Tennis wird noch grüner - auch in Deutschland

Rasentennis soll in Zukunft eine größere Rolle spielen. So wollen es jedenfalls die Veranstalter in Wimbledon.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 28.06.2012, 13:12 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Wimbledon

Als der Wimbledon-Geschäftsführer Richard Lewis am letzten Wochenende zu Gast bei „BBC Radio 5 Live“ war, drehte sich die Talkrunde um die üblichen Inhalte kurz vor dem Grand-Slam-Spektakel, um den Zustand der Plätze, den Ticketverkauf oder das Shoppingerlebnis für die Fans an der Church Road. Doch dann, das Gespräch war fast schon beendet, setzte Lewis ganz bewusst und ganz gezielt ein Thema auf die Agenda – die ewige Klage der Profis über die zu schnell aufeinanderfolgenden Turnier-Höhepunkte Paris und Wimbledon. „Wir wollen das jetzt ernsthaft ändern. Zwischen French Open und unserem Turnier sollten drei Wochen liegen“, sagte der Spitzenmann des All England Lawn Tennis Clubs, „es gibt nur gute Grunde dafür.“

Wimbledon will anderen Turnieren helfen

Was viele Beobachter des Tourbetriebs bloß für ein belangloses Gedankenspiel gehalten haben, entpuppt sich jetzt als ziemlich fortgeschrittener Geheimplan zur Reform des Turnierkalenders und für eine grüner werdende Saison. Wimbledon, das bedeutendste und einflussreichste Tennisturnier der Welt, hat eine Idee, eine Vision und auch geschäftliche Motive, um endlich den Unsinn zu nah beieinander liegender Majorwettbewerbe zu beenden – und will seine Absichten auch mit aller Entschlossenheit durchsetzen. „Der All England Club macht Druck, und er hat die Spieler auch hinter sich“, sagt Ralf Weber, der Turnierchef der Gerry Weber Open. Zwei Tage lang sondierte Weber hinter den Kulissen des Grand-Slam-Turniers die große Lage, um dann festzustellen: „Da ist gerade richtig Dynamik drin. Diese Reform kommt eher früher als später, vielleicht sogar noch in den nächsten Monaten.“ Wimbledon würde das Thema nicht derart in der Öffentlichkeit lancieren, sagt der einflussreicher Manager eines Top-Ten-Herrenspielers, „wenn es nicht wüsste: Das kommt auch so.“

Und Wimbledon will nicht nur sich selbst verändern, mit einem Wechsel des Turniers in die ersten beiden Juli-Wochen, sondern auch gleich noch den ganzen Countdown zum jährlichen Saison-Höhepunkt. Deutschland, so berichten Insider übereinstimmend, soll dabei - neben dem ehrwürdigen Wettbewerb im Londoner Queens Club - eine Hauptrolle einnehmen. „Der All England Club will die Tradition einer längeren Rasenserie neu beleben“, sagt ein hoher europäischer Verbandsfunktionär, „und er will das auch gegen Widerstände etwa in den USA durchsetzen.“ ATP-Chef Brad Drewett soll in Gesprächen erklärt haben, Wimbledon sei sogar bereit, anderen Turnieren beim Aufbau einer Rasentennis-Infrastruktur finanziell und organisatorisch zu helfen. Dabei sei auch der Name Hamburg gefallen, mit dem Turnier am Rothenbaum. Tatsächlich müsste im Turnierplan für eine längere Rasensaison Platz geschaffen werden, und zwar dort wo es naheliegend ist: Bei den Sandplatzturnieren im Sommer, die zwischen Wimbledon und den US Open wie ein Fremdkörper wirken und zum Spielplatz für ein paar unverdrossene Wühler in der roten Asche geworden sind.

Kollision mit anderen Sport-Großereignissen

Doch vor allem für Halles Gerry Weber Open könnte der Wimbledon-Anstoß für eine neue Zeitrechnung im Frühling und Sommer den nächsten Schub bewirken – hin zu einem Zehn-Tages-Event für Damen und Herren. Mit noch mehr Spitzenleuten, die im Tennisreich in Ostwestfalen Station machen, und mit noch größerem Interesse von Sponsoren und internationalen TV-Anstalten. „Wir prüfen alle Optionen. Aber wir begrüßen natürlich diese Ausdehnung der Rasensaison“, sagt Turniermacher Weber, der in der nächsten Woche gleich noch einmal nach Wimbledon anreisen will, und dies nicht nur, um Spieler für das Tennis-Spektakel des Jahres 2013 zu verpflichten.

Bei seinem strategisch gut vorbereiteten Vorstoß hat Wimbledon allerdings nicht nur das hehre Motiv im Blick, das einst weitverbreitete Rasentennis wieder populärer zu machen – drei der vier Grand-Slam-Turniere wurden ja einst auf grünen Tennis-Teppichen ausgetragen. Die Spitzenleute des All England Clubs wollen auch den lästigen Kollisionen mit anderen Sport-Großereignissen aus dem Weg gehen, etwa den Europa- und Weltmeisterschaften im Fußball, die alle zwei Jahre teils parallel zum Grand-Slam-Spektakel ausgetragen werden. Gerade die Großzahler aus der TV-Industrie hatten sich darüber beschwert, schließlich müssen gleich zu mehreren Brennpunkten Menschen und Maschinen bewegt werden. Von Topstars der Branche hat Wimbledons Chefetage sich längst die Zustimmung eingeholt, Asse wieFederer,DjokovicoderNadalsignalisierten bereits ihre Unterstützung. „Sand und Rasen sind die Traditionsbeläge im Tennis. Und sie sind auch am besten für die Gesundheit der Athleten“, sagt Nadal, „deshalb wäre es toll, mehr Rasentennis zu spielen. Und drei Wochen zwischen French Open und Wimbledon zu haben.“(Foto: GEPA pictures)

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