Andrea Petkovic exklusiv: "Ich habe außerhalb der Realität gelebt"

Andrea Petkovic hat auf einer Konzerttour mit einer US-Band "außerhalb der Realität" gelebt und einen beeindruckenden Artikel darüber verfasst. Die neuen Erfahrungen nehmen der begeisterten Hobby-Journalistin den Druck für die Saison, in der die Weltranglisten-98. trotz körperlicher Einschränkungen noch einmal ein paar Ausrufezeichen setzen will.

von Ulrike Weinrich
zuletzt bearbeitet: 31.12.2017, 12:00 Uhr

Andrea Petkovic

Im exklusiven Tennisnet-Interview spricht "Petko" über einen Leopardenfellmantel in der Wüste, eine uralte Polaroid-Kamera und die Exzentrizität im Tennis.

tennisnet: Wie lief die Vorbereitung auf die anstehende Saison?

Andrea Petkovic: Ich habe die gesamte Trainingsarbeit in der Waske-Academy in Offenbach bestritten. Eigentlich wollten wir wie im vergangenen Jahr mit einer Gruppe zum Trainieren nach Dubai fliegen, das hat aber nicht geklappt. Dafür bin ich am 20. Dezember und damit früher als sonst nach Australien geflogen, um in Brisbane zu spielen.

tennisnet: Ihr Urlaub verlief diesmal außergewöhnlich. Nach einem kurzen Trip nach Mexiko und New York ging es mit der Band 'Tennis' auf eine Konzerttour. Wie kam es dazu?

Petkovic: Ich schreibe sehr gerne und kenne Caitlin Thompson, die Herausgeberin des Racquet Magazines, ganz gut. Sie hat keine Limits im Kopf, das gefällt mir. Und Caitlin hat mir gesagt, 'egal, was für eine Idee du hast, wie absurd sie auch sein mag, wir schauen, ob wir sie umsetzen können'.

tennisnet: Welche Projekte schwebten Ihnen vor?

Petkovic: Es gab drei interessante Sachen. Die Performancekünstlerin Marina Abramovic, die vor ein paar Jahren 300 Tage am Stück auf einem Stuhl im Museum of Modern Art in New York saß, hat eine Zeit lang auch Workshops gegeben. Ich wollte daran teilnehmen und darüber schreiben. Aber Abramovic macht nicht mehr so viel und lebt jetzt eher zurückgezogen. Es gibt allerdings noch Kontakt zu ihrem Assistenten. Außerdem hatte ich die Idee, mit John McEnroe durch die New Yorker Museen zu ziehen. Er besitzt die wohl größte Kollektion von Philip Guston, der auch einer meiner Lieblingskünstler ist.

Petkovic über ihren Ausflug in den Journalismus: "Ich war nicht neutral"

tennisnet: Am Ende wurde es dann doch die Abenteuerreise mit der Indie-Dream-Popgruppe mit dem passenden Namen 'Tennis'.

Petkovic: Ich fand schon immer, dass es gerade bei den Konzerttouren von Bands etliche Parallelen zu unserem Job als Tennisprofi gibt. Vieles ist monoton, Routine, Routine, Routine. Dann kommt der Auftritt, dieser High-Intensity-Moment - und jeder guckt zu. Das hat mich inspiriert. Da habe ich gewusst, das könnte der Blickwinkel für meine Reportage sein. Ich war bei vier Shows dabei und eine knappe Woche mit der Band zusammen. Es war einfach cool. Der Artikel wird in der 6. Ausgabe des Racquet Magazins veröffentlicht.

tennisnet: Als Journalist sollte man ja eigentlich objektiv sein.

Petkovic (lacht): Ich war nicht neutral und habe noch nicht einmal versucht, den Schein zu wahren. In der Story gebe ich meine Meinung und Gefühle wider. Ich habe mich als Subjekt der Geschichte gefühlt, als Teil des Ganzen. Wir sind mit dem Bandbus durch die Wüste gefahren...New Mexiko, Arizona, Kalifornien. Übernachtet wurde in schäbigen Airport Hotels. Du bekommst irgendwie nichts mit, weil jeder Tag gleich war: Um sechs Uhr morgens Aufstehen, dann sechs bis acht Stunden durch die Wüste fahren. Nach dem Auftritt bist du nicht vor ein Uhr nachts im Bett. Duschen geht man dann eher nicht, weil du ja nur fünf Stunden Zeit bis zur nächsten Abfahrt hast. Pro Konzert kamen zwischen 1000 und 1800 Leute.

tennisnet: Wie nah kommt so eine Konzerttour dem Leben auf der Tennis-Profitour?

Petkovic: Es ist schon sehr ähnlich, in beiden Fällen lebt man außerhalb der Realität, wie in einer Blase. Egal wo wir waren, wir sind aufgefallen. An jeder Tankstelle in der Wüste wurde gefragt: 'Seid Ihr eine Band?'. Ich habe dann immer geantwortet: 'Ich bin nur die, die schreibt'. Ich hatte eine uralte Polaroid-Kamera um den Hals hängen, so ein fettes Ding. Und die ganze Zeit hatte ich einen Leoparden-Fellmantel an. Ich hätte 7000 verschiedene Geschichten über diese Zeit schreiben können.

tennisnet: Was waren die elementarsten Unterschiede zwischen den beiden Tour-Leben?

Petkovic: In der Musikszene wird man mehr ermutigt, die Exzentrizität zu leben. Es ist positiv, sich abzugrenzen von den anderen. Wenn du das im Tennis machst, wirft das auch gleich ein bisschen ein negatives Licht auf dich. Es ist dort zumindest ein zweischneidiges Schwert.

tennisnet: Was hat dieses intensive Eintauchen in eine andere Welt bei Ihnen bewirkt - auch mit Blick auf Ihre Tennis-Laufbahn?

Petkovic: Dieses Erlebnis, die Sache mit der Band und das Schreiben, hat viel Druck herausgenommen. Ich weiß jetzt so ungefähr, was ich nach der sportlichen Karriere machen möchte. Diese Frage nach der Zukunft hat mich vor allen Dingen in der letzten Saison gestresst. Demnächst ist es irgendwann zu Ende mit dem Tennis - egal, ob in einem oder in vier Jahren. Ich weiß jetzt, dass ich danach mehr schreiben will. Mich reizt auch die literarische Richtung. Ich habe vor, einen Kurs für kreatives Schreiben zu belegen, am liebsten in New York. Es entspannt mich, dass ich mittlerweile weiß, was ich will.

Petko verspricht: "Es kann noch nicht vorbei sein"

tennisnet: Wie schwer war es, sich nach der Zeit mit der Band wieder ins normale Leben zu integrieren?

Petkovic: Das ging eigentlich ganz gut. Ich habe das Tennisspielen dann doch sehr vermisst. Bei den letzten Urlauben hatte ich immer das Gefühl, ich muss jetzt trainieren, sonst verliere ich meine Form. Diesmal konnte ich total abschalten. Am Ende war ich aber dann doch hibbelig.

tennisnet: Gab es nach der vergangenen Saison einmal den Gedanken ans Aufhören?

Petkovic: Nein, ich wusste, dass mein Herz noch fürs Tennis schlägt. Am Ende des Jahres habe ich richtig gut gespielt und Spaß gehabt. Gerade nach dem Match gegen Petra Martic in Luxemburg hatte ich so viele Gefühle und war so glücklich, dass ich dachte: 'Es kann noch nicht vorbei sein'.

tennisnet: Was ist Ihr Ziel für die kommende Saison?

Petkovic: Wenn ich gut spiele, kann ich noch für Überraschungen sorgen. Ich würde schon nochmal gerne einen richtigen Sprung nach vorne machen. Ich bin auch überzeugt, dass ich das drauf habe. Aber ich habe durch meine Verletzungen in den vergangenen Jahren schon ein paar körperliche Einschränkungen, die ich nicht einfach wegreden kann. Deshalb habe ich auch das Training umgestellt. In der Vorbereitung wurde immer nur einmal am Tag gespielt, aber dann zwei Stunden. Die Ausdauereinheiten habe ich direkt auf dem Court absolviert und auf Läufe im Wald verzichtet. Wenn es nicht klappen sollte, kann ich aber auch damit leben, wenn es das Ende ist.

Aufhören? "Über dieses Ego-Ding bin ich hinweg"

tennisnet: Allerdings wirken Sie nicht wie jemand, der noch Jahre lang spielt, wenn es nicht mehr nach vorne geht. Oder?

Petkovic: Richtig. Für mich wäre es schwierig, immer weiter zu machen, wenn ich um die Weltranglistenposition 100 herumkraxele. Ich bin nicht diejenige, die sagt, 'ich spiele just for fun'. Ich habe immer noch hohe Ziele. Aber ich bin jetzt bereit zu sagen: 'Wenn es nicht klappt, dann auch gut'. Vorher war das auch so ein Ego-Ding. Nach dem Motto: 'So will ich nicht aufhören'. Aber über dieses Ego-Ding bin ich hinweg!

tennisnet: Zum Abschluss noch eine Frage, mit der sich der Kreis irgendwie schließt. Wie schwer fällt es Ihnen, Ihre Texte in Englisch zu verfassen?

Petkovic: Mir fällt es sogar leichter, denn im Englischen kann man leichter poetisch sein, ohne kitschig zu wirken. Deutsch dagegen ist eine sehr sachliche Sprache. Wenn ich meine englischen Texte lese, kann ich sie auch viel besser aus einer neutralen Sicht beurteilen. Sind sie auf deutsch geschrieben, kann ich oft nicht beurteilen: Ist der Satz jetzt gut oder schlecht.

von Ulrike Weinrich

Sonntag
31.12.2017, 12:00 Uhr