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Roger Federer – „Nun kann ich völlig befreit aufspielen“

Roger Federer hatte bei den US Open im letzten Jahr Zweifel und Unsicherheiten. In diesem Jahr ist er erneut in einer erhabenen Rolle.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 24.08.2014, 11:31 Uhr

Von Jörg Allmeroth

Viel Ärger und Verdruss hatte ihm die Saison 2013 schon bereitet: Das Zweitrunden-Aus in Wimbledon, eine panische und manchmal peinliche Sommertour über Europas Sandplätze, der Sturz in der Weltrangliste aus den Top 5. Doch der Höhepunkt der Roger-Federer-Krise sollte erst noch folgen, an einem trüben, verregneten New Yorker Grand-Slam-Montag, an dem er im Louis-Armstrong-Stadion gegen den alten spanischen WeggefährtenTommy Robredoverlor, einen Mann, gegen den er vorher eine makellose 10:0-Siegbilanz besessen hatte. „Ist das noch Roger Federer", fragte sich damals rhetorisch die „New York Post" in ihrer Matchbetrachtung und wähnte sich in einem „völlig falschen Tennis-Film." Und Federer? Er wirkte ratlos, wenn auch nicht tief verbittert: „Das war Selbstzerstörung. 43 Fehler - das ist zu viel", sagte er. Und ergänzte: „Das ist die Story meines Lebens. Wenn ich verliere, sind die Leute schockiert, mich so spielen zu sehen."

Heute kommt einem die ganze Sache fast ein wenig spanisch vor, leicht surreal, leicht unwirklich. Denn der taumelnde, strauchelnde, auch sportlich stürzende Federer ist längst wieder Geschichte, die Kapriolen des Jahres 2013 sind in der Karriere des „Maestro" nur eine Fußnote geblieben. Wenn er sich nun zum Kampf beim letzten Grand-Slam-Wettbewerb der Saison stellt, dann wieder in einer erhabeneren Rolle - des zweiten großen Titelfavoriten nebenNovak Djokovic, des Spielers, der mit frischem Pokal-Lorbeer aus Cincinnati und gestärktem Selbstvertrauen ans US-Open-Handwerk geht. Schon freut sich New York auf eine sentimentale und erwünscht erfolgreiche Grand-Slam-Mission des ewigen Publikumslieblings, der (auch in Abwesenheit des verletztenRafael Nadal) vermutlich die meisten seiner Duelle unter den gleißenden Scheinwerfern der Arthur-Ashe-Arena bestreiten wird - als erklärter und von den PR-Strategen gern so beworbener „König der Nacht". 23 von 24 Spielen hat er in den Abendshows gewonnen, mehr Siege sollen folgen in der neuesten Kampagne des 33-jährigen Familienvaters von zweimal Zwillingen. „Die Vorfreude auf das Turnier ist groß", sagt Federer, „im letzten Jahr gab es Zweifel, Unsicherheiten, Probleme. Nun kann ich völlig befreit aufspielen." Federer eröffnet seine US-Open-Kampagne gegen den hitzigen AustralierMarinko Matosevic.

Wawrinka fehlt die „Stabilität und Konstanz"

Aus Schweizer Sicht gehörte die US Open-Bühne im letzten Jahr ganz eindeutigStan Wawrinka. Sein Siegeslauf bis hinein in ein dramatisches Fünf-Satz-Halbfinale gegen Novak Djokovic legte auch schon die Fundamente für den historischen Titelcoup ein knappes halbes Jahr später in Melbourne. Inzwischen hat sich die Wahrnehmung und Hierarchie der beiden führenden Schweizer Professionals allerdings wieder gedreht - Gipfelstürmer Wawrinka ist in der Weltrangliste wieder auf einen Platz hinter Federer gerutscht (3 und 4), auch, weil er sich noch immer nicht so ganz zurechtfindet in seiner neuen Tennis-Welt der vielen Termine und Verpflichtungen. Oft hat man ihn in den letzten Monaten mehr gegen sich selbst als gegen seine Gegner kämpfen sehen, nicht zuletzt bei den Davis-Cup-Auftritten in der Heimat und bei einigen großen Turnier-Terminen. Auch der Sommer verlief wenig mutmachend, erst gab es eine lange Pause, die wegen körperliche Probleme noch verlängert wurde. Und dann zwei Masters-Auftritte ohne Glanz und Gloria.

In seinem ganzen Auftreten erinnert Wawrinka fast ein wenig an Federer vor einem Jahr, ohne richtigen Halt, ohne Gewissheiten, ohne große Zuversicht. Die Achterbahn-Fahrt, die Wawrinka zuletzt in Cincinnati gegen den Franzosen Julien Benneteau erlebte, ein 6:1 gewonnener Auftaktsatz, schließlich aber eine 6:1,-1:6,-2:6-Niederlage, wirkte symptomatisch. „Mir fehlen im Moment einfach die Stabilität und Konstanz", sagt Wawrinka, der zum Auftakt gegen den talentierten Tschechen Jiri Vesely antritt. Eins wenigstens hat die jüngst doch maue Arbeitsstatistik bewirkt: Großer Erwartungsdruck liegt nicht auf dem Weltranglisten-Vierten, der sich 2013 mit seinen couragierten Auftritten in die Herzen der New Yorker spielte. Alles werde er daran setzen, sagt Wawrinka, „um hier mit einem richtig guten Ergebnis die Grand-Slam-Saison zu beenden." Ein strahlendes Comeback in New York? Warum nicht. Und ein Schweizer Duell gäbe es zum Glück und im allerschönsten Fall auch erst im Endspiel.

von tennisnet.com

Sonntag
24.08.2014, 11:31 Uhr