Görges aus Schaden klüger und besser geworden

Die 23-Jährige spielte ein starke Turnierwoche in Dubai. Für viele Beobachter ist der Einzug in die Top 10 nur noch eine Frage der Zeit.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 26.02.2012, 12:04 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Dubai

AlsJulia Görgesam Sonntagmorgen aus ihrem Hotelzimmer im „Park Hyatt“ von Dubai blickte, war die Welt da draußen finster und bedrohlich geworden. Ein mächtiger Sandsturm fegte über die Glitzermetropole der Vereinigten Arabischen Emirate, so mächtig, dass er zwischenzeitlich den Flug- und Straßenverkehr empfindlich störte und – ganz nebenbei – die Hartplätze im Tennisstadion nahe des internationalen Airports unfreiwillig in reichlich rutschige Sandplätze verwandelte. Das leicht beängstigende Naturschauspiel konnte sich die Deutsche allerdings mit einem guten Schuss Gelassenheit betrachten – nach getaner Arbeit am Golf und der besten Turnierwoche seit dem faszinierenden Titellauf im vergangenen April in Stuttgart.

Niederlage bei Australian Open als Schlüsselerlebnis

Wo noch vor viereinhalb Wochen Ärger und Verdruss herrschten, nach einem peinlichen Australian-Open-Aus im Achtelfinale gegen die PolinAgnieszka Radwanska,wirkte die 23-jährige Norddeutsche beim Millionenspektakel im Übermorgenland nun auf Schritt und Tritt wie eine überzeugende und von sich selbst überzeugte Spielerin aus der engeren Weltspitze. „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Ich bin aus dem Schaden klug geworden, den es in Melbourne gab“, sagte Görges nach der neuerlichen, nun aber ziemlich unglücklichen5:7,-4:6-Niederlagegegen Radwanska im Endspiel der „Dubai Tennis Championships“. Statt sich, wie beim Grand-Slam-Desaster am anderen Ende der Welt, mutlos, verzagt und uninspiriert ins Turnier-Aus zu ergeben, kämpfte die Bad Oldesloerin in diesem Finale mit aller Macht und Leidenschaft, bis zur letzten Sekunde, bis zum zweiten, verwandelten Matchball der jungen Polin. „Es gab bei mir immer mal diese Spiele, wo ich innerlich schnell aufgegeben habe, wenn's nicht so lief“, sagte Görges, „aber jetzt nehme ich die Herausforderung an, versuche alles, absolut alles, auch diese Spiele umzudrehen.“

Womöglich hat so gerade das Alptraumspiel von Melbourne der Karriere der nie rasant, dafür aber stetig in der Rangliste aufsteigenden Görges („Ich brauche für alles mehr Zeit“) einen neuen, entscheidenden Impuls verliehen – nicht nur in der Attitüde, sich durch schwierige Tage und Partien durchzufighten. Sondern auch im ernsthaften Willen, sich harter Kritik doch ernsthaft zu stellen und daraus zu lernen. „Seit dem Match bei den Australian Open hat sich einiges bei mir geändert“, sagte Görges in Dubai, „das war schon ein Schlüsselerlebnis, wo du dir anschließend sagst: Nein, das will ich nicht noch einmal erleben.“ In Dubai nutzte die 23-Jährige ihre festere Psyche und stärkere Moral gleich in Runde eins zu einem beeindruckenden Match-Comeback gegen die zweimalige Grand-Slam-Gewinnerin Svetlana Kuznetsova (Russland), die sienach 0:1-Satzrückstand und 2:4-Defizitim zweiten Durchgang noch niederrang. Auch die Partie gegen die mit einem Turniersieg aus Pattaya City angereiste Slowakin Daniela Hantuchova bog Görges nach dem Verlust des ersten Satzes noch um – ehe dann im Halbfinale ein glanzvoller Sieg gegen die gerade von Platz eins der Weltrangliste abgelöste Dänin Caroline Wozniacki folgte. „Das waren schon Riesenspiele von Julia. Ich bin begeistert, wie sie da aufgetreten ist“, sagte daheim in Deutschland Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner.

Radwanska bleibt Schreck der Deutschen

Am Ende war es in unschöner Zuverlässigkeit wieder einmal die zierliche Tennis-Ästhetin Agnieszka Radwanska, die mit ihren schachspielartigen Winkelzügen einer Spielerin aus dem deutschen Mädelstrupp den Spaß und den Turniersieg verdarb. Im vergangenen Herbst hatte die 22-Jährige bereits Andrea Petkovic durch den Sieg im Finalduell in Peking das Mitwirken bei der WM verweigert und sich selbst den letzten Platz in Istanbul gesichert. Nach sechs Siegen in sechs Spielen gegen Petkovic schraubte die Krakauerin die Kopf-zu-Kopf-Bilanz gegen Görges auf 2:0. Etwas besser, wenn auch nicht positiv sieht es in den Radwanska-Duellen für Sabine Lisicki (1:1) und Angelique Kerber (2:2) aus. „Sie hat dieses unkonventionelle Spiel, das vielen anderen Mädchen große Schwierigkeiten bereitet“, sagte die frühere britische Spitzenspielerin Annabel Croft in Dubai.

Vor den wichtigen Spitzenturnieren in Indian Wells und Miami rückte Görges durch den starken Gesamtauftritt in Dubai wieder zurück auf ihre bisherige Karriere-Bestmarke in der Rangliste, auf Platz 16. „Kein Zweifel. Sie wird bald unter den Top Ten auftauchen“, prognostizierte aber bereits das lokale Blatt „Gulf News“ am Ende der WTA-Woche am Golf, „das ist keine Frage des Ob, sondern des Wann.“ So hielten die erfreulichen Nachrichten für die deutschen Tennisdamen auch nach dem jüngsten Turniersieg der Kielerin Angelique Kerber in Paris an – auf und neben dem Court. Denn auch von der deutschen Frontfrau Andrea Petkovic gab es, nach Wochen der permanenten Hiobsbotschaften, endlich wieder einenermunternden Bescheid.„Der Haarriss im Kreuz-Darmbein-Gelenk ist kaum noch zu erkennen. Der Knochen ist fast ganz zusammengewachsen“, sagte Bundestrainerin Rittner. Eine Rückkehr auf die Tour werde sich aber erst in etwa vier Wochen entscheiden, nach weiterer Rehazeit und einem gezielten Aufbautraining – dann, so Rittner, „wird man sehen, ob das Comeback möglich ist.“(Foto: Jürgen Hasenkopf)

von tennisnet.com

Sonntag
26.02.2012, 12:04 Uhr