Ein Wiedersehen mit Roddick
2001 war der Ex-Weltranglisten-Erste zum ersten Mal am Rochusclub Düsseldorf. Heuer ist er wieder da.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
20.05.2012, 12:50 Uhr

Der POWER HORSEWORLD TEAM CUPin Düsseldorf
Die Team-Vorstellungen, Teil 5
Elf Jahre ist es her, dass der große Pete Sampras von einem ungestümen, ungelenken Teenager nach Düsseldorf begleitet wurde, dessen Taten auf dem Court in den USA bereits mit gewissem Interesse verfolgt wurden. Der junge Mann hießAndy Roddick,war 18 Jahre alt, hatte ein paar Wochen zuvor in Atlanta, Georgia den ersten Titel auf der ATP-Tour gewonnen und beim folgenden Turnier in Houston, Texas gleich den zweiten hinterher. Was allein schon deshalb bemerkenswert war, weil fast zehn Jahre lang kein amerikanischer Spieler dieses Alters bei den Männern einen Titel auf der Tour gewonnen hatte.
Jetzt tritt Roddick zum vierten Mal, gemeinsam mit Tennis-ProfessorJames BlakeundRyan Harrisonbeim POWER HORSE WORLD TEAM CUP 2012 an. Und es kommt einem vor, als sei unglaublich viel Zeit vergangen seit dem ersten Besuch am Rolander Weg. Frühjahr 2001 – das war die Zeit, in der sich die Amerikaner mit ihrem neuen Präsidenten einrichteten, dem rustikalen Texaner George W. Bush, in dem Janet Jacksons Hit „All for you“ sieben Wochen lang an der Spitze der US-Charts stand und in dem die Verfilmung des ersten Harry Potter („Der Stein der Weisen“) die Menschen weltweit in die Kinos lockte. In der Welt des Tennis herrschte der bissige Lleyton Hewitt zusammen mit dem von allen geliebten Gustavo Kuerten. Pete Sampras dagegen fehlte bereits ein wenig von der kühlen Souveränität früherer Tage, Andre Agassi und Steffi Graf standen derweil zwei freudige Ereignis bevor, Hochzeit und Geburt des ersten Kindes.
Das war die Zeit, in der Roddick auftauchte. Mit Kinderblick, unkoordiniert wirkenden Bewegungen und einem Aufschlag, der es in sich hatte. Der legitime Erbe der großen amerikanischen Linie von Connors und McEnroe über Sampras, Agassi und Chang. The „next big thing“, wie die Leute zwischen New York und San Francisco damals meinten.
Nicht lange danach bestätigte Roddick frühe Hoffnungen und Erwartungen, als er im Spätsommer 2003 bei den US Open in New York den ersten Grand-Slam-Titel gewann. Desgleichen in den beiden darauf folgenden Jahren, als er in Wimbledon jeweils das Finale erreichte, aber nichts machen konnte gegen den unwiderstehlich spielendenRoger Federer.Die Niederlage im Finale der US Open 2006 gegen Federer nahmen die Amerikaner dagegen schon ziemlich ernüchtert wahr. Es sah so aus, als gäbe es für Roddick mit seinem eher eindimensionalen Tempospiel keinen Weg und keine Mittel, den Maestro aus der Schweiz in einem großen Finale zu besiegen.
Es war bemerkenswert, wie er die Niederlagen gegen Federer wegsteckte, selbst wenn es ganz schlimm wurde, wie im Halbfinale der Australian Open 2007, als er 4:6, 0:6, 2:6 verlor. Als er hinterher in der Pressekonferenz gefragt wurde, wie denn das unfassbare Spiel Federers von seiner Seite des Platzes ausgesehen habe, kam seine Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Es war frustrierend. Es war elend. Es war zum Kotzen. Es war schrecklich. Aber ansonsten war’s okay.“
Gäbe es einen Preis für die schlagfertigsten, spritzigsten, unverblümtesten Antworten in Pressekonferenzen – der Pokal stünde längst bei Roddick daheim in Austin,Texas. Auf diesem Gebiet macht ihm keiner was vor.
An Federer kam er nicht vorbei, später auch an Nadal nicht, und irgendwann verloren die Amerikaner das Interesse an der Frage, ob er irgendwann noch einen zweiten Grand-Slam-Titel gewinnen würde; sie hakten die Geschichte ab. Er selbst beantwortete die Frage, ob er einfach Pech gehabt habe, in der gleichen Ära wie Federer undRafael Nadalzu spielen: „Nein. Ich schätze mich glücklich, dass ich überhaupt Tennis spielen kann. Es gab in jeder Generation große Champions. Vielleicht nicht so dominierend, wie es Roger war, aber ich werde mich sicherlich nicht über mein Schicksal beschweren.“
Beschweren sollte man sich allerdings bei den Göttern des Tennis. Hätten sie nicht in einem kleinen Anfall von Mitgefühl dafür sorgen können, Roddick eine Hilfe im legendären Wimbledon-Finale des Jahres 2009 zu schicken? In jenem Spiel, das nach vier Stunden und 16 Minuten im fünften Satz beim Stand von 16:14 seinen titanischen Bemühungen zum Trotz mit einem weiteren Sieg für Federer beendet war.
Im Moment sieht es angesichts der Dominanz der großen Drei –Novak Djokovic,Federer und Nadal – nicht so aus, als werde Roddick im Herbst seiner Karriere noch mal einen großen Coup landen können. Aber kommt es darauf wirklich an? Coach Larry Stefanki gab kürzlich eine vielsagende Antwort auf die Frage, ob Roddick genug Anerkennung für die Leistungen und die Konstanz in all den Jahren bekomme. „Nein“, antwortete er, „nicht mal annähernd. Er hat tagein, tagaus unglaublich hart dafür gearbeitet, sich zu verbessern. Und er ist nicht derjenige mit dem größten Talent. Vielleicht werden die Leute irgendwann erkennen, wie viel er daraus gemacht hat.“
Zu den bemerkenswerten Sätzen aus den unzähligen bemerkenswerten Pressekonferenzen des Andrew Stephen Roddick aus den vergangenen zehn Jahren gehört dieser: „Im Sport ist es nun mal so, dass sich kaum einer an gestern erinnert, und das ist völlig in Ordnung. Du musst da raus und dir selbst jeden Tag beweisen, was du drauf hast.“
Genau das tut er, nach wie vor. Wie auch immer das Ergebnis am Ende aussehen mag. Da gelingt dann auch – wie in diesem Jahr beim ATP-Masters-1000-Turnier in Miami – ein Sieg über Roger Federer. Und neben Federer ist Roddick der einzige aktive Spieler, der in den Jahren von 2001 bis 2011 jeweils mindestens ein Turnier auf der ATP-Tour gewonnen hat – bis heute sind es 30 an der Zahl. Mehr haben von den aktiven Spielern nur Federer und Nadal auf ihrem Konto.
Aufgebot:Andy Roddick (29 / ATP 27), Ryan Harrison (20 / ATP 57), James Blake (32 / ATP 98)
Coach:Andy Roddick
WTC-Teilnahmen:34
WTC-Erfolge:bisher 4 Titel (1982 Sieg gegen Australien, 1984 und 1985 gegen die CSSR, 1993 gegen Deutschland) sowie 4 Final-Teilnahmen (1987 gegen die CSSR, 1988 gegen Schweden, 1990 gegen Jugoslawien, 2010 gegen Argentinien)
(Text: Presseaussendung / Doris Henkel; Foto: Getty Images)