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"Djokovic Slam" oder "Rafa Open"

Novak Djokovic und Rafael Nadal ließen im Halbfinale kräftig ihre Muskeln spielen und machen sich in Roland Garros den Titel aus.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 08.06.2012, 18:34 Uhr

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Von Jörg Allmeroth

Es ist zu einem Serien-Klassiker auf den größten Bühnen der Tenniswelt geworden. Und nun findet das Grand-Slam-Finalduell zwischenNovak DjokovicundRafael Nadalzum ersten Mal auch bei den French Open statt, am Sonntag ab 15 Uhr im „Stade Roland Garros“. Geschichte wird dann in jedem Fall geschrieben, beim Kampf zwischen Djokovic, der Nummer 1 der Welt, und Nadal, der Nummer 2 der Welt, denn entweder verlässt der junge Serbe den Schauplatz unterm Eiffelturm mit allen vier Grand-Slam-Titeln in seiner Hand, als erster Spieler überhaupt in der modernen Ära dieses Sports. Oder Nadal schwingt sich zum siebten Mal in acht Jahren zum Sandplatz-König auf und stürmt allein auf Platz 1 der ewigen French-Open-Bestenliste, im relativ zarten Alter von gerade 26 Jahren.

Djokovic vor dem größten Spiel seines Lebens

„Es wird ein großes Abenteuer, eines der größten Spiele meines Lebens“, sagte Djokovic am Freitagabend, als er sich mit einem erstaunlich souveränen 6:4,-7:5,-6:3-Sieg überRoger Federer,den Schweizer Maestro, ins erste Pariser Endspiel seiner Karriere vorgespielt hatte. Nicht nur ein Abenteuer erwartet Djokovic, sondern die größte Aufgabe, die man sich gegenwärtig überhaupt im Tennis vorstellen kann – nämlich die Bezwingung des Gladiators Nadal, der nach einer grandiosen Partie beim 6:2,-6:2,-6:1-Kantersieg gegenDavid Ferrerzum siebten Mal das Endspiel erreichte und dort auch als Favorit gelten muss. Kurios, aber wahr: Djokovic ist in diesem außergewöhnlichen Spiel nur der Herausforderer, der Außenseiter des „King of clay“ – auch wenn er die letzten drei Grand-Slam-Finals gegen Nadal alle gewann, Wimbledon und die US Open 2011 und die Australian Open 2012.

Großer Verlierer des Tages war Federer, der Grand-Slam-Rekordsieger mit 16 Titeln. Noch im vergangenen Jahr hatte der Maestro mit einem begeisternden Auftritt im Halbfinale Djokovic aufgehalten, ihm die erste Saisonniederlage überhaupt zugefügt, doch von einer ähnlichen Meisterleistung war er nun weit entfernt. Selbst die verlockendsten Führungen verspielte der 30-Jährige, im zweiten Satz etwa einen 3:0-Vorsprung mit zwei Breaks. Wann immer Federer sich einmal leicht abzusetzen schien, holte Djokovic rasch wieder auf, ohne dass es einer großen überragenden Anstrengung bedurft hätte. Wie selten zuvor ließ Federer sein Service im Stich, zudem fehlte seiner Vorhand jede Durchschlagskraft und Genauigkeit. Da wunderte nicht, dass nach zwei Stunden und zwölf Minuten schon alles vorbei war – für Djokovic, der nun zum ersten Mal Zugriff hat auf den begehrten Musketier-Pokal, auf den Sieg beim härtesten aller vier Major-Turniere.

"Er ist einfach ein Phänomen"

Was sich im ersten Halbfinale des mal verregneten, mal wieder sonnigen Freitagnachmittags abgespielt hatte, war nichts anderes als eine brutale Machtdemonstration des besten Sandplatzspielers dieser Generation, vielleicht sogar der ganzen Tennisgeschichte. Nur 106 Minuten brauchte Nadal für die vernichtende Abfuhr seines Freundes Ferrer, der ja selbst als einer der stärksten Artisten in dieser Spezialdisziplin gilt. Ganze fünf Spiele ließ Nadal dem Landsmann und Weltranglisten-Sechsten, es war Einbahnstraßen-Tennis, das selbst ohne jede Spannungsmomente faszinierend anzusehen war. „Wir sehen einen großen, großen Meister bei der Arbeit“, befand TV-Mann John McEnroe über die Vorstellung des robusten Mallorquiners, der wieder einmal in der entscheidenden Phase seines Lieblings-Grand-Slams so richtig Fahrt und noch ein Stückchen konzentrierter, zupackender und aggressiver wirkte. Was sei gegen einen Spieler in dieser Form und mit diesem Format zu machen, fragte Verlierer Ferrer hinterher ratlos bei seiner Presse-Talkshow: „Er ist einfach ein Phänomen.“

Doch auch in den erlesenen Maßstäben, die Nadal in den Jahren seiner Regentschaft über Roland Garros gesetzt hat, war dieser Auftritt am dreizehnten von fünfzehn Wettkampftagen 2012 ein wirkliches Highlight – eine begeisternde Show voller Dynamik, Präzision und Power. Zwischen dem Zweiten und dem Sechsten der Tennis-Hackordnung lagen ganze Tenniswelten, wie ein gedemütigter Lehrling schlich Ferrer am Ende über den Centre Court, allenfalls noch in der Lage, den ein oder anderen Ehrenpunkt zu erzielen. „Ich bin hochzufrieden. Ich war wirklich gut in Form“, sagte Nadal später – und das war schon ein arges Selbstlob für den gewöhnlich äußerst bescheidenen Matador, dessen sagenhafte Bilanz auf der Pariser Tennisbühne nun bei 51:1-Siegen steht. „Ich kann niemanden sehen, der ihn hier schlagen könnte“, meinte anschließend Amerikas Davis-Cup-Teamchef Jim Courier, „das Ganze hier wirkt wie die Rafa Open.“(Foto: GEPA pictures)

von tennisnet.com

Freitag
08.06.2012, 18:34 Uhr