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Wimbledon: Andy Murray - "Ich kann immer noch auf höchstem Level spielen"

Der schottische Braveheart Andy Murray schickte seine Parteigänger am ersten Tag des Grand-Slam-Turniers in Wimbledon auf eine gewohnt abenteuerliche Reise - und stellte unter Beweis, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 29.06.2021, 13:05 Uhr

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Andy Murray besiegte Nikoloz Basilashvili in vier Sätzen
© Getty Images
Andy Murray besiegte Nikoloz Basilashvili in vier Sätzen

1448 lange Tage waren seit seinem letzten Wimbledon-Auftritt anno 2017 verstrichen. Doch als Andy Murray am Montagabend wieder auf dem Centre Court stand, auf dem berühmtesten aller Tennisplätze, da war eigentlich alles wie immer: Der frühere Champion schickte seine Anhänger auf eine abenteuerliche Reise zwischen Ekstase und Agonie, er schien bereits der klare Sieger der Erstrunden-Partie gegen den Georgier Nikoloz Basilischwili zu sein, bevor er einen dramatischen Einbruch erlebte. Aber schließlich setzte er den emotionalen Schlusspunkt unter den Starttag im grünen Grand Slam-Paradies an der Church Road: Wimbledon, der Tennis-Klassiker, war mit begeisterten Fans zurück. Und Murray war zurück, der lokale Held, der 6:4, 6:3, 5:7, 6:3-Gewinner im Theater der Träume. „Viele reden ständig davon, dass dies mein letztes Turnier, meine letzten Matches sind. Aber ich habe noch verdammt viel Spaß da draußen“, sagte Murray hinterher, siegreicher Gladiator nach drei Stunden und 33 Minuten, „ich kann immer noch auf dem höchsten Level spielen.“ Sein Gegner, darauf wies Murray dezent hin, sei immerhin die Nummer 28 der Welt, „und ich habe gewonnen.“

Was für eine Geschichte war dies gleich beim Grand Slam-Comeback in London SW 19, ein Jahr, nachdem Wimbledon zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg pandemiebedingt ausgefallen war. „Den Jubel der Fans hat man bis ins Herz von London gehört“, notierte anderntags der „Daily Express“ zur verrückten Nummer um und mit Murray. Immer wieder hatte der schottische Braveheart, wegen seiner beiden Wimbledon-Triumphe und zweier Olympiasiege schon in den Adelsstand erhoben, massive Rückschläge und Enttäuschungen bei seinen Rückkehr-Anstrengungen erlebt, er hatte sich selbst schon einmal mehr oder weniger vom Tennis verabschiedet Anfang 2019, ließ sich dann aber in einer komplizierten Operation ein künstliches Hüftgelenk einsetzen – und kämpfte um seinen Wiedereinstieg.

Murray steckt Rückschläge weg

„Die Zeit war oft frustrierend, oft zum Verzweifeln. Ich fühlte mich manchmal, als würde ich gegen eine Mauer laufen“, sagt Murray, aktuell die Nummer 118 der Weltrangliste, „aber ich bin keiner, der so leicht aufgibt.“ Was im übrigen auch schon für frühere Karriereabschnitte galt: So hatte Sir Andy seine ersten vier Grand Slam-Finals allesamt verloren, ehe er insgesamt drei Major-Pokal einsammelte und auch die Nummer eins der Weltrangliste im November 2016 eroberte. „Er ist immer den harten Weg gegangen. Niemand hat ihm irgendwas geschenkt“, sagt Beobachter Boris Becker.

Auch in dieser Saison hatte Murray kaum und wenig erfolgreich gespielt, bevor er am Montag den mythenumrankten Centre Court betrat – den Schauplatz seiner größten Erfolge. Lange Zeit schien es ein sehr entspannter Abend zu werden, Murray gewann die ersten beiden Sätze, führte im dritten Durchgang 5:0, er war kurz vor der Ziellinie. Doch dann tat Murray, was er zu gerne tut: Seine Fans und Parteigänger auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle zu schicken, mit unvorhersehbaren Irrungen und Wendungen. Statt einfach nur ein weiteres Spiel zu gewinnen, verlor Murray sieben Spiele am Stück und kassierte mit dem 5:7 auch den 1:2-Satzanschluss durch Basilashvili, den Halbfinalisten beim Vorbereitungsturnier von Halle. „Ganz ehrlich: So ein Ding ist mir auch noch nicht passiert. Das war schon krass“, lächelte Murray hinterher etwas gequält.

Murrays Geschichte ist noch nicht vorüber

Der Auftritt wurde zum Drama – Verlängerung eingeschlossen. Die Dunkelheit war schon hereingebrochen über Wimbledon, auf den Außenplätzen herrrschte längst Grand Slam-Stillstand. Nur noch Murray und sein georgischer Rivale gingen in die Extraschicht unterm geschlossenen Centre Court-Dach und den eingeschalteten Flutlichtstrahlern. „Es war, als wollte das Schicksal alle Augen auf Murray lenken“, befand der frühere britische Weltklassespieler Greg Rusedski. 

Und der Schotte berappelte sich aus dem zwischenzeitlichen Schlamassel, frisch geduscht ging er nach der gut 20-minütigen technischen Pause dann im vierten Satz ans Handwerk. „Ich habe mir gedacht: Du hast so viel investiert, du hast so lange auf diesen Moment warten müssen. Also bleib´ dran und reiß´dich zusammen“, sagte Murray später. Er servierte wieder besser, er wirkte mental stark, und er gewann dann auch diesen Satz mit 6:3. Murrays Geschichte ist noch längst nicht vorüber. Nicht bei diesem Turnier, bei diesem Wimbledon. Und auch nicht darüber hinaus.

Hier das Einzel-Tableau der Männer in Wimbledon

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von Jörg Allmeroth

Dienstag
29.06.2021, 14:43 Uhr
zuletzt bearbeitet: 29.06.2021, 13:05 Uhr

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