Steffi Graf – Die Frau, deren Spuren Serena Williams folgt

Steffi Graf hat sich nach ihrem Karriereende aus dem Rampenlicht verabschiedet und genießt ihr neues Leben.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 11.09.2015, 11:21 Uhr

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Von Jörg Allmeroth aus New York

Es dauerte mehr als anderthalb Jahrzehnte, bisSerena Williams(34) in Reichweite zum großen Grand-Slam-Coup kam. Die Frau, deren Spuren sie folgt, schaffte es schon mit 19 Jahren in ihrer zweiten richtigen Profisaison – das Kunststück, alle vier „Major“-Turniere in einem Kalenderjahr zu gewinnen. „Alle Welt hat darüber gesprochen“, sagt Steffi Graf (46), „aber ich habe die Bedeutung damals gar nicht so richtig begriffen.“ Vor 27 Jahren vollendete sie ihren Triumphzug über die wichtigen Tennisbühnen hier in New York, damals noch im Louis Armstrong Stadium, in drei Finalsätzen gegen die ArgentinierinGabriela Sabatini. Einen Monat später war sogar der Golden Slam perfekt, nach dem Erfolgszug auch bei den Olympischen Spielen in Seoul. „Es war wirklich das perfekte Jahr“, sagt Graf heute, „ich hatte das Gefühl, dass ich immer alles in meiner Hand hatte.“ Graf sei damals schon so ausgereift gewesen wie Spielerinnen und Spieler, „die heute zehn Jahre und mehr dafür brauchen“, sagt die ehemalige Nummer eins der Welt,Chris Evert.

Und heute, da Amerika und auch der Rest der Tenniswelt staunend das Wirken von Serena Williams und ihre Grand-Slam-Mission beobachtet: Was macht eigentlich Steffi Graf? Wie lebt sie? Und was hat sie eigentlich noch mit dem Tennis zu tun, das sie bis zu ihrem Abgang am 13. August 1999 prägte wie nur wenige vor und nach ihr – nicht zuletzt mit den 22 Grand-Slam-Titeln, die sie in 13 Spieljahren holte? Sie, die große Dame aus Brühl, mehrt ihren Ruhm ganz einfach durch Zurückgezogenheit und stilles Familienleben mit EhemannAndre Agassiund den Kindern, Sohn Jaden Gil und Tochter Jazz Elle. Skandale, Schlagzeilen? Fehlanzeige. Und den Drang, so etwas wie die Marke Steffi Graf entwickeln zu müssen, gab es nie.

Ein Leben wie eine Befreiung

Steffi Graf, das ahnten viele, die sie über viele Tennisjahre begleiteten, würde keine Mühe haben, sich nach ihrer grandiosen Karriere mit einem Leben ohne Rampenlicht und öffentliche Anteilnahme zurechtzufinden. Es war und ist eigentlich eher so, dass sie dieses Leben, das sie jetzt in Las Vegas führt, wie eine Befreiung empfindet. Wie eine Erholung nach den langen Torturen der Tennis-Tour – und hier besonders der dauernden Beobachtung, des grellen Ausleuchtens der eigenen Person, der ewigen Pressegespräche und natürlich auch des massiven Erwartungsdrucks. So wie die Gräfin jetzt lebt, ruhig, bescheiden, auf die Familie konzentriert, einige gezielte öffentliche Auftritte eingestreut, kommt es ihrem Lebensideal ziemlich nahe – so ist sie sich allemal selbst genug. „Ich genieße es, nicht mehr jeden Tag in der Zeitung zu stehen“, sagt sie, „danach habe ich mich noch nie gedrängt.“

Wenn sie die Aufmerksamkeit sucht, dann ist es für einen guten Zweck. Für ihre Stiftung „Children of Tomorrow“. Dafür reist sie dann auch noch einmal kreuz und quer über die Kontinente, so wie in alten Zeiten der Wettkämpferin Graf. Und bei diesen Verpflichtungen erreicht die beliebteste deutsche Sportlerin aller Zeiten dann auch immer mal wieder die alte Heimat, jenes Deutschland, das sie in vielen Angelegenheiten nur noch aus der Zeitung und aus dem Internet kennt. Manchmal hat sie auch Mühe, das richtige Wort auf Deutsch zu finden. Und fragt dann den Gesprächspartner: „Wie sagt man noch mal dazu…?“ Wen wundert’s, ist doch die Amts- und Gewohnheitssprache im Hause Agassi/Graf nun mal Englisch. Viele aus der Familie Graf leben ja inzwischen auch längst überm großen Teich, Mutter Heidi ganz in der Nähe der Tochter. Und Bruder Michael mit seiner Familie auch. Und das, findet Steffi Graf, ist der größte Luxus überhaupt, nicht der Luxus des Geldes, der Luxus des Reichtums: „Meine liebsten Menschen so nahe um mich herum zu haben, das ist eine unglaubliche Kostbarkeit.“

Am 6. Juni 1987 begann die Hatz

Tennis spielt heute im Leben von „Fräulein Vorhand“ (Boston Globe) keine Hauptrolle mehr, nicht mal mehr eine Nebenrolle. Tennis schaut die zweifache Mutter in der Spielerstadt Las Vegas, der Heimatstadt ihres Mannes Andre Agassi, meist nur noch im Fernsehen – mit dem Blick der Fachfrau aber noch allemal, mit der geschärften Beobachtungsgabe, die einst auch schon im frühen Profialter half, Stärken und Schwächen der Gegnerinnen zu analysieren. „Meine Kinder und geschäftliche Verpflichtungen halten mich so auf Trab, so dass ich Tennis nur noch aus gewisser Distanz verfolge“, sagt die inzwischen 46-jährige Graf, die nur sehr sporadisch zu Wohltätigkeitsmatches antritt.

Auch wenn sie selbst nichts dafür tut, sich in Erinnerung zu bringen – die Fachwelt tut es. Und alle wissen da, dass die eiserne Deutsche so etwa wie die Avantgarde für das moderne, physische, hochprofessionelle Tennis war, eine Referenz für nachfolgende Generationen von Spielern und Spielerinnen. Vor allem in der engeren Weltspitze begründete die hyperfitte Graf vor über einem Vierteljahrhundert ein neues Arbeitsethos in ihrem Sport.Der 6. Juni 1987, das Datum ihres ersten Grand-Slam-Sieges, veränderte so nicht nur die Welt von Steffi Graf, sondern auch das Welttennis dramatisch. Mit diesem Tag war eine mehr als zehnjährige Hatz auf eine einzige Spielerin eröffnet – auf die junge, die mittelalte und ältere Steffi Graf. Eine gegen alle, alle gegen Eine: Selten gab es ein anderes Motiv Ende der 80er- und in den 90er-Jahren, mal abgesehen von Verletzungspausen der Deutschen. Kein Wunder, dass keine besser als Graf weiß, was Serena Williams in diesen Tagen leistet.

Lest hier unsere Geschichte über den Golden Slam von Steffi Graf.

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von tennisnet.com

Freitag
11.09.2015, 11:21 Uhr