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Roger, Rafa oder der Warum-Nicht-Zverev?

Am Montag starten die US Open 2017. Wir haben uns in unserem Experten-Panel nach möglichen Siegern bei den Herren, dem Abschneiden von Alexander Zverev und den Aussichten von Dominic Thiem befragt. Die verletzungsbedingte Absage von Andy Murray war zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht bekannt.

von red
zuletzt bearbeitet: 27.08.2017, 14:00 Uhr

Roger Federer konnte letztmals 2008 in New York so richtig jubeln

Wer wird die US Open bei den Herren gewinnen?

Jörg Allmeroth (tennisnet): Ich gebe Rafael Nadal gute Chancen. Nicht zuletzt, weil er unter den Topleuten der wohl Fitteste ist. Die beste Außenseiter-Chance gebe ich Marin Cilic. Bei Roger Federer und Andy Murray gibt es für mich zu viele Fragenzeichen im Moment um ihre Verletzungen, das vermag ich nicht seriös einzuschätzen.

Florian Regelmann (SPOX): Roger Federer. "Das wäre ja ein Witz, wenn ich aus dem Nichts in diesem Jahr drei Grand Slams gewinnen würde." So wird es aber kommen, das wird der Witz des Jahres, Rog! Federer hat alles richtig gemacht, indem er auf einen völlig unbedeutenden achten Cincy-Sieg verzichtete, um fit zu sein für Grand-Slam-Titel No. 20 in NY. Zumal ich überhaupt keinen Gegner sehe. Er verliert ein Masters-Finale gegen Zverev, aber kein Grand-Slam-Finale... Er wird das beste Jahr, das wir jemals in der Tennisgeschichte gesehen haben, perfekt machen.

Alexander Antonitsch (Eurosport): Wenn der Rücken hält: Roger. Er hat einfach eine unfassbare Saison, teilt sich das Jahr perfekt ein und verfügt neben seiner Erfahrung über enormes Selbstvertrauen. Einziges Fragezeichen bleibt der Rücken! Aber: Vergesst mir Dimitrov nicht. Der kommt gerade rechtzeitig wieder in Form und war schon beim Australian Open nicht so weit weg.

Florian Goosmann (tennisnet): Roger Federer, wenn er wieder fit ist. Der schnelle Court bei den US Open liegt ihm - und er hat hier einiges gutzumachen, hat in den letzten Jahren viele bittere Niederlagen eingesteckt. Wann, wenn nicht 2017, soll sich das drehen?

Marcel Meinert (SKY): Es war in den letzten Jahren selten so schwer ein Grand Slam-Turnier zu tippen. Wenn ich mich festlegen müsste, dann Roger Federer - immer vorausgesetzt der Schweizer bleibt gesund. Über "Best of Five" wird ihm wohl keiner das Wasser reichen können.

Oliver Faßnacht (DAZN/Eurosport): Nadal. Der körperliche Zustand sollte den Unterschied zu Federer machen. Nadal hat zuletzt an Aufschlag/Technik/Positioning gearbeitet - das bringt Extra-Qualität auf Hardcourt. Er hat es geschafft, wieder die Nummer 1 zu werden. Das gibt zusätzlich Selbstvertrauen, nimmt ihm aber gleichzeitig jeglichen Druck - denn alles, was jetzt noch kommt, ist ein Bonus.

Jürgen Schmieder (Süddeutsche Zeitung): Alexander Zverev - ganz einfach deshalb, weil er gerade in unglaublicher Form zu sein scheint. Klar aber sind Nadal und Federer die Favoriten. Zverev ist deshalb eher ein Tipp der Sorte "Warum eigentlich nicht"...

Björn Walter (tennisnet): Roger Federer. Rückenbeschwerden hin oder her, Federer macht die Zwanzig voll. Sollte der Topfavorit von gravierenden körperlichen Problemen verschont bleiben, ist er in New York nicht zu stoppen. Die wankelmütige Konkurrenz, der durch das Dach eliminierte Störfaktor Wind und das schnelle Geläuf tun ihr Übriges.

Paul Häuser (SKY): Roger Federer. Der Maestro kommt frisch nach New York, nachdem er Cincinnati ausgesetzt hat. Er wird sich im Laufe des Turniers immer weiter steigern. Wichtig dabei wäre, dass sich die Gegner nur peu à peu steigern und Federer dann erst ab dem Viertelfinale seine Topform abrufen muss. Für Federer spricht zudem: Er hat in diesem Jahr nur drei Matches verloren und bei einem Grand Slam Turnier ist er sogar noch ungeschlagen.

Jens Huiber (sportradio360): Der Chef höchstselbst. Roger Federer hat in Montreal wohl erkannt, dass an der Fitness noch etwas fehlt - und wird die letzten Tage mit Pierre Paganini konsequent gearbeitet haben. Ungeschlagen durch die Grand-Slam-Saison, das wäre was.

Markus Theil (Eurosport): Bei so vielen Ausfällen rücken für mich natürlich Nadal und Federer noch mehr als sonst als Topfavoriten in den Fokus. Nadal ist sensationell stark geworden, seine Entwicklung 2017 fast ähnlich unbeschreiblich wie die von Federer. Ich kann mir als Tipp "off the beaten track" auch Grigor Dimitrov vorstellen. Er kommt als Cincy-Sieger und Top-Ten-Spieler nach New York, und könnte Cilics Rolle von 2014 einnehmen.

Christian Albrecht Barschel (tennisnet): Auf wen soll man setzen, wenn man glaubt, dass weder Roger Federer, Rafael Nadal oder Alexander Zverev die US Open gewinnen? Djokovic, Wawrinka, Nishikori und Raonic fehlen verletzt, Murray und Cilic sind angeschlagen, Thiem gehört auf Hartplatz nicht zu den ganz Großen. Die Formschwankungen von Dimitrov, Kyrgios und Monfils sind zu groß. Ich würde gerne Juan Martin del Potro sagen, aber derzeit spricht ganz wenig für "Delpo". Viel bleibt nicht mehr übrig: Daher heißt mein Tipp, auch wenn ich nicht davon überzeugt bin, Rafael Nadal.

Wie spricht für den ersten Grand-Slam-Sieg von Alexander Zverev - was dagegen?

Oliver Faßnacht (DAZN/Eurosport): Pro: seine Form, seine Qualität, die Absagen von Sieganwärtern, Juan Carlos Ferrero im Team. Contra: Best of 5, Medienhype, Erwartungen, Federer und Nadal.

Jürgen Schmieder (Süddeutsche Zeitung): Bei Grand-Slam-Turnieren hat Zverev bislang noch nicht besonders viel erreicht. Es geht bei den US Open nicht nur darum, bei 40 Grad im Schatten sieben Partien durchzuhalten, die auch mal fünf Stunden lang dauern können. Niemand kann so lange das beste Tennis seines Lebens präsentieren, es geht deshalb während dieser zwei Wochen auch darum, Kräfte zu konservieren, einen Rhythmus zu finden und Rückschläge während einer Partie bewusst in Kauf zu nehmen. Sein neuer Trainer Ferrero sagt: "Psychisch liegt er auf einer Skala von eins bis zehn bei einer Fünf - da ist noch viel Luft nach oben." Bei der Psyche, da hilft kein mörderisches Trainingslager, Besessenheit kann eher hinderlich sein. Wenn er zwei Wochen lang eine Balance findet, kann das schon weit gehen.

Markus Theil (Eurosport): Wo ist sein Limit? Diese US Open werden wir ihn in seinem bislang stärksten Grand Slam Turnier erleben. Mittlerweile empfinden viele Beobachter ein Viertelfinale für ihn dort als Normalfall. Meines Erachtens ist bei den Ergebnissen 2017 alles für ihn drin. Er kann alle schlagen, Selbstvertrauen hat er en masse, das Umfeld ist perfekt, die Bühne liebt er - eine kraftsparende erste Woche könnte ihn zum Endspiel führen.

Alexander Antonitsch (Eurosport): Dafür spricht seine derzeitige Form und er hat auch gezeigt, dass er alle besiegen kann. Dagegen Best of Five und ob er mehrere dieser Matches back to back erfolgreich bestreiten kann.

Paul Häuser (SKY): Für Zverev spricht enorm viel, vor allem die zuletzt brutale Form und das Selbstbewusstsein (mal abgesehen vom frühen Aus in Cincy). Zverev wird in New York wieder die mentale Frische und die Fitness haben. Gegen ihn spricht das Best-of-Five-Format. Bislang war Zverev erst einmal in die zweite Woche eines Grand Slam Turniers vorgedrungen (Achtelfinale Wimbledon dieses Jahr). Zverev schafft bei diesen US Open seinen Grand-Slam-Durchbruch und kommt bis ins Halbfinale. Gegen Federer sehe ich ihn dann aber ganz knapp hinten. Für mich ist Zverev insgesamt sogar Kandidat Nummer Zwei für den Titel. Nur Federer traue ich noch mehr zu.

Christian Albrecht Barschel (tennisnet): Derzeit spricht viel für einen US-Open-Titel von Alexander Zverev. Novak Djokovic und Stan Wawrinka sind nicht dabei, Andy Murray ist angeschlagen. Hinter Roger Federer steht ein kleines Fragezeichen. Bei Rafael Nadal fällt die Prognose schwer. Kann Zverev die Gunst der Stunde nutzen? Ich denke, dass es mit dem ersten Grand-Slam-Titel noch etwas dauert. Auch ein frühes Ausscheiden von Zverev in den ersten beiden Runden ist vorstellbar. Bei den Turniersiegen in Washington und Cincinnati hätte er beinahe sein Auftaktmatch verloren. Kommt Zverev erst mal ins Rollen, wird es schwer werden, ihn zu stoppen.

Marcel Meinert (SKY): Er sollte sich Schritt für Schritt weiterentwickeln, natürlich hat er hohe Ziele. Ein Erfolg wäre für mich bereits das Erreichen des Viertelfinals. Die zweite Woche eines Grand Slams ist für ihn immer noch Neuland. Sowohl körperlich, als auch von der Erfahrung her, reicht es noch nicht für den ganz großen Wurf. Außerdem sind die eigenen Ansprüche und die der Öffentlichkeit gestiegen. Er ist längst kein "Dark Horse" mehr. Auch in dieser Beziehung muss er sich beweisen. Für ihn sprechen die enormen Fortschritte, die er unter Ferrero im mentalen Bereich und bzgl. der Konstanz gemacht hat. Das war schlichtweg beeindruckend - er war der beste Spieler des nordamerikanischen Hartplatzsommers. Aber das ist bei den US Open nichts mehr wert.

Florian Regelmann (SPOX): Es hat lange gedauert bei mir, aber Zverev hat mich mit seinem Nordamerika-Sommer jetzt echt gekriegt. Die Aura, die ihn jetzt schon umgibt, dass man immer das Gefühl hat, er wird das am Ende irgendwie gewinnen, auch wenn es zwischendrin mal nicht so läuft - das ist schon sehr beeindruckend. Von der Seite betrachtet ist er für mich auch auf einer höheren Ebene als alle anderen Jungstars. Aber: Er wird zwar weit kommen, aber er wird nicht den GOAT im Arthur Ashe schlagen, dafür ist zu viel Magie auf der anderen Seite des Netzes.

Jörg Allmeroth (tennisnet): Für Zverev wäre es ein Erfolg, die zweite Woche zu erreichen, also das Achtelfinale. Man darf nicht jedes Mal herkommen und von ihm einen Grand-Slam-Sieg erwarten, gar verlangen. Er war der vielleicht beste Spieler dieses Sommers in den USA bisher, aber die New Yorker Bühne ist noch einmal eine andere Herausforderung.

Florian Goosmann (tennisnet): Dafür: Form, Spiel, Selbstvertrauen. Dagegen: dass er erst mal in die finalen Major-Runden kommen muss. Was er in New York schaffen wird, zum Sieg langt's aber noch nicht.

Jens Huiber (sportradio360): Rom und Montreal haben gezeigt: Wenn Zverev einmal in Griffweite eines ganz großen Titels ist, dann packt er auch zu. Sollte er ins Finale kommen, wird er dieses auch gewinnen. Kleine Einschränkung: ein Vierstunden-Halbfinale als Hypothek.

Björn Walter (tennisnet): Für Zverev sprechen die beeindruckenden Triumphe in Washington und Montreal. Dass Seriensiege allerdings nicht spurlos an einem 20-Jährigen abperlen, wurde bereits in Cincinnati augenscheinlich. Es bleibt abzuwarten, ob Zverev die Spannkraft im Best-of-five-Modus bis zum Finalwochenende aufrechterhalten kann. Ich habe da meine Zweifel, auch wenn kein Gegner ein Duell mit dem jungen Deutschen präferieren dürfte.

Wie weit wird Dominic Thiem kommen?

Jens Huiber (sportradio360): In vergangenen Jahren hat meist gegolten, dass Dominic ein Langsamstarter ist - und ihm das Best-of-Five-Format zugute kommt. Selbst wenn er in der laufenden Saison ab und zu gut in ein Match gekommen ist, wird ihm das weiterhin helfen. Die Fitness stimmt, Günter Bresnik wird an Kleinigkeiten angesetzt haben, die große Wirkung zeitigen. Die Auslosung mit de Minaur zu Beginn ist nicht durchaus freundlich. Viertelfinale.

Alexander Antonitsch (Eurosport): Sollte er gut ins Turnier starten und das notwendige Selbstvertrauen retour kommen, ist für ihn auch auf Grund seiner hohen Setzung jederzeit ein Semifinale drin.

Jörg Allmeroth (tennisnet): Thiem hat auch die Option, die zweite Woche zu erreichen. Was darüber hinaus geht, wäre eine positive Überraschung.

Marcel Meinert (SKY): Auf Hardcourt fehlt Thiem die Selbstverständlichkeit und die Sicherheit in seinem Spiel, Er wird den Anspruch haben, die Verletzungen der Konkurrenz zu nutzen, um mindestens das Viertelfinale zu erreichen. Dafür muss es aber optimal laufen. Sein Spiel war zuletzt längst nicht so wirkungsvoll, wie auf Sand.

Oliver Faßnacht (DAZN/Eurosport): Wenn ich die Entwicklung in den letzten Wochen richtig einschätze und verstehe, braucht Thiem eine gute Auslosung, um überhaupt die zweite Woche zu erreichen.

Björn Walter (tennisnet): Die zweite Woche ist ein realistisches Ziel. Das Viertelfinale dürfte für Thiem aber wohl schon das Ende der Fahnenstange sein. Zu durchwachsen waren die Leistungen in Nordamerika. Die herausragende Form der Sandplatzsaison konnte der Österreicher bisher nur unzureichend auf den Hartplatz transportieren.

Jürgen Schmieder (Süddeutsche Zeitung): Thiem wirkt konstanter und gefestigter als Zverev, hat aber auch nicht diese extremen Ausreißer nach oben. Natürlich können junge Spieler nun von den Absagen von Djokovic, Wawrinka und Raonic profitieren - deshalb gilt wie bei Zverev: "Warum eigentlich nicht?" Das Halbfinale scheint auf jeden Fall möglich.

Florian Goosmann (tennisnet): Ins Achtel-, vielleicht ins Viertelfinale. In New York werden Federer, Zverev, Cilic, Dimitrov oder Kyrgios weiter vorne liegen.

Florian Regelmann (SPOX): Klar, Cincinnati und die Bälle dort liegen ihm nicht, aber mir war das insgesamt zuletzt trotzdem etwas zu dünn von Thiem. Er serviert nicht mehr so gut, irgendwie fehlt die letzte Überzeugung in seinem Spiel. Ich erwarte zwar, dass er sich in NY wieder besser präsentiert, aber ob es weit geht, bezweifele ich. Eigentlich müsste er vom Potenzial ein Halbfinal-Kandidat sein, das ist er aber aktuell sicher nicht.

Christian Albrecht Barschel (tennisnet): Dominic Thiem kam bei 59 gespielten Hartplatzturnieren nur viermal bis ins Halbfinale oder weiter. Bei einem Hartplatzturnier unter freiem Himmel wartet er immer noch auf einen Sieg gegen einen aktuellen Top-Ten-Spieler. Zahlen, die nicht unbedingt für Thiem bei den US Open sprechen. Die gute Fitness könnte für Thiem bei Best-of-Five ein großer Vorteil sein, da die Bedingungen in New York zu den schwierigsten auf der Tour gehören. Vieles wird von der Auslosung abhängen.

Markus Theil (Eurosport): War im Vorfeld der US Open nicht immer überzeugend, wird sich aber nach einer intensiven Vorbereitungswoche hoffentlich in Zweitwochenform präsentieren. Ich traue ihm das Viertelfinale zu.

Paul Häuser (SKY): Viertelfinale ist bei einer günstigen Auslosung realistisch. Halbfinale oder mehr wäre nach den letzten Ergebnissen sehr überraschend.

von red

Sonntag
27.08.2017, 14:00 Uhr