Wie viel Spin hat ein Slice?
Der amerikanische Wissenschaftler John Yandell hat errechnet: Ein durchschnittlicher Slice hat mehr Spin als Nadals Vorhand.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
23.06.2013, 13:37 Uhr

Von Stefan Leyh
Die Drehzahl ist nicht nur eine Größe zur Leistungsbestimmung von Motoren. Mit ihr lässt sich auch angeben, wie viel Spin die Profis ihren Bällen von der Grundlinie mitgeben. Für die Vorhände der Topstars existiert solches Zahlenmaterial bereits seit einigen Jahren. Beispielsweise ist bekannt, dass Rafael Nadal seinen Topspin-Drive in der Spitze mit bis zu 5.000 Ballumdrehungen pro Minute (rpm) spielt. Seit kurzem gibt es nun auch Daten für den Rückhand-Slice. Untersucht hat diesen Schlag John Yandell, Tenniswissenschaftler mit Sitz in Kalifornien.
Yandell hat die Schläge der Topspieler Novak Djokovic, Roger Federer und Rafael Nadal mit einer High-Speed-Kamera aufgezeichnet und die Umdrehungen hochgerechnet, die der Ball nach Verlassen ihres Rackets pro Minute macht. Zwei Erkenntnisse konnte er daraus gewinnen: Erstens ist beim Rückhand-Slice mehr Spin im Spiel als bei der Vorhand, zweitens erzeugen heutige Spieler weitaus mehr Spin mit ihrer unterschnittenen Rückhand als die Profis der neunziger Jahre.
Mehr Spin als mit der Vorhand
„Der Rückhand Slice ist der sich am schnellsten drehende Grundschlag im modernen Tennis“, schreibt John Yandell. „Der Spin, mit dem die Topspieler ihren einhändigen Slice spielen, übertrifft die Werte für den Topspin auf der Vorhand – sogar für Nadal.“ Demnach bringt es der Slice des Spaniers im Durchschnitt auf 3.700 rpm. Seine Vorhand-Topspin spielt Nadal mit durchschnittlich 3.200 rpm. Noch deutlicher ist der Unterschied in den Werten von Roger Federer. Auch Federers Slice liegt im Mittel bei 3.700 rpm. Sein Durchschnitt auf der Vorhandseite beträgt jedoch „nur“ 2.700 rpm.
Roger Federers Slice: Steiler Schwung zum Ball, viel Spin
Interessant sind die Zahlen für Novak Djokovic. Der Serbe erzeugt auf der Vorhand genauso viel Spin wie Federer, aber sein Rückhand Slice zwirbelt bei weitem nicht so stark durch die Luft wie der des Schweizers. Mit 2.800 rpm bringt er es auf 25 Prozent weniger Spin als Federer und Nadal. Einschränkend muss erwähnt werden, dass Djokovic den Slice seltener einsetzt als die beiden anderen Spieler, sodass sich von ihm weniger Schläge in der Stichprobe befanden.
Entscheidend für das Zustandekommen von Rückwärtsdrall in Dimensionen jenseits der 3.000 rpm ist nach Meinung John Yandells der Verlauf der Schwungkurve vom höchsten Punkt im Rückschwung bis zum Treffpunkt des Balles. „Es ist erstaunlich, wie steil die Abwärtsbewegung tatsächlich ist.“ Bewege sich das Racket bei der Vorhand etwa in einem 30-Grad-Winkel aufwärts, schwinge es beim Slice grob geschätzt in einem 50-Grad-Winkel abwärts. Daher die deutlich höheren Spinwerte beim Slice.
Quantensprung gegenüber den Neunzigern
Nicht zu allen Zeiten haben die Profis mit ihrer Slice-Rückhand so viel Schnitt erzeugen können. Im Jahr 1997 errechnete Yandell bei Topspielern wie Pete Sampras und Petr Korda einen Durchschnittswert von 2.400 rpm. Heute kommen Federer, Nadal und Djokovic zusammengenommen auf durchschnittlich 3.500 rpm. In einem Fall der Stichprobe spielte Federer sogar einen Slice mit unglaublichen 5.300 rpm.
„Der einfache Fakt ist, dass die unterschnittene Rückhand im Durchschnitt heute der am schnellsten rotierende Grundschlag im Profitennis ist“, schreibt Yandell, „schneller drehend als Nadals durchschnittliche Vorhand. Bei keinem anderen Schlag hat das Maß an Spin in den letzten 15 Jahren stärker zugenommen als bei diesem Schlag.“(Foto: GEPA pictures)