Martina Hingis – „Ich kann noch viele Spiele gewinnen“
Martina Hingis steht bei den US Open im Doppel im Halbfinale und greift nach ihrem nächsten Grand-Slam-Titel.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
03.09.2014, 11:15 Uhr

Martina Hingis (33) war 209 Wochen die Nummer eins der Weltrangliste und gewann fünf Grand-Slam-Turniere im Einzel, neun im Doppel und eins Im Mixed. 1997 holte sie sich den US Open-Titel mit 16 Jahren. Hingis spielt in dieser Saison wieder regelmäßig Doppel, gewann u.a. mitSabine Lisickidas Turnier in Miami. Beim laufenden Doppelwettbewerb in New York steht sie mit ihrer italienischen PartnerinFlavia Pennettabereits im Halbfinale.
Frau Hingis, warum spielen sie eigentlich wieder auf der Tennis-Tour?
Martina Hingis: Weil ich großen Spaß an diesen Doppelmatches habe, mich körperlich gut fühle. Und auch noch viele Spiele gewinnen kann. Bei den US Open ist jetzt sogar der Titel drin - in meiner dritten Tennis-Karriere.
Experten wie John McEnroe behaupten, Sie könnten jederzeit auch im Einzel unter den besten 20, 30 Spielerinnen mithalten.
Hingis: Aber das will ich nicht mehr. Das ist mir zu anstrengend, das habe ich hinter mir. Ich habe genügend Kämpfe gekämpft.
Zwischenzeitlich hatten Sie auch schon mal als Trainerin gearbeitet, auch bei Ihrer vorübergehenden Doppelpartnerin Sabine Lisicki.
Hingis: Aber ich habe schnell gemerkt, dass ich noch lieber selbst auf dem Platz stehen möchte, im Doppel halt. Deshalb sind wir dann eigene Wege gegangen.
Im Herrentennis gibt es gerade einen Trend zum erfolgreichen Ü30-Spieler, da würden Sie gar nicht weiter auffallen.
Hingis: Ich war allerdings schon mit 14 auf der Tour, und bestritt ganz früh Matches auf hohem Niveau. Das hinterlässt Spuren. Wenn ich durchgespielt hätte, wäre ich jetzt knapp 20 Jahre dabei.
Nun gab es bei den US Open einen ganz beachtlichen Auftritt ihrer LandsfrauBelinda Bencic, der neuen Miss Swiss, die alle als Ihre Nachfolgerin sehen.
Hingis: Belinda steht mit ihrem Namen für eine eigene Karriere. Man muss ihr nicht so ein Etikett verpassen. Ich bin stolz auf das, was sie geschafft hat. Auch wenn sie das Viertelfinale verloren hat.
Was trauen Sie ihr zu?
Hingis: Sie hat tolle Jahre vor sich, da bin ich sicher. Ihr Potenzial ist gewaltig, nun hat sie es auch zum ersten Mal auf einer großen Bühne gezeigt. Die Siege gegen Kerber und Jankovic haben mich nicht überrascht, spielerisch hat sie den beiden einfach etwas voraus. Sie hat auch keine Angst vor der großen Bühne, sie ist ziemlich cool für ihr Alter. Und irgendwann in diesem Turnier hat sie gemerkt: Halt mal, ich gehöre jetzt auch hierhin, zu den Topleuten. Es kann das Durchbruch-Turnier gewesen sein.
Viele erkennen in Bencic die junge Martina Hingis wieder.
Hingis: Sie ist keine Kopie; sie hat ihren eigenen Stil. Aber da sie nun seit frühester Kindheit mit meiner Mutter arbeitet, sind Ähnlichkeiten da. Sie spielt Tennis mit Power, aber auch mit großer Überlegung.
Bencic war schon als Juniorin die Nummer eins der Welt. Aber eine Garantie für Erfolge bei den Erwachsenen ist das nicht.
Hingis: Aber viele Spielerinnen im Damentennis haben es geschafft, Jennifer Capriati, Monica Seles, Arantxa Sanchez Vicario, Conchita Martinez oder Gabriela Sabatini. Nur die Williams-Schwestern haben diese Nachwuchstour ausgelassen und sind sofort an die Spitze im Circuit gestürmt. Am Ende muss jeder seinen eigenen Weg finden, es gibt keinen Automatismus: Du machst das, dann erreichst Du das. Dafür ist Tennis zu komplex.
Sie spielten einen Tag nach Ihrem 14. Geburtstag Ihr erstes Turnier.
Hingis: Ich konnte es kaum erwarten, endlich auf den Platz gehen zu können. Ich war einfach bereit dafür, ich wollte es, und ich habe es nie bereut. Es gibt immer Spielerinnen, die in jungen Jahren die Qualität und Mentalität haben, schon mit den Besten mithalten zu können, so wie Bencic, so wie vielleicht die 15-jährige US-Amerikanerin Bellis. Ich habe Tennis damals in vollen Zügen genossen, und ich genieße es heute noch und wieder.
Es gab und gibt aber auch die Warnungen vor dem frühen Einstieg ins Profigeschäft, vor frühem Ausgebrannt-Sein?
Hingis: Ich hatte überhaupt keinen Stress. Ich habe mir einfach gesagt: Wenn du heute etwas nicht schaffst, dann hast du noch zehn, 15 Jahre Zeit dafür. Ich bin locker vom Hocker auf den Court gegangen.
Wie entspannt nehmen Sie heute Ihr Tennisleben?
Hingis: Das Ganze ist ja ein echter Bonus für mich. Ich müsste es eigentlich nicht tun. Aber wenn du auf den Platz gehst, willst du gewinnen. Ohne Ehrgeiz würde es keinen Sinn haben, das wäre auch respektlos zu den Doppelpartnerinnen.
Schon jetzt steht fest, dass es in diesem Jahr acht verschiedene Grand-Slam-Finalistinnen geben wird - einen alles dominierenden Superstar gibt es nun gerade nicht?
Hingis: Das ist die alte Diskussion. Steht jemand einsam der Spitze, sagen alle: Langweilig, keine Konkurrenz. Wenn nicht: Dann fehlt eine Leaderin. Ich finde, es gibt eine große Tiefe im Damentennis heute. Alle Spielerinnen sind athletischer, besser ausgebildet. Deshalb ist auch der Überraschungsfaktor größer.
Serena Williamsist fast so alt wie Sie - und noch die Nummer eins.
Hingis: Was soll man zu ihr sagen? Serena ist Serena - ein Phänomen. Ihre Hingabe ans Tennis ist grandios, nach all dem, was sie auch mit Verletzungen durchgemacht hat.
Interview: Aufgezeichnet von Jörg Allmeroth.
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