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US Open 2021: Die alten Helden fehlen, neue Gesichter strahlen auf

Mit Ausnahme von Novak Djokovic scheint bei den Männern die nächste und in Teilen auch schon die übernächste Generation das Zepter zu übernehmen. Auch bei den Frauen rücken junge Talente nach.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 06.09.2021, 12:48 Uhr

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Carlos Alcaraz - eines der Gesichter der nächsten Generation
© Getty Images
Carlos Alcaraz - eines der Gesichter der nächsten Generation

Als Angelique Kerber am frühen Sonntagabend das Louis Armstrong-Stadion verließ, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Sie winkte fast ein wenig aufgeräumt ihren Fans zu, sie sah wahrlich nicht aus wie eine geknickte Verliererin. Es gab allerdings auch nicht den geringsten Grund, zerknirscht oder todunglücklich zu sein nach dem 6:4, 6:7 (5:7), 2:6-Aus in einer turbulenten Berg- und Talfahrt der Zahlen und Emotionen. Kerber spielte gut bis sehr gut in ihrer Achtelfinalpartie bei diesen US Open, sie hatte eben nur das Pech, auf eine schließlich noch bessere Gegnerin zu treffen, auf die Kanadierin Leylah Annie Fernandez  – eine unwahrscheinliche Gewinnerin, die am Vortag ihres 19. Geburtstages furchtlos und unbekümmert eine dramatische Aufholjagd noch in ihren wertvollsten Karriereerfolg ummünzte. „Wie im Rausch“ habe die Teenagerin gespielt, befand Kerber später, „ich kann mir nicht viel vorwerfen.“

Fernandez ist eines der Überraschungsgesichter der Offenen Amerikanischen Meisterschaften 2021, die nach schleppendem Start auf einmal einen faszinierenden Blick in die nähere und fernere Tennis-Zukunft erlauben. Die Kerber-Bezwingerin ist ja nur eine von vielen jungen bis sehr jungen Profis, die das Establishment beim letzten Grand Slam-Spektakel der Saison ins Wanken bringen. In einem Moment, da Roger Federer, Rafael Nadal, Stan Wawrinka und auch die Williams-Schwestern verletzt fehlen und um weitere Auftritte auf den größten Bühnen bangen müssen, erobert eine ganz neue Generation die Center Courts. Und zu deren erstklassigen Vertretern gehört auch der 18-jährige Spanier Carlos Alcaraz, der mit seinem Fünf-Satz-Erfolg (5:7, 6:1, 5:7, 6:2, 6:0) über den deutschen Qualifikanten Peter Gojowczyk als jüngster Spieler der professionellen Tennisära das New Yorker Viertelfinale erreichte. „Er ist ein Riesentalent. Ihm stehen alle Türen offen“, erklärte Gojowczyk, der im vierten und fünften Satz von Krämpfen geschüttelt wurde und im Schlussakt nur noch sieben Gewinnpunkte erzielte.

Alcaraz als Nachfolger von Nadal gehandelt

Alcaraz wird in Expertenkreisen schon länger als legitimer Nachfolger von Matador Nadal gehandelt. Der Youngster will davon „nichts wissen“, Nadal sei zwar sein „absolutes Idol und Vorbild“, aber im Leben müsse eben jeder „seinen eigenen Weg gehen und finden.“ Dieser Weg kann allerdings früher oder später auch zu Grand Slam-Titeln führen, kaum ein Nachwuchsmann in den letzten Jahren wirkte so früh schon so athletisch und leidenschaftlich wie der aus dem südostspanischen El Palmar stammende Alcaraz. „Ich habe noch nie jemanden gesehen, der die Bälle so hart schlägt“, sagte Griechenlands Star Stefanos Tsitsipas nach seiner Fünf-Satz-Niederlage in der dritten Runde gegen den jungen Herausforderer.

Alacaraz-Trainer Juan Carlos Ferrero, einst die Nummer 1 der Weltrangliste, sieht noch „massives Entwicklungspotenzial“ bei seinem Schützling, er sagt aber auch: „Für sein Alter ist er schon sehr, sehr weit.“ In der Runde der letzten Acht trifft Alcaraz nun auf den 20-jährigen Kanadier Felix Auger-Aliassime, dem ebenfalls schon länger eine strahlende Tenniskarriere vorhergesagt wird. Seit Auger-Aliassime beim ATP-Turnier in Halle Roger Federer besiegte und anschließend ins Finale vorstieß, befindet er sich auf einem Höhenflug. Schon in Wimbledon erreichte „FAA“ das Viertelfinale, schlug dabei im Achtelfinale den deutschen Mitfavoriten Alexander Zverev. Ganz nebenbei rückte noch ein weiterer Überraschungsgast ins US Open-Viertelfinale vor: Der 25-jährige Niederländer Botic van de Zandschulp, der als erst dritter Qualifikant der New Yorker Grand Slam-Historie so weit im Turnier vorstieß. Van de Zandschulp spielt 2021 überhaupt zum ersten Mal im Hauptfeld mit.

Fernandez mit "brutaler Nervenstärke"

Leylah Fernandez, die temperamentvolle Kanadierin, die Kerber stoppte, hatte schon mit ihrem Drittrundenerfolg gegen Titelverteidigerin Naomi Osaka für Aufsehen und Seite 1-Schlagzeilen gesorgt. Die 19-jährige erinnert in ihrem Spiel an die Belgierin Justine Henin, die in ihrer Glanzzeit mit ihrem Schwung, ihrer Zähigkeit und Unbeugsamkeit überzeugte. „Sie ist auch mein eindeutiges Vorbild. Ich habe viele Videos von ihr gesehen, bewunderte immer ihren starken Charakter“, sagt Fernandez. Gegen 2016-Siegerin Kerber ließ sich Fernandez auch nicht durch ein 4:6, 2:4-Defizit irritieren und spielte im letzten Satz gegen die deutsche Favoritin im Stile einer Grand Slam-Königin auf. „Brutale Nervenstärke“ attestierte ihr hinterher die frühere Major-Gewinnerin Tracy Austin.

Wer weiß: Vielleicht spielt Fernandez irgendwann einmal um die großen Tennistitel gegen Britanniens neuen Liebling Emma Raducanu. Die 18-jährige hatte in Wimbledon die Massen verzaubert, ehe sie wegen körperlicher Erschöpfung ihr Achtelfinal-Match aufgeben musste. Bei einer Turnierserie in den USA, vor dem Grand Slam-Treffen in New York, holte sich die Teenagerin neue Matchhärte, sie wird nach drei Auftaktsiegen bei den US Open schon an die Top 100 heranrücken – ganz gleich, wie ihr Achtelfinalmatch gegen Shelby Rogers (USA) am Montag nach Redaktionsschluß ausging. „Meine große Reise im Tennis hat gerade erst begonnen“, sagt Raducanu. 

Hier das Einzel-Tableau der Männer

Hier das Einzel-Tableau der Frauen

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