Barbara Rittner exklusiv – „Vor ‚Angie’ Kerber ziehe ich nur noch den Hut!“

Die Fed-Cup-Chefin spricht mit tennisnet.com über die Stuttgart-Erfolgsgeschichte der Laura Siegemund und die Klasse von Angelique Kerber.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 25.04.2016, 00:00 Uhr

Frau Rittner, ein Endspiel zwischen Grand-Slam-Siegerin und Überraschungsspielerin der Woche - besser ging's eigentlich nicht. Es war leider nur etwas kurz.

Es war eine tolle Woche! Im Finale waren beide sehr müde, Laura hatte acht Matches gespielt mit der Qualifikation, ‚Angie' sechs mit dem Fed Cup... Das läppert sich zusammen. Bei Laura war dann noch etwas mehr die Luft raus. Aber das zeichnet ‚Angie' auch aus, dass sie körperlich noch eins draufsetzen kann. Aber es gab noch nie ein deutsches Finale beim Porsche Tennis Grand Prix, einem der bestbesetzten Turniere der Welt. Für Laura war es eine sensationelle Woche, das kann man gar nicht anders sagen. Wie sie Agnieszka Radwanska geschlagen hat, vorher gegen Roberta Vinci schon unglaublich gespielt hat. Ich freue mich auf das, was in den nächsten Wochen von ihr kommt, wie sie das kompensieren kann, welchen Schub ihr das geben wird. Mit Sicherheit viel Selbstvertrauen. Abgesehen davon, dass sie jetzt eh schon um Rang 40 in der Welt stehen wird.

War im Endspiel dann etwas die Luft raus, körperlich und mental?

Das muss sie letztlich selbst beantworten. Ich glaube, dass es hauptsächlich körperlich war, aber auf der anderen Seite mit ‚Angie' Kerber eine stand, die unbedingt gewinnen wollte und noch einen Tick draufsetzen konnte. Es tat mir etwas leid, ein 6:4, 6:4 wäre schön gewesen, auch für die Zuschauer. Aber im zweiten Satz ging offensichtlich körperlich nichts mehr.

Laura Siegemund ist schon lange dabei, kam früher mit dem Druck nicht so ganz klar. Kann sie jetzt locker weiterspielen?

Wenn du so lange dabei bist und jetzt so einen Durchbruch schaffst, schon in Australien gut spielst, das genießt, topfit bist... Sie ist ja eine der fittesten Spielerinnen. Da lass' die nächsten Wochen kommen! Laura ist unglaublich schwer zu spielen. Auf schnelleren Belägen wird man noch sehen, aber mit so viel Übersicht und Spielwitz kann sie auf jedem Belag Erfolg haben. Ich freue mich einfach drauf, weil es Spaß macht, ihr zuzuschauen.

Als Fed-Cup-Teamchefin ist solch eine Spielerin natürlich eine tolle Sache. Da kommt eine, die quasi schon weg war vom Tennis, und greift noch mal an. Und Sie haben plötzlich noch mehr Auswahl als ohnehin schon.

Die Auswahl ist das eine, das bin ich ja gewohnt mittlerweile. Aber Laura ist auch ein Beispiel für diejenigen, die es lange versuchen, nicht den Durchbruch schaffen, sich dann öffnen für etwas anderes, ein bisschen entspannen... Da ist sie ein Paradebeispiel, wie es gehen kann. Das tut unheimlich gut. Das wird vielen anderen die Kraft geben, noch mal dranzubleiben. Genauso wie es hilft, dass ‚Angie' Grand-Slam-Siegerin geworden ist. Das sind alles Geschichten, die anderen als Vorbild dienen, die Augen öffnen und Mut machen.

Was Angelique Kerber geleistet hat, muss man auch schaffen: Sie kommt als Australian-Open-Siegerin hierher, als Titelverteidigerin, hat den Fed Cup in den Knochen und zig Promo-Termine. Und gewinnt das Ding.

Bei aller Laura-Siegemund-Story: Für mich ist das die noch viel größere Geschichte. Das muss man erst mal leisten, grade wenn man ‚Angie' kennt. Als Porsche-Markenbotschafterin, als Titelverteidigerin hierher zu kommen, sich so präsentieren zu wollen, auch eine Carla Suarez Navarro, die solch ein Turnier immer gewinnen kann, so dominant zu schlagen im Viertelfinale! Danach gegen Petra Kvitova, da kriegt man eh keinen Rhythmus... Dann das Finale gegen eine langjährige Jugendkonkurrentin. Die beiden kennen sich ja aus der Kindheit. Hier so ruhig zu bleiben, nachdem Laura rauskommt wie die Feuerwehr. Das wird sie weiter stabilisieren. Ich bin unendlich stolz, das miterleben zu dürfen. Auch in der persönlichen Entwicklung. Jetzt hat sie sich ein paar Tage Auszeit verdient. Ich ziehe einfach den Hut vor dem, was ‚Angie' die letzten Monate geleistet hat.

Was kann sie denn noch alles kommen für sie in 2016?

Da ist schon so viel gekommen! Man muss da die Kirche im Dorf lassen und immer von Turnier zu Turnier denken. Grade, wenn man sieht, wie eng das zusammen ist. Aber mit dem Selbstvertrauen, das sie jetzt hat... Ich habe immer gesagt: ‚Angie' ist eine, die Wimbledon gewinnen kann. Das ist meiner Meinung nach das, was ihrem Spiel noch mehr liegt...

... weil sie eher flach spielt, mit wenig Spin...

Ja, flach, und weil sie unheimlich gut in der Balance steht. Da ist sie eine der Besten auf Rasen. Auch Olympia ist ein Riesenziel. Ich hoffe, dass sie sich jetzt etwas rausnimmt, um sich auf die Höhepunkte zu konzentrieren. Wir hatten nun zwei Fed Cups, die Australian Open, Stuttgart war für sie als Porsche-Botschafterin ein Höhepunkt. Jetzt kommen Paris, Wimbledon, Olympia, die US Open. Da wird sicher mal die ein oder andere bittere Niederlage dabei sein. Wichtig ist aber die Art und Weise, wie sie auftritt. Und das war in Stuttgart erste Klasse.

Das Gespräch führte Florian Goosmann.

von Florian Goosmann

Montag
25.04.2016, 00:00 Uhr