.

Auch die Ex-Profis Mark-Kevin Goellner und Markus Zoecke betreiben eigene Akademien. Dazu kommt die Tennis-University von Rainer Schüttler und Alexander Waske. Gibt es Austausch zwischen den Akademien oder geht jeder seinen eigenen Weg?

Mit Mark-Kevin Goellner, dessen Akademie in der Nähe ist, gibt es Kontakt. Unsere Spieler trainieren hin und wieder zusammen. Wir haben da überhaupt keinen Konkurrenzkampf. Es findet zwar keine richtige Zusammenarbeit statt, aber man arbeitet auch nicht gegeneinander. Die Leute fragen immer, wer die besseren Spieler hat. Das ist völlig egal. Von guten Spielern profitiert das deutsche Tennis immer indirekt. Die Erfolge kommen irgendwann bei jedem, der Tennis betreibt, an.

Sie haben sowohl die deutsche als auch die brasilianische Staatsangehörigkeit. Fühlen Sie sich mehr als Deutscher oder mehr als Brasilianer?

Ich fühle mich mehr als Deutscher. Ich habe im Davis Cup und im World Team Cup für Deutschland gespielt und arbeite in Deutschland. Ich bin mit einer Deutschen verheiratet und habe zwei Kinder, die in Deutschland geboren sind. Die Bindung zu Brasilien ist natürlich sehr groß, weil ich dort geboren bin und meine Eltern aus Brasilien kommen. Ich werde dieses Jahr 38. 20 Jahre davon habe ich in Deutschland gelebt. Das ist schon eine enorme Portion Deutsch in meinem Herzen.

Sie galten in ihrer aktiven Zeit als Gute-Laune-Typ und hatten stets ein Lächeln auf den Lippen. Ist in der heutigen Tennisszene noch Platz für Spaß und Freude oder ist daraus immer mehr ein Geschäft geworden?

Meiner Meinung nach hat sich bei den guten Spielern und den Turnieren, die ich besuche, nicht viel geändert. Es ist immer noch so, dass man Spaß bei der Sache haben kann, ohne seine Ziele aus den Augen zu verlieren. Natürlich ist Tennis ein Geschäft. Das sollte auch ganz oben in der Liste stehen, dass dein Geschäft weiter läuft. Wenn man als Spieler Tennis irgendwann nur noch als Geschäft sieht und den Spaß an der Sache verliert, werden auch die Ziele schwer zu erreichen sein. Es bleibt eine Quälerei. Alles was im Fernsehen so einfach aussieht, ist eine Arbeit von vielen Tagen, Monaten und Jahren. Wenn man zwischendurch im Training oder im Leben keinen Spaß hat, würde man das auch nicht so gut machen können.

2003 spielten Sie im Relegationsspiel gegen Weißrussland Ihr einziges Match im Davis Cup. Sie verloren im Eröffnungseinzel nach 2:0-Satzführung und zwei Matchbällen gegen Max Mirnyi. Deutschland stieg später aus der Weltgruppe ab. Wie oft denken Sie noch an dieses Spiel?

Es gibt immer zwei Sichtweisen auf dieses Spiel. Es hat mich unheimlich stolz gemacht, dass die Davis-Cup-Partie in Sundern stattgefunden hat, für das ich auch Bundesliga gespielt habe. Wenn ich ein Match in meinem Leben anders drehen könnte, wäre es mit Sicherheit dieses Match. Das war schon ein bitterer Moment. Ich denke aber nicht täglich daran. Aber hin und wieder kommen Momente, bei denen ich an das Match zurückdenke. Wenn man mit ehemaligen Spielern spricht oder wenn man im Fernsehen einen Spieler sieht, dem Ähnliches passiert. Es ist einer der schönsten Momente in meinem Leben gewesen, für Deutschland im Davis Cup zu spielen, aber auch gleichzeitig die bitterste Niederlage, die ich in meiner Karriere hatte.

Hätten Sie auch gerne für Brasilien im Davis Cup gespielt?

Es hat sich nie ergeben, für Brasilien zu spielen. Ich hatte schnell den Entschluss gefasst, in Deutschland Fuß zu fassen. Meine Großeltern sind deutscher Abstammung. Ich hatte den deutschen Pass und habe in der Bundesliga gespielt. Mein sportlicher Weg war nur aus deutscher Sicht geprägt. Es gab vor 2003 ab und zu die Gedanken, für Brasilien zu spielen. Die Anfrage aus Brasilien ist aber nie gekommen, so dass ich mich nie entscheiden musste. Dann kam auch glücklicherweise der Anruf von Patrik Kühnen. Anfang 2003 war ich dann auch als fünfter Mann beim Davis Cup in Argentinien dabei.

Sie haben es im Einzel bis auf Platz 74 geschafft, im Doppel war Platz 43 ihre beste Position. Wie zufrieden sind Sie mit dem Verlauf Ihrer Karriere?

Am 15. April 1992 bin ich aus Brasilien das erste Mal in Deutschland gelandet. Ich hatte eine Tasche mit Klamotten, drei Tennisschläger, 500 Deutsche Mark und ein gültiges Rückflugticket für zwei Jahre nach Brasilien dabei. Wenn mir jemand am 15. April 1992 gesagt hätte, dass meine Karriere so verlaufen würde, wie sie letztendlich gelaufen ist, hätte ich das damals sofort unterschrieben. Ich kam als 17-jähriger Brasilianer in ein großes Abenteuer und wurde erst einmal in der Bezirksliga beim TC Freigrafendamm Bochum untergebracht. Ich hatte nicht den großen Plan, wie die Profikarriere zustande kommen soll. Ich wusste nur, dass ich über Preisgeldturniere die Möglichkeit hatte, meine Karriere zu entwickeln. Mit 19 Jahren hatte ich noch in der Bezirksliga gespielt und hatte dabei noch eine negative Bilanz, wenn ich das richtig im Kopf habe. Wenn man mit 19 Jahren noch in der Bezirksliga spielt, sagen wohl 999 von 1000 Leuten zu Recht, dass man es mit der Profikarriere lieber blieben lassen soll, weil es viel zu spät ist. Man sollte dann nicht davon träumen, damit Geld zu verdienen und bei den Grand Slams zu spielen. Es war mein Traum, es war mein Ziel. Deshalb kann ich sehr zufrieden sein, wie meine Karriere gelaufen ist.

Sie haben Carlos Moya sowohl in Brasilien als auch in Deutschland geschlagen. Neben Moya haben Sie mit Juan Carlos Ferrero und Gaston Gaudio zwei weitere French-Open-Champions besiegt. Dazu kommt ein Erfolg gegen den ehemaligen Weltranglisten-Ersten Marcelo Rios. Was war Ihr schönster Sieg in Ihrer Karriere?

Der schönste Sieg war gegen Marcelo Rios beim World Team Cup in Düsseldorf. Ich habe am 19. Mai 2003 gegen Rios gespielt. 19 Tage zuvor, am 30. April 2003, habe ich mich einer Knieoperation unterzogen, weil mein Meniskus gerissen war. Keine drei Wochen später gewinne ich dann gegen die ehemalige Nummer eins Rios. Das war sensationell, weil es nicht irgendein Turnier war, sondern der World Team Cup in Deutschland.

Das deutsche Herrentennis macht derzeit mehr mit Streitereien untereinander als mit guten Resultaten auf sich aufmerksam. Wie ist Ihre Meinung zu dem Streit im Davis-Cup-Team?

Ich kenne alle Parteien sehr gut. Von außen ist das nicht immer einfach zu verstehen, vor allem wenn man auf Patrik Kühnen und Philipp Kohlschreiber schaut. Beide machen Werbung zusammen und haben schon etliche Male gemeinsam Deutschland vertreten. Dass es so weit kommt, dass man in einem Heimspiel gegen Australien auf Sand ohne Kohlschreiber spielt, ist etwas merkwürdig. Ich kenne nicht die Hintergründe, aber es muss etwas im Weg stehen, dass man nicht miteinander spricht und dann auf die deutsche Nummer eins verzichtet. Ich hoffe, dass das Thema bald zur Seite gelegt wird, denn Philipp hat immer sehr gut für Deutschland gespielt.

Einige Profis beschweren sich darüber, dass Spieler in den hinteren Ranglistenplätzen zu wenig Preisgeld bekommen. Sie haben in Ihrer Karriere knapp eine Million US-Dollar verdient. Wie gut konnten Sie nach Ihrer aktiven Zeit von den Preisgeldern leben?

Ich habe in der Nähe von Aachen ein schönes Haus gebaut. Ich konnte mir auch leisten, das erste halbe Jahr nichts zu machen. Diesen Luxus habe ich mir erarbeitet, indem man sich was zur Seite gelegt hat. Gleichzeitig hatte ich aber auch im Hinterkopf, dass ich nach einem halben Jahr oder Jahr Einnahmen erzielen muss. Wenn man das zwei oder drei Jahre weiter macht, ist ohne Einnahmen das schöne Leben natürlich zu Ende. Das normale Leben geht eben weiter. Ich bin sehr zufrieden, wie alles gelaufen ist und was ich erreicht habe. Klar wünscht man sich, dass man das eine oder andere Match zusätzlich gewonnen hätte. Auch mit dem Verlauf meiner Academy, mit dem Aufbau eines neuen Trainingsstützpunktes in Köln für angehende Profis, bin ich sehr zufrieden. (Foto: GEPA pictures)

Hier geht es zur Webseite der Tomás Behrend Tennis Academy.

von Christian Albrecht Barschel

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24.09.2012, 11:05 Uhr