Andrea Petkovic – Die radikale Abkehr vom alten Tennisleben

Andrea Petkovic geht bei den US Open ganz eigene Wege und richtet ihren Fokus nun ganz auf das Einzel.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 04.09.2015, 10:50 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus New York

FürMaria Sharapovahat Andrea Petkovic schon immer leise Bewunderung übrig gehabt. Wie die bestverdienende Sportlerin der Welt ihren professionellen Job ausübte, fand die Deutsche nicht etwa arrogant oder herablassend, sondern „total bewundernswert“: „Sie kommt zur Arbeit, macht ihren Job und schließt danach wieder die Tür hinter sich zu“, sagt Petkovic. Auf den Spuren Sharapovas will sich auch Petkovic künftig bewegen – beim vielleicht radikalsten Wandel in ihrer sowieso schon bewegten und aufregenden Karriere. Petkovic,die am Donnerstag durch einen souveränen Zwei-Satz-Sieg über die Russin Elena Vesnina in die dritte US-Open-Runde einzog, spricht von „vielen Kleinigkeiten“, die sie geändert habe in den letzten Wochen nach einer schwachen 2015er-Grand-Slam-Bilanz und dem verkorksten Wimbledon-Turnier – doch in der Summe ergibt sich ein drastischer Mentalitätswechsel, eine Abkehr vom bisherigen Leben auf der Tour. „Was ich mache, will ich 100 Prozent richtig und gut machen, mit totaler Konzentration“, sagt Petkovic, „aber ich will nicht morgens, mittags und abends nur ständig an Tennis denken.“

Vorbild Novak Djokovic

Abschottung vom Rest der Kolleginnen, vom Tennis-Schwarm heißt das auch für Petkovic – ganz so wie Sharapova, die einmal auf die Frage geantwortet hatte, warum sie sich nicht in Spielerlounges aufhalte: „Was soll mir das geben? Tennis ist für mich nicht dazu, um Freundschaften zu schließen.“ Petkovic macht in New York ernst mit der neuen Strategie, ziemlich ernst sogar: In den Häuserschluchten Manhattans hat sie sich in einem Hotel einquartiert, in dem kein einziger anderer Tennisprofi abgestiegen ist. Nur sie und ihre Entourage wohnen dort aus dem US-Open-Tross, Teambildung ist angesagt, ein bisschen auch nach dem Vorbild des männlichen FrontmannesNovak Djokovic. Der Serbe bleibt auch am liebsten mit seiner Truppe unter sich, eingeschlossen Chefcoach Boris Becker.

Überhaupt Becker. Er spielt durchaus keine kleine Rolle in dem Bewusstseinswandel bei Petkovic. Denn auch Becker lebte früher im Tennisgeschäft wie später Sharapova oder auch Djokovic. Wenig Verbrüderung mit dem Riesentross der Profikollegen, dafür der Zusammenhalt und das Zusammenleben mit dem eigenen Team. Petkovic holt sich ab und zu Rat vom großen Meister, seitdem man sich in Wimbledon mal eher zufällig aussprach und sich auch gegenseitig sympathisch war. „Boris hat einen Wissensschatz, der ist einfach unbezahlbar“, sagt Petkovic. Vieles, was Petkovic neuerdings so tut und lässt, war allerdings auch überfällig in der Karriere der Hochbegabten: Der größere Fokus auf die alles überragenden Grand-Slam-Turniere, ein abgespecktes Programm vor diesen „Major“-Wettbewerben, der Verzicht auf einen parallelen Doppeleinsatz, durchaus auch mal eine längere Auszeit. Zu unstrukturiert wirkte das Berufsleben der 27-Jährigen, nun gewinnt es an Form und Gestalt und Sinn. „Ich bin jetzt auch in einem Alter, wo ich nicht mehr endlos Zeit verschleudern kann“, sagt die Südhessin, mit der einst der neue Aufschwung im deutschen Damentennis begann.

Schnell kommen und schnell gehen

Bei einem Grand-Slam-Turnier geht es auch darum, alle Energien freizuhalten für das Wesentliche – also für die Einzelspiele, die man im Regelfall alle zwei Tage bestreitet. Petkovic bekam diese Aufgabe in der Vergangenheit aber nicht wirklich in den Griff, meist trat sie sogar noch in den Doppelwettbewerben an. Zuletzt in Wimbledon wartete sie ein ums andere Mal stundenlang auf den Einsatz im Pärchenbetrieb, es kostete Nerven, Zeit und Substanz. „Das macht dich kaputt“, sagt sie. In New York genießt sie nun jeweils einen freien Tag nach den Auftritten als Solistin, und der ist auch neu getaktet. Denn trainiert wird dann nicht mehr mitten am Tag, sondern zu Randzeiten – ganz früh morgens oder spätabends. Petkovic kommt und geht schnell wieder, auf den Trubel in der Lounge verzichtet sie fast immer, übrigens genau so wie FreundinAngelique Kerber, aber anders alsSabine Lisicki, die inzwischen eher mal die Geselligkeit unter Kolleginnen sucht.

Kerber, Lisicki, auch Mona Barthel zogen alle wie Petkovic in die dritte Runde ein.„Jede muss ihren Weg finden. Es gibt nicht nur einen richtigen Weg“, sagt Petkovic. Petkovic ist überzeugt, dass sie mit ihrer Neuorientierung „auf dem richtigen Weg ist“: „Vieles wird seine Wirkung erst noch entfalten. Ich spüre aber, wie gut mir das alles tut.“ Am Samstag kämpft sie gegen die formstarke BritinJohanna Kontaum einen Achtelfinal-Platz, erstmals in diesem durchwachsenen Jahr will sie in die zweite Grand-Slam-Woche: „Ich würde gerne noch ein bisschen länger hier bleiben.“ Auch und vor allem zur Selbstbestätigung des neuen Tennis-Drehs.

Hier die Ergebnisse von den US Open:Einzel,Doppel,Einzel-Qualifikation.

Hier der Spielplan.

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Freitag
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