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US Open: Andreescu, Nadal, Koepfer mit Bestnoten

14 Tage Weltklasse-Tennis in New York sind gestern zu Ende gegangen. Die rein subjektive Notenvergabe erfolgt demnach natürlich nach US-amerikanischen Kriterien.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 09.09.2019, 07:55 Uhr

Bianca Andreescu und Tom Rinaldi - da war schon alles geschehen
© Jürgen Hasenkopf
Bianca Andreescu und Tom Rinaldi - da war schon alles geschehen

A+: Bianca Andreescu, Rafael Nadal, Daniil Medvedev

Das mag nun nicht besonders fantasievoll sein, aber es hilft ja nichts: Andreescu hat während des Turniers ab und zu Schwächen gezeigt, hätte etwa den zweiten Satz gegen Belinda Bencic zwingend verlieren müssen. Hat sie aber nicht. Weil die 19-Jährige bei allem Zetern und Abwinken und Kopfschütteln tief drinnen offensichtlich eben doch immer an sich glaubt.

Rafael Nadal wiederum hat einen perfekten Sommer hingelegt, nach der Enttäuschung im Halbfinale von Wimbledon in Montreál ebensowenig Schwächen gezeigt wie in New York City. 19 Grand-Slam-Titel also für Rafa, und dabei wird es nicht bleiben.

Kommt ja nicht so oft vor, dass jemand seine Vorschusslorbeeren tatsächlich rechtfertigt, aber Daniil Medvedev hat sich jeder Herausforderung gestellt und ist letztlich nur an einem Mann knapp gescheitert, dessen Spielanlage ihm einfach nicht liegt (was für fast alle anderen Spieler auch gilt). Der Kampfgeist Medvedevs nach dem Verlust der ersten beiden Sätze und Breakrückstand im dritten aber? Das war vom Allerfeinsten.

A: Grigor Dimitrov, Matteo Berrettini, Dominik Koepfer

Weiter also im Halbfinale. Dimitrov hat gegen Federer nach dem Verlust des dritten Satzes schon wie der nach der 0:7-Bilanz gegen den Schweizer wie der sichere Verlierer ausgesehen, das Match dann doch noch gedreht. Die 2019er-Bilanz war bis zu den US Open grausig, den Herbst kann Grischa zumindest mit mehr Selbstbewusstsein bestreiten.

Berrettini hat die Gunst der Stunde genutzt, nach dem frühen Ausscheiden von Thiem und Tsitsipas war ein Platz im Halbfinale offen, der Italiener hat dankend angenommen. Das Match gegen Monfils war das spannendste im Herren-Wettbewerb - und hat gezeigt, dass auch die erweiterte Weltspitze bei den Herren mit den Nerven zu kämpfen hat.

Dominik Koepfer wiederum hat seinen Einzug in die vierte Runde in New York als „lebensverändernd“ eingestuft. Mit Recht. Koepfer hat sich durch die Qualifikation gekämpft, war im Achtelfinale gegen Medvedev nicht chancenlos.

B+: Belinda Bencic, das Dach über Arthur Ashe, Krawietz/Mies

Die Schweizerin wird sich allerdings noch ein paar Tage lang die Frage stellen und/oder gefallen lassen müssen, wie sie den zweiten Satz gegen Andreescu noch aus der Hand hat geben können. Ganz abgesehen davon, dass sie auch im ersten Durchgang die Spielerin mit den größeren Chancen war. Dennoch: Halbfinale ist gut. Belinda Bencic ist vielleicht die Nächste in der Reihe der jungen Grand-Slam-Siegerinnen.

Ja, die Dächer über den großen Courts bevorzugen natürlich die TopspielerInnen, die eben dort angesetzt sind. Aber wenn die Hütte zu ist, dann wird die Atmosphäre gleich noch einmal viel dichter, lauter. Und an zwei Tagen wäre ohne Dach gar nichts gegangen.

Das deutsche Feel-Good-Doppel hat nach dem Triumph in Roland Garros nun das Halbfinale erreicht, ist dort zweimal im Tiebreak an Horacio Zeballos und Marcel Granollers gescheitert. Das ist wahrlich keine Schande, die erste gemeinsame Niederlage des argentinisch-spanischen Duos sollte erst im Endspiel gegen Robert Farah und Juan Sebastian Cabal folgen. Kevin Krawietz und Andreas Mies werden einen unbeschwerten Herbst spielen, erstmals bei den ATP Finals in London aufschlagen - und haben schon mal ganz zart den Finger in Richtung Michael Kohlmann gehoben. Der deutsche Davis-Cup-Chef dar sie gerne zum Final-Turnier nach Madrid einladen.

B-: Julia Görges, das New Yorker Publikum, Serena

Görges war einen zweiten Aufschlag ins Aus davon entfernt, schon nach einem Match aus der Einzel-Konkurrenz dahinzuscheiden. Andererseits hat auch nur ein Punkt zum Viertelfinale gefehlt. Gegen eine Gegnerin, gegen die Jule vor den US Open eine 3:0-Bilanz hatte, Donna Vekic nämlich. Und mit der Aussicht auf ein Match gegen Belinda Bencic, in dem der Einzug in die Vorschlussrunde keineswegs undenkbar war.

Görges übrigens durfte sich über das New Yorker Publikum nicht beschweren. Daniil Medvedev, Novak Djokovic und Bianca Andreescu schon. Andererseits: Wer beim Final-Einmarsch von Serena Williams im Stadion gesessen ist und keine Gänsehaut bekommen hat, der hat Tennis nie geliebt. Es ist einfach viel los und manchmal, wie vor allem 2018 im Finale der Frauen, zu viel. Aber das hat ja auch Charme.

Ach, da wollen wir mal nicht so streng sein mit Serena. Einige Matches (Sharapova, Svitolina) waren sagenhaft dominant, das Finale ging halt nach den ersten beiden Doppelfehlern im allerersten Spiel den Bach hinunter. Aberes ist halt auch so: Wenn jemand auf der WTA-Tour ein Stadion ausverkaufen kann, dann immer noch am ehesten Serena Williams.

C+: Alexander Zverev, Tom Rinaldi

Zverev hat ein paar zauberhaft gute Sätze angeboten, etwa die beiden ersten zum Auftakt gegen Radu Albot. Angesichts des schwierigen Sommers war auch der Einzug in die vierte Runde in der Norm. Dass sich Zverev darüber hinaus auch noch als oberster Anstandswauwau für die jüngere Generation präsentierte, spricht für den Traditionalisten in ihm. Außerdem ist Sascha jetzt auf Twitter.

Rinaldi hat die Agenden der On-Court-Interviews im Arthur Ashe Stadium zu großen Teilen übernommen, er tat dies mit dem Charme der späten 1970er-Jahre. „Playing to the crowd“, sagt der US-Amerikaner da wohl. Für die Jüngeren war eher weniger dabei. Außer der kleine Austausch von Freundlichkeiten mit Nick Kyrgios.

C: Djokovic, Federer, Thiem

Bei all der guten Vorbereitung, die Nadal vor den US Open gepflegt hatte: Als Favorit war doch Djokovic ins Turnier gegangen. Gegen Juan Ignacio Londero war es schon einigermaßen schwierig mit der Schulter, gegen Stan Wawrinka dann zu viel. Nole peilt eine Rückkehr in Asien an, deutlich mehr als das Achtelfinale hatte der Serbe aber sicherlich eingeplant.

Nach dem Ausscheiden von Djokovic war die Rutsche für Federer Richtung Finale gelegt. Dass der Maestro ausgerechnet an Dimitrov scheitert, war im Spielplan nicht vorgesehen. In keinem.

As for Thiem … selten war eine Auslosung in der Frühphase eines Majors freundlicher als jene des Österreichers. Um den ehemaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky zu zitieren: „Es geht mir gut, sonst wäre ich nicht hier.“ Thiem war da, es ist ihm nicht gut gegangen (Kreisky damals, Anfang der 1980er-Jahre, im Nachhinein betrachtet auch nicht mehr).

von Jens Huiber

Montag
09.09.2019, 08:13 Uhr
zuletzt bearbeitet: 09.09.2019, 07:55 Uhr