Was kommt nach Kerber, Zverev und Co.?

Alexander Zverev spielt am Mittwoch bei den Australian Open um den erstmaligen Einzug in das Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers. Hinter der deutschen Nummer eins klafft allerdings eine große Lücke. Das gilt auch für den Frauen-Bereich.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 28.01.2020, 14:36 Uhr

Antonia Lottner tritt auf der Stelle
© Jürgen Hasenkopf
Antonia Lottner tritt auf der Stelle

Der Mann, auf dem einmal die größten deutschen Nachwuchshoffnungen neben Alexander Zverev ruhten, hatte in der vergangenen Woche ein eher diskretes Tennis-Engagement. Nicola Kuhn, einstmals Weltmeister mit der deutschen U14-Juniorenauswahl, trat beim Challenger-2-Wettbewerb in Bangkok an. In der ersten Runde war dann allerdings auch schon alles vorbei für Kuhn, er unterlag dem Russen Aslan Karazew in drei Sätzen. Kuhn, man muss es dazu sagen, ist schon seit einiger Zeit nicht mehr unter deutscher Flagge unterwegs - er vertritt nun die spanischen Farben, auch weil er schon viele Jugendjahre auf der iberischen Halbinsel trainierte.

Aber Kuhns nicht ganz störungsfreie Entwicklung, auch sein Abschied vom Deutschen Tennis Bund, fügt sich in ein Bild mancher Enttäuschungen und Rückschläge in der Talentförderung. Auch Rudi Mollekers Karriereentwicklung gehört dazu, der junge Brandenburger war wie Kuhn Mitglied der erfolgreichen U14-Truppe. Molleker hat den Mumm, die Leidenschaft und die Klasse, um einmal ein Großer zu werden, keine Frage. Aber er gilt eben auch als schwieriger Fall, als komplexer Charakter, als einer, der Schwierigkeiten hat, mit der Autorität eines Trainers klar zu kommen. Viele Coaches verschliss er schon, selbst Boris Becker musste eingreifen und anmahnen, Molleker müsse die großzügige Förderung durch den DTB auch mit Leistung rechtfertigen.

Ausnahmetalent Zverev

Molleker (ATP-Rangliste 165) hat seine Zukunft noch vor sich, eine ungewisse Zukunft, denn noch steht das Verhandlungsergebnis aus, ob der 19-jährige den schwierigen Übergang vom Junioren- ins Erwachsenentennis erfolgreich schafft. Die Bilanz der letzten Jahre bei dieser sogenannten „Transition“-Wegstrecke, von der Ausbildungs- zur echten Berufszeit, fiel für den DTB mager aus – sieht man vom Ausnahmetalent Zverev ab, dessen Aufstieg eine Familienangelegenheit ist.

In diesen Tagen steht außer Zverev kein deutscher Spieler unter 25 auf einem relevanten Platz in der Weltrangliste. Hinter Molleker (165) folgen Daniel Masur (263), Maximilian Marterer (274), Benjamin Hassan (322) und Louis Wessels (427) außer Reichweite der engeren und erweiterten Weltspitze. Marterer allerdings war schon einmal unter den Top 100 platziert, wurde dann durch Verletzungen zurückgeworfen, ihm trauen die DTB-Coaches einen Wiederaufstieg zu. Nicht Marterer und Co, sondern kommende Generationen sollen von einer veränderten Philosophie in der Ausbildung profitieren, einer früheren Zentralisierung der besten Junioren. „Wir waren bisher zu spät dran, unsere Besten zusammen zu ziehen und sie schon einer gesunden Rivalität auszusetzen“, sagt DTB-Sportdirektor Klaus Eberhard.

Große Lücke hinter Kerber und Görges

Bei den Frauen klafft hinter der Generation der großen Leistungsträgerinnen eine noch bedenklichere Lücke. Angelique Kerber, Julia Görges, Andrea Petkovic, Laura Siegemund und Tatiana Maria sind alle schon jenseits der Dreißig. Spielerinnen, die diese „goldene Generation“ ersetzen könnten, sind nicht in Sicht – es ist nicht nur ein Problem für den DTB selbst, sondern auch für die Turnierveranstalter landauf, landab. Für den Stuttgarter Porsche Grand Prix, aber auch für die Wettbewerbe, die ab 2020 bzw. 2021 in Berlin, Bad Homburg und Köln stattfinden werden. Unter den Top 200 stehen momentan nur zwei deutsche Spielerinnen unter 25, die Hamburgerin Tamara Korpatsch (110) und die Rheinländerin Antonia Lottner (156).

Lottner, die einst bei Grand-Slam-Juniorenwettbewerben zur Weltspitze zählte, tritt bei den Erwachsenen auf der Stelle, ein Durchbruch nach vorne wirkt gegenwärtig unrealistisch. Noch weiter hinten sind gegenwärtig Spielerinnen wie Katharina Hobgarski (241), Katharina Gerlach (245) oder Jule Niemeier (300) postiert, die in den letzten Jahren im Porsche Nachwuchs Team standen, für die aber die große Tour noch eine Nummer zu groß ist. Ganz ausgefallen in dieser Abrechnung ist die Hamburgerin Carina Witthöft, der es bei allem Potenzial am entscheidenden Biss fehlte, um in den Härten des Profigeschäfts bestehen zu können. Witthöft zog selbst die Konsequenzen daraus und verabschiedete sich erst einmal vom Berufstennis.

Kerber hatte das deutsche Tennis vor vier Jahren mit ihrem Australian-Open-Sieg „wieder zurück auf die Landkarte gebracht“, wie Tenniskanzler Boris Becker feststellte. Nun aber droht erst einmal Bedeutungsverlust, wenn sich herausstellen sollte, dass die Altvorderen vielleicht ihre allerbesten Zeiten hinter sich Barbara Rittner, die Damenchefin des DTB, schwört die Fans erst mal auf eine Durststrecke ein, bevor es dann in etwas ferner Zukunft wieder aufwärts gehen könnte: „Die Jahrgänge 2002 bis 2004 haben spielerisch ein ähnliches Potenzial wie die goldene Generation. Ob alle die Härte haben, sich durch Höhen und Tiefen durchzubeißen, ist allerdings die Frage“, so Rittner, „da gibt es keine Garantie.“ 

von Jörg Allmeroth

Dienstag
28.01.2020, 16:50 Uhr
zuletzt bearbeitet: 28.01.2020, 14:36 Uhr