Der Herr der Halme

Phil Thorn ist seit knapp 20 Jahren der Greenkeeper bei den Gerry Weber Open.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 13.06.2012, 09:08 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Halle

Phil Thorn kann sich noch ziemlich gut erinnern an das erste Gerry-Weber Open-Jahr. Er watete durch den Matsch der vielen Baustellen. Bewegte seine Maschinen durch das Gewühl aufgeregter Menschen. Musste im hektischen Countdown zum Turnier mit Wind und Wetter und nicht durch diesen unwägbaren Elementen zurechtkommen. „Es war eine Arbeit, die einen ständig bis ans Limit forderte“, sagt der Greenkeeper, der damals noch zusammen mit seinem Vater Jim als Rasenmeister wirkte, „aber es hat eben auch damals gleich einen Heidenspaß gemacht.“

Die Liebe zur Greenkeeperei war ihm von dem inzwischen verstorbenen Senior in die Wiege gelegt worden, der Papa war einst oberster Rasenwächter – und -züchter in Wimbledon, der sogenannte Head Groundsman. Er animierte den Sohn auch zum Wechsel nach Deutschland, an den neuen Tennis-Standort Halle. Der Anspruch des jungen Thorn deckt sich seitdem stets mit dem des Vaters: „Du musst 1000 Prozent geben. Du bist in Wahrheit mit dem Rasen verheiratet.“ Vor allem natürlich in den letzten Wochen vor dem Turnier: „Die finalen 40 Tage ist es ein 24-Stunden-Job, rund um die Uhr. Da schläfst du sowieso nur noch das Minimum.“ Fehler kann sich das Team dann einfach nicht mehr leisten, sie wären schlicht nicht korrigierbar.

Die Wahrheit liegt auf dem Platz


Die Familientradition wird nun also in Deutschland fortgesetzt. Die Anfänge freilich waren schwierig. Denn für Rasenflüsterer Phil Thorn war in jener bewegten und bewegenden Pionierzeit wirklich alles neu in dem Land, das nun längst zu seiner Heimat geworden ist – und nicht nur wegen der Autos, die seltsamerweise auf der rechten Seite der Straße fuhren. „Ich tauchte in eine andere Kultur ein, in eine andere Mentalität der Menschen“, sagt Thorn, „und da wurden selbst Kleinigkeiten wie das Einkaufen im Supermarkt zur Bewährungsprobe.“ Doch die eigentliche Herausforderung war seine Arbeit, Thorns Wahrheit lag stets im Wortsinn auf dem Platz, auf den grünen Tennisfeldern, die den Profis auch in Halle die Welt bedeuten. „Die Devise hat Gerhard Weber gleich vorgegeben, für die ganze Crew und eben auch für uns Greenkeeper: Geht nicht gibt's nicht“, sagt Thorn, „aber ich habe mir gesagt: Okay, das ist deine Chance hier, also nutze sie auch.“

Gesagt, getan: Gleich nach der Gerry-Weber Open-Premiere führte die große Manöverkritik dazu, dass man im Turniermanagement den Bau eines beweglichen Centre-Court-Dachs beschloss. Schön und bequem für die Zuschauer, schön auch für Medien und TV-Sender wegen größerer Planungssicherheit. Aber halt ein kleiner Alptraum für den Greenkeeper, der sehen musste, wie sich sein Centre-Court-Rasen in einem veränderten Binnenklima hielt – und bewährte. „Rasen ist nun mal ein Naturprodukt, den kannst du nicht überlisten“, sagt Thorn, „du kannst nur sehen, dass du ihn optimal für Tag eins in Schuss hast. Und dass du dann den Zustand des Verfalls so gut wie möglich aufhältst.“

Das Dach als kleine Katastrophe


Für Thorn ist das Dach über dem Centre Court immer noch eine kleine Katastrophe, die ihn, den Herrn der Halme, so manchen Schweißtropfen kostet und die Nerven strapaziert. Über die Jahre hat er herumgetüftelt und experimentiert, bis er eine für den Standort Halle optimale Rasenmischung fand, für die Stars um Federer und Co. Es dauerte auch so lange, weil das deutsche und ostwestfälische Wetter viel schwieriger ist für Wachstum und Stabilität des Rasens: „Wir haben hier eben echte Jahreszeiten - Frühling, Sommer, Herbst und Winter, viel extremere Temperaturschwankungen als in England, auf der Insel“, sagt Thorn, „die Kontraste sind schon groß.“ Den Mutterboden, den sogenannten „Surrey Loan“, läßt er gleichwohl aus der alten Heimat herüber transportieren. Der Rasen selbst ähnelt dem in Wimbledon, er ist relativ strapazierfähig, relativ wetterresistent und ermöglicht sowohl Angriffs- wie Abwehrspielern bei den Gerry Weber Open gute Arbeitsbedingungen. Das Wörtchen „relativ“ verwendet der Perfektionist Thorn nicht mutwillig oder zufällig – hundertprozentig zufrieden ist er einfach nie, der Kreislauf der jährlichen Arbeiten endet beim ATP-Turnier immer mit einem Kompromiss, mit der Annäherung an Vollkommenheit.

Ist der Rasen nun langsam oder schnell? Ist er gut oder schlecht? Thorn weiß, dass er jedes Jahr unter fürsorglicher Beobachtung steht. Sein Produkt ist nun mal das Gesprächsthema Nummer eins. Aber er hat sich eine dicke Haut antrainiert. Und weiß, dass seine Kundschaft, die Spieler derGerry Weber Open,eben nur sehr persönliche Ansichten pflegen zum Rasenteppich, ihrem Arbeitsplatz auf Zeit: „Das hängt bei ihnen auch schon mal davon ab, ob sie gewonnen oder verloren haben. Man darf nicht alles auf die Goldwaage legen, was sie sagen“, findet Thorn.(Foto: Gerry Weber Open)

von tennisnet.com

Mittwoch
13.06.2012, 09:08 Uhr