Wett-Skandal oder Ente? "Wir wissen mehr, als wir schreiben"
Der "Kurier" spricht von "Wett-Kapriolen um Daniel Köllerer". Zu Recht? Ein Interview mit "Kurier"-Reporter Erich Vogl.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
08.07.2010, 13:33 Uhr

Der "Kurier"brachte am Mittwoch die ersten Vorwürfe in Richtung Daniel Köllerer, es geht um den Challenger von Braunschweig. Zitat: "Die glatte 3:6-3:6-Niederlage gegen den tschechischen Außenseiter Lukas Rosol vom 29. Juni steht laut KURIER-Recherchen im Verdacht, Teil eines breit angelegten Wettbetruges gewesen zu sein."In einer ergänzenden Storyschreibt der "Kurier": "Der Verdacht auf Wettbetrug drängt sich auf, zumal auch zahlreiche andere Anbieter mit Wetten gegen Köllerer konfrontiert wurden."
tennisnet.com bezog gestern Stellung und nahm Daniel Köllerer – in diesem Fall – in Schutz: Die im "Kurier" erhobenen Vorwürfe scheinen uns zu dünn.
Erich Vogl, der für den "Kurier" die Story recherchiert, nimmt nun im Interview Stellung: Was ist an der Story dran?
Herr Vogl, Sie und Ihr Kollege Rainer Fleckl haben in der Doping-Affäre die wahrscheinlich größte Leistung im österreichischen Sportjournalismus seit langer, langer Zeit gebracht. Nun kümmern Sie sich um Daniel Köllerer. Bei allem Respekt: Ist an der Story wirklich was dran?
Faktum ist, dass Köllerer nach Aussagen von Insidern, mit denen wir in Kontakt stehen, unter Beobachtung steht. Und zwar seit Längerem. Sowohl seitens der ATP, als auch seitens der Wettanbieter, die sich gegen Wettbetrug natürlich schützen. Es hat uns also nicht ganz unvorbereitet getroffen, als wir die Information bekommen haben, dass auf Köllerers Partie gegen Rosol in Braunschweig innerhalb kurzer Zeit hohe Einsätze getätigt wurden.
Nun ja, Braunschweig und gleichzeitig Oberpullendorf … dass Köllerer wegen seiner Verpflichtung bei den österreichischen Staatsmeisterschaften beim Braunschweiger Challenger nicht alt werden würde, war für jeden abzusehen, der die Berichterstattung auf tennisnet.com verfolgte. Aber Wettbetrug?
Manche Wettanbieter haben aufgrund genau dieser Informationen die Partie aus dem Programm genommen. Und es kann ja auch sein, dass das alles ein großer Zufall ist. Es kann ja zufällig eine große Summe, aufgeteilt auf viele kleine Portionen, innerhalb kürzester Zeit auf genau diese eine Challenger-Partie gesetzt worden sein.
Sie haben im Zuge Ihrer Recherchen viele Interviews mit Wettanbietern und Insidern geführt. Die Zitate, die Sie im "Kurier" bringen, sind natürlich rechtlich wasserdicht formuliert. Was ist denn bei Ihren Gesprächen mit der Wett-Branche zwischen den Zeilen durchgeklungen?
Dass es schon seit geraumer Zeit Auffälligkeiten bei gewissen Spielern gibt. Die Wettanbieter haben natürlich Profis in ihren Reihen, die genau wissen, wohin sie schauen müssen und wohin nicht. Das ist ja nicht nur im Tennis so, sondern auch in vielen anderen Sportarten. Aber Tennis ist eben besonders leicht zu manipulieren: Es genügt ein einziger Spieler für einen Betrug.
Die ATP versteht in Wett-Angelegenheiten gar keinen Spaß. Einige Italiener der Challenger-Ebene wurden drakonisch bestraft, für vergleichsweise lächerliche Vergehen. Man kann sich schwer vorstellen, dass die ATP jemanden so lange beobachtet und ihrerseits nichts unternimmt … noch dazu wenn es sich um jemanden wie Köllerer handelt, der ja den wahrscheinlich stolzesten ATP-Akt aller aktiven Spieler hat.
Fakt ist: Köllerer steht zwar schon länger auf der Watchlist, aber man muss auch Beweise vorlegen. Vorläufig gibt es nur Verdachtsmomente.
Diese Liste führt die ATP? Führen die Wettanbieter?
Beide Seiten beobachten. Entsprechende Informationen wurden mir zugetragen. Das ist kein Hirngespinst. Das ist real.
Ich verstehe, dass Sie Ihre Informanten hier nicht preisgeben wollen. Aber mehr als Verdächtigungen – die man jetzt, wenn man's kritisch sehen will, vage nennen könnte – liegen gegen Köllerer nicht vor. Oder?
Lassen Sie es mich so sagen: Wir haben es uns beim "Kurier" zur Gewohnheit gemacht, nicht alle Hintergründe zu schreiben. Wir gehen mit einer so brisanten Geschichte erst dann an die Öffentlichkeit, wenn wir es aufgrund der Informationen, die uns aus vertrauenswürdigen Quellen vorliegen, auch mit unserem journalistischen Anspruch vereinbaren können.
Das heißt im Klartext: Sie haben nicht alles geschrieben, was Sie wissen?
Wir wissen mehr, als wir schreiben, ja.
In welche Richtung geht das?
Das kann in verschiedene Richtungen gehen. Mich würde es jedenfalls nicht wundern, würde diese Causa noch weitere Kreise ziehen.