Vom Lebemann zum Familienmensch - Philipp Petzschner freut sich auf London
Der 26-jährige Pulheimer ist der einzige Deutsche beim ATP-Saisonfinale und eröffnet am Sonntag gegen die Bryan-Brüder die Weltmeisterschaft.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
20.11.2010, 19:11 Uhr

Er ist ein Mann der leisen Töne, man muss schon sehr genau zuhören, wenn er spricht. "Ich freue mich auf das Masters", sagt Philipp Petzschner: "Es ist für mich eine Riesenehre, dort dabeizusein." Er hat sich diese Ehre verdient, denn seit dem Sommer 2010 hat Deutschland wieder einen Wimbledonsieger. Gemeinsam mit dem Österreicher Jürgen Melzer gewann Petzschner im Allerheiligsten seines Sports den Titel im Herrendoppel. "Das war sehr speziell", sagt er und dabei klingt seine leise Stimme fast andächtig.
Philipp Petzschner bediente in seinen frühen Jahren lange Zeit das Klischee vom etwas anderen Tennisprofi. Er galt als schlampiges Genie, als einer, der sein riesiges Talent einfach so verschleuderte. Er nahm sich eine Auszeit vom Tennis, um den Sohn seiner damaligen Freundin, die seit September seine Ehefrau ist, durch die frühkindliche Prägephase zu begleiten oder verschwand schon mal kommentarlos für ein paar Tage zum Surfen oder Abhängen. "Manchmal wusste niemand, wo ich bin", sagt er, und irgendwie hat man das Gefühl, dass er das mittlerweile nicht mehr so machen würde.
Der Rockstar ist angekommen
Heute ist der Mann, der so gerne Rockstar geworden wäre, das, was man "angekommen" nennt. Mit seiner Frau, deren mittlerweile neunjährigem Sohn und Familienhund Duke ("Der ist so schräg drauf wie ich") lebt er in einem schmucken kleinen Häuschen in Pulheim bei Köln. "Wir sind schon sehr lange sehr glücklich miteinander", sagt er, und deshalb war der schönste Tag in seinem Leben auch der, an dem seine Freundin "Ja" zu ihm sagte.
Auf das so geliebte Familienfrühstück an einem geruhsamen Sonntagmorgen muss Petzschner derzeit allerdings verzichten, er spielt bei der ATP-WM an der Seite von Jürgen Melzer in London. Hundertprozentig fit ist "Petzsche" vermutlich nicht, ein doppelter Bänderriss im Knöchel Anfang September und eine OP am Weisheitszahn haben ihn zuletzt insgesamt zehn Wochen außer Gefecht gesetzt. Trotzdem fühlt er sich bereit für den Showdown der Besten und blickt voller Stolz auf die Saison zurück: "Das war mit Abstand mein bestes und konstantestes Jahr."
Rückkehr ins Davis-Cup-Team?
In dem er dem Deutschen Tennis-Bund (DTB) und dem Davis-Cup-Team nicht zur Verfügung stand: "Ich habe schon sehr früh gesagt, dass ich 2010 für mich haben wollte, und der Erfolg hat mir recht gegeben." Ab Januar ist er, falls gewünscht, wieder bereit für das Davis-Cup-Team, das einen wie ihn, in der Weltrangliste Nummer 22 im Doppel und Nummer 57 im Einzel, gut gebrauchen könnte. Bis dahin wird er auch die Athletenvereinbarung mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) unterschreiben, um die es im Frühjahr viel Wirbel gab. Was Petzschner nicht versteht: "Ich gehörte nicht zum A-Kader, habe nicht Davis Cup gespielt, deshalb habe ich dieses Schriftstück nie gesehen."
Ob es schon im März in Kroatien ein Comeback im zuletzt nicht gerade übererfolgreichen Davis-Cup-Team gibt, lässt Petzschner in Ruhe auf sich zukommen. "Das entscheidet allein der Teamchef", sagt er diplomatisch. Erstmal fliegt er nach dem Saisonfinale zusammen mit der Gattin in aller Ruhe in die Flitterwochen nach Mauritius. Dort kann man sicher auch gut frühstücken. Und Golf spielen, Petzschners zweite sportliche Leidenschaft: "Am liebsten erhole ich mich auf dem Golfplatz. Dafür ist man nie zu kaputt."(Text: sid, Foto: J. Hasenkopf)
