"Hab gewusst, dass ich das drauf hab"
Der Wiener zieht im exklusiven tennisnet.com-Interview Bilanz nach einer für ihn höchst turbulenten wie erfolgreichen Saison.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
06.12.2011, 16:04 Uhr

Die tennisnet.com-Saisonbilanzen, Teil 1:Alexander Peya. Im für einen Tennisprofi reifen Alter von damals 30 Jahren hat sich der Schützling von Michael „Elch“ Oberleitner zum Start der neuen Saison dem Doppel verschrieben. Und muss diese Entscheidung ein knappes Jahr später ganz und gar nicht bereuen: In Hamburg holte er bei einem ATP-World-Tour-500-Eventseinen ersten Turniersieg auf der großen Bühne,in Wimbledon erreichte er gar sensationell das Semifinale, schaffte den Sprung in die Top 20 – undwechselte im Oktober dennoch den Partner. Mit Oliver Marach will er nun die Jagd auf die Olympischen Spiele 2012 in London eröffnen. Im tennisnet.com-Interview blickt Peya zurück auf eine fulminante Saison – und nach vorne auf eine neue Spielzeit mit großen, neuen Zielen. Und er verrät als nunmehriger Ehemann, wieso eigener Nachwuchs für ihn mittlerweile doch ein Thema ist.
Alex, du bist vor genau einem Jahr vor der Entscheidung gestanden, ob du dich aufs Doppel spezialisieren sollst, was du letztendlich auch getan hast. Wie siehst du diese Entscheidung im Rückblick? War’s die richtige?
Auf jeden Fall. Es war schon schwierig, weil ich gerne Einzel gespielt hab, aber ich hab dann den Entschluss getroffen, meinen Turnierplan zu Jahresbeginn nach dem Doppel zu richten. Ich hab gehofft, dass sich das „Problem“ von allein löst, dass man sieht, in welche Richtung es geht. Und das hat sich dann schnell herauskristallisiert. Ich hab im Doppel bei den ersten Turnieren recht konstant gepunktet und hatte im Einzel keine echte Überlebenschance mehr.
Hätte dieser Entschluss schon früher kommen müssen?
Im Nachhinein betrachtet vielleicht schon. Wenn ich gewusst hätte, wie 2010 verlaufen wäre, ja. Aber man weiß es vorher eben nicht. Ich bereue nicht, wie es gekommen ist. Ich glaube, ich hab durchaus den richtigen Moment gefunden.
Gab es einen Wendepunkt, wo du gesehen hast, dass es im Einzel nicht klappen wird?
Ich hab’s 2010 ja nochmal richtig probiert, auch wieder Futures gespielt und ein ordentliches erstes Halbjahr hingelegt. Knackpunkt war dann die letzte Qualifikationsrunde in Wimbledon, wo ich gegenIvan Dodignach 2:0 in Sätzen verloren hab und danach zusehen konnte, wie er ein relativ einfaches Los zieht und in die zweite Runde kommt. Davon hab ich mich schwer erholt, zumal es für mich ein besonders wichtiges Turnier ist, wo ich am besten spiele und meine Spielanlage passt. Ich hab dann im zweiten Halbjahr nicht mehr so gut weitergespielt. Ich hab auch das Gefühl, dass die Beläge und Bälle immer langsamer werden, das geht im Einzel nicht in meine Richtung, da kann ich nicht mehr vorne mitspielen.
Die Spezialisierung hat sich ausgezahlt. 2010 hast du auf Platz 103 abgeschlossen, jetzt bist du die Nummer 18 der Welt im Doppel. Das hättest du davor genommen, oder?
Ja, definitiv. Ich hab das Jahr aber auch unter meinem Wert begonnen, da ich mich davor eben noch aufs Einzel konzentriert hatte. Ich hab am Anfang schnell ganz gut gepunktet, etwa in der ersten Turnierwoche gleich mitPhilipp Petzschnerspielen können und das Semifinale in Brisbane erreicht. Das hat mir die Chance gegeben, bei den ATP-Turnieren reinzukommen, als ich dann mit Christopher Kas gespielt hab. Zwei Mal sind wir dabei als Letzte noch ins Hauptfeld reingekommen, das sind Sachen, die kann man schwer beeinflussen, da gehört auch ein bisschen Glück dazu. Es ist einfach sehr gut für mich verlaufen.
Wenn dir jemand prophezeit hätte, dass du so einen großen Sprung nach vorne machst, in Hamburg deinen ersten Doppeltitel holst und in Wimbledon ins Semifinale kommst, was hättest du dem gesagt? Oder hast du immer gewusst, dass du das drauf hast?
Ich hab’s gewusst. Dass das so schnell geht, war nicht vorherzusehen. Aber dass ich etwa mal ein Turnier gewinne, war für mich keine Überraschung, es war eher eine Überraschung, dass es so lang gedauert hat. Auch dass ich die Qualität und Stärke hab, bei einem großen Turnier wie Wimbledon so weit zu kommen, daran hab ich nicht gezweifelt.
Welche der drei genannten Errungenschaften freut dich am meisten und macht dich besonders stolz?
Das Wimbledon-Semifinale steht über allem drüber, würde ich sagen.
Und welche Errungenschaft würde dich 2012 am meisten freuen?
Olympia ist natürlich ein Thema, da wird man sehen, wie es mit einer Nominierung aussieht. Eine Medaille dort zu holen, ist ein Traum für jeden Sportler. Das wird irrsinnig schwer, muss aber das Ziel sein, wenn man sich vornimmt, bei Olympia mitzuspielen.
Du hältst es dir also nicht nur mit dem Olympischen Motto „dabei sein ist alles“…
Dabei sein ist schön. Wenn Oliver und ich dabei sein werden, sind wir sicher nicht Favorit auf die Medaillen, aber wenn wir mal dabei sind, ist alles drinnen. Es liegt so eng beisammen, da kann man jedes Team schlagen und hat immer seine Chancen.
Du hast es schon angesprochen: Eine weitere wichtige Entscheidung hast du im Oktober getroffen, jene gegen Christopher Kas und für Oliver Marach als deinen Partner. Wie schwer ist dir diese Entscheidung gefallen? Fühlt sie sich richtig an?
Das war die schwierigste Entscheidung, vor allem zwischenmenschlich. Ich hoffe, dass es die richtige war. Ich bin davon überzeugt, aber ob sie sich wirklich als richtig herausstellt, wird man erst sehen. Ich hätte es jedenfalls nicht gemacht, wenn ich nicht daran geglaubt hätte.
Kas ist in Paris-Bercy mit seinem neuen Partner Santiago Gonzalez gleich ins Semifinale gestürmt. Hat das nochmal bewusst gemacht, dass du einen sehr guten Mann gehen hast lassen?
Das war mir vorher auch bewusst. Die ganzen Erfolge heuer hab ich ja auch mit ihm erreicht. Es hat sehr gut miteinander geklappt, genau deswegen war es ja so schwierig.
Wie realistisch, glaubst du, sind jetzt mit Marach die Chancen auf Olympia?
Das muss man das ÖOC fragen!(lacht)Wir können nur so viel machen, wie in unserem Bereich liegt, uns so gut wie möglich vorbereiten, so gute Ergebnisse wie möglich in den ersten Monaten bringen, alles Weitere werden wir sehen.
Macht dir das Druck?
Keinen speziellen oder ungesunden. Als Sportler hat man immer wieder ein Ziel, das man sich auch setzen muss. Jetzt ist das eben eines. Die Welt geht aber nicht unter, wenn wir es nicht erreichen sollten.
Marach hat Wimbledon heuer unter anderem deswegen ausgelassen, weil ihm das Spiel auf Rasen nicht so behagt. Ist es nicht etwas riskant, sich als Hauptziel das Olympische Turnier zu setzen, auf einem Belag, auf dem sich einer von euch nicht allzu wohl fühlt?
Er hat in Wimbledon 2009 schon mal Viertelfinale gespielt, die zwei Rasenturniere vorher waren heuer auch okay. Ich glaube also nicht, dass er nicht auf Rasen spielen kann.
Wie läuft’s bisher im Training?
Es ist etwas schwierig gewesen, weil Oli bis zur Mitte der Woche außer Gefecht war. Er hatte leichte Probleme mit dem Handgelenk und war in Deutschland auf Behandlung. Mittwoch ist er wieder hergekommen, es ist nichts Schlimmes, er war heute beim Training schon wieder schmerzfrei. Da er pausieren musste, hab ich inzwischen bei Michael Oberleitner in der Cumberland-Halle mit Julian Knowle und Max Raditschnigg trainiert. Und letzte Woche auch mit Scott Davidoff, der heuer die Masters-Sieger Max Mirnyi und Daniel Nestor betreut hat.
Wie ist es dazu gekommen?
Wir haben uns selbst gefragt, was wir tun wollen. Wir spielen erfolgreich Doppel, kommen aber vom Einzel. Wir haben zwar ein gutes Gefühl und eine gute Intuition fürs Doppel, aber es gibt sicher einiges zu verbessern, wo man Sachen nach Gefühl macht, es allerdings anders machen sollte. Da kann er uns hoffentlich gut weiterhelfen.
Heißt das, dass er euch auf der Tour begleiten wird?
Da Davidoff Mirnyi/Nestor 2012 nicht mehr coacht, haben wir ihn gefragt. Es ist geplant, dass er bei zehn bis 15 Turnieren dabei sein wird, vor allem bei den größeren. Aber wir wissen noch nicht, wie es so funktionieren wird.
Woran wird derzeit hauptsächlich gearbeitet?
An diversen Stellungen und Spielzügen und am Stellungsspiel. Da Oliver auch oft von der Grundlinie agiert, müssen wir da gut abgestimmt sein, vielleicht mehr als andere. Ich hab ja früher nie Doppelübungen im Training geübt, das müssen wir also angehen. Da gilt es, viele schnelle, kurze Sachen zu machen, die Reaktionen zu schulen, gewisse Situationen zu üben, die immer wieder auftauchen und für die man im Match bereit sein muss. Natürlich arbeiten wir auch den Basics, den Schlägen, der Schwerpunkt liegt da bei Aufschlag und Return.
Was für Spielzüge erarbeitet ihr da so? Oder ist das top secret?
Das ist top secret. Wir haben noch keine, aber das gehen wir jetzt dann an. Jedes Team hat so seine eigenen Spielzüge, genau das macht es ja so interessant. Es gilt, so gut abgestimmt wie möglich und doch unberechenbar zu sein.
Am Platz wirst du dein Glück hoffentlich mit Marach finden, privat hast du es ja mittlerweile gefunden. Wie fühlt es sich an, seit fast einem Jahr Ehemann zu sein?
Außer dass ich einen Ring am Finger hab, ist es kein großer Unterschied, da wir schon lange zusammen sind. Trotzdem ist es eine besondere Sache und verbindet noch mehr. Das war ein riesig schöner Event letztes Jahr.
Als Sportler erlebt man ja so manchen schönen Moment. War der schönste in deinem Leben dennoch die Hochzeit?
Das Sportliche darf man mit dem Privaten nicht vermischen, das kann man nicht vergleichen. So emotionale Tage gibt’s nicht viele, da gibt’s vielleicht die Hochzeit und die Geburt der Kinder. Da muss sich der Sport wahrscheinlich hinten anstellen.
Natascha hat früher ÖTV-Turniere gespielt. War’s für dich wichtig, dass deine Frau aus der Tennisszene ist und deine Begeisterung und Aufopferung für diesen Sport so zu 100 Prozent teilen und nachvollziehen kann?
Das hat damit nichts zu tun. Wir waren gemeinsam in einer Klasse in der Schule, sie hat eben auch Tennis gespielt. Das hat aber keine Rolle gespielt und war nicht so wichtig.
Ist nach 14 Jahren Beziehung Nachwuchs schon ein Thema? Oder soll das erst nach deiner Karriere ein Thema werden?
Sicher ist das ein Thema. Früher hab ich immer gedacht erst nach der Karriere, mittlerweile spiele ich nur noch Doppel und ich weiß nicht, wie lange es noch geht. Aber wenn ich mir Julian Knowle und Michael Kohlmann anschaue(auf dem Nebentisch sitzend, Anm.), könnten es schon noch ein paar Jahre sein. Natürlich wäre es schwieriger als mit einem Alltagsjob, bei dem man jeden Tag nach Hause kommt, aber da müsste man sich halt abstimmen.(Foto: GEPA pictures/Matthias Hauer)
Das Gespräch führte Manuel Wachta.
