Andrea Petkovic exklusiv – „Da muss ich jetzt schon auch mal die WTA kritisieren”

Andrea Petkovic im exklusiven tennisnet.com-Interview: über ihre Trainersituation und WTA-Versuchskaninchen und viel mehr.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 02.03.2015, 19:52 Uhr

Beim WTA-Premier-Turnier in Doha ist Andrea Petkovic nach zwei Siegen im Viertelfinale am Donnerstag,stark durch Rückenprobleme gehandicapt, gescheitert. Deutschlands aktuelle Nummer eins stand tennisnet.com am Rande der Hartplatzveranstaltung für ein ausführliches Interview zur Verfügung. In dem die 27-jährige Darmstädterin unter anderem auch über ihre derzeit ungeklärte weitere Trainersituation sprach und Kritik an der WTA übte.

Frau Petkovic, das WTA-Turnier in Doha hat für Sie ein bitteres Ende genommen. Was ist passiert?

Meine Gegnerin(die TschechinLucie Safarova, diespätere Turniersiegerin; Anmerkung)hat sehr gut gespielt. Und ich war ein bisschen am Rücken verletzt.

Sie hatten bereits in den Tagen zuvor über Rückenbeschwerden geklagt, die jedoch nach Behandlung auf dem Platz stets besser geworden sind. Sind Sie mit ihrer Verletzung nun schon ins Match gegangen oder ist es erst währenddessen passiert?

Nein, es ist nicht vorher passiert. Ich bin am Anfang, ich glaube bei 1:2 im ersten Satz, in eine Ecke gegangen, und dann hat der Rücken blockiert und zugemacht.

Wie geht es für Sie nun weiter?

Nach dem Heimflug werde ich versuchen, das mit meinem Physiotherapeuten rasch wieder in den Griff zu kriegen. Danach geht es in Indian Wells weiter(Hauptfeld-Start ist am 11. März; Anmerkung). Immerhin bleibt bis dahin ein wenig Zeit.

Zuvor haben Sie ja immerhin zwei Siege gegenKirsten Flipkensund gegenZarina Diyaseingefahren – in einer Revanche für das letztwöchige Skandalmatch in Dubai. Wie froh waren Sie denn, nachdem es in Dubai eben nicht zur Verfügung gestanden war, dass es speziell gegen Diyas diesmal das Hawk-Eye gegeben hat?

Och, sehr froh!(lacht)Es waren ja auch wieder ein paar enge Entscheidungen. Ich hatte auch das Gefühl, dass wieder so einiges gegen mich war, als ich ein paar Mal bei Breakball super serviert oder returniert habe. Sie spielt den Ball aus dem Stadion, mein Ball wird fälschlich „out“ gerufen, und dann gibt es „Replay the point“ und man muss wieder alles von vorne machen. Das war echt nervig. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, wenn man schon mit so einer Paranoia hineingeht.(lacht)Deshalb würde ich da jetzt nicht so viel davon halten, was ich hier so erzähle.(lacht)

Welchen Eindruck haben Sie: Trauen sich viele Schiedsrichter nicht mehr genug und verlassen sich teils nur noch auf das Hawk-Eye?

Also ich habe den Eindruck, es gibt da wirklich große Unterschiede. Es gibt sehr, sehr gute Schiedsrichter wie Kader Nouni, Marija Cicak oder Mohamed Lahyani. Das hat auch, glaube ich, was mit Erfahrung zu tun. Denen ist das Hawk-Eye egal, die overrulen, wie sie’s sehen. Denen glaubst du auch. Und ich finde, da muss ich jetzt schon auch mal die WTA kritisieren. Ich fand es in Dubai echt blöd, dass sie die Besten auf den Center Court gesetzt haben, wo es das Hawk-Eye sowieso gab, weil es halt natürlich auch im Fernsehen gut aussieht, wenn der Schiedsrichter gut leitet. Dort konnten Entscheidungen jederzeit rückgängig gemacht werden. Und auf den Außenplätzen setzen sie irgendwelche Schiedsrichter ein, die ich noch niemals in meinem Leben gesehen habe. Das heißt, denen glaubst du per se von Anfang an weniger als wenn Kader oben sitzt und sagt, „Der Ball war ‚out’“, und du weißt, der hat 470 Matches in seinem Leben geleitet und wird es schon wissen. Der guckt einen dann an und sagt: „Andrea, mit mir gibt es keine Diskussionen.“ Und dann drehe ich mich um und es geht weiter. Da geht es eben um die Erfahrung des Schiedsrichters, das hat dann halt viel damit zu tun, wie er das Match führt. Was aber alles nicht meinen Ausraster entschuldigen kann.

Den bereuen Sie?

Das darf mir nicht passieren als Profi. Da gab’s viele Gründe. Ich war müde, ich kam gerade erst aus Antwerpen an, Jetlag, was auch immer. Aber sowas darf mir natürlich nicht passieren. Ich kann da von Glück sprechen, dass ich mit dem Schläger niemanden getroffen habe, das ist alles nicht zu entschuldigen. Das Einzige, was ich eben finde: Die guten Schiedsrichter sollten sie auf die Courts setzen, wo kein Hawk-Eye ist – wenn sie schon welche haben, wo es keines gibt.

Sehen Sie also viele Schiedsrichter auf den Außencourts schlichtweg als überfordert an?

Genau. Weil ich glaube, dass sie dort die Unerfahrenen so ein bisschen machen lassen, habe ich manchmal das Gefühl. Sie müssen natürlich auch ihre Erfahrung sammeln, aber es ist halt fraglich, warum man sie diese nicht auf den Plätzen mit Hawk-Eye sammeln lässt. Einerseits haben sie auf diesen Plätzen mehr Druck, weil da auch das Fernsehen ist, da muss man sich einerseits beweisen. Andererseits ist es nicht gleich matchentscheidend, wenn man da einen Fehler macht, auf dem Center Court wird der Punkt dann halt einfach wiederholt, es geht nochmal von vorne los. Bei mir war’s satzentscheidend, aber es geht jetzt nicht nur um mich, sondern ums Generelle. Das ist meine persönliche Meinung dazu.

Anderes Thema:Eric van Harpen und Sie sind im November getrennte Wege gegangen.Wie sieht es bei Ihnen in der Trainerfrage nun aus? Hier in Doha betreute Sie auf dem PlatzDirk Dier, derFed-Cup- und seit kurzem auch Davis-Cup-Co-Trainerist. Ist das für Sie mehr als eine Übergangslösung?

Mal gucken. Es ist mit Dirk natürlich immer ein gewisser Interessenskonflikt wahrscheinlich da. Wenn ich jetzt gegen eine Deutsche spielen würde, würde sich Dirk dann wahrscheinlich woanders hinsetzen müssen. Deswegen ist das vielleicht nicht die Optimallösung, auch wenn ich total gerne mit ihm zusammenarbeite und mich auch beim Fed Cup mit ihm immer total wohlfühle. Er ist echt ein toller Trainer und auch ein toller Typ, so positiv und nett einfach. Daher muss ich mir da nach Doha ein bisschen darüber Gedanken machen. Und dann ist ja auch nochBoris Conkicmit mir hier gewesen. Er hat eigentlich als Hittingpartner mit mir begonnen, aber er hat echt einen super Tennisverstand und sieht echt viel und macht das ganz toll. Ihn will ich eigentlich schon in meinem Team behalten. Und wenn ich vielleicht nochmal eine erfahrene Persönlichkeit hinzunehmen könnte, wäre das super. Es hat sich jetzt halt noch nichts ergeben. Ich würde Dirk aber schon gerne noch ein bisschen an meiner Seite behalten. Die beiden ergänzen sich super, sie arbeiten echt gut zusammen.

Werden Sie darüber auch mit Ihren Fed-Cup-Kolleginnen und mit TeamchefinBarbara Rittnerreden?

Barbara hatte ich schon gefragt, das war ganz klar. Ich habe sie schon vor dem Fed Cup gegen Australien gefragt, ob sie sich das vorstellen könnte, jetzt in der Zeit, wo ich niemanden habe, ob ich da vielleicht mit Dirk arbeiten könnte, ob das blöd wäre, was die anderen Mädels wohl dazu sagen würden. Barbara hat gesagt, sie spricht einfach mit allen, kein Problem, „Oder du kannst ja auch mal fragen“. Das ist echt unser Vorteil im Fed-Cup-Team, dass wir total offen miteinander umgehen. Ich weiß ja nicht, was sie sich innerlich denken(lacht), aber alle haben so gemeint, „Ja, das ist doch kein Problem, ist ja echt gut.“ Und das war für mich eine große Hilfe, dass er mit mir in Doha war, jetzt wo ich so ein bisschen zwischen den Stühlen bin.

Im Fed-Cup-Halbfinale müssen Sie,wie am Dienstag bekanntgeworden ist, überraschend in Sotschi auf Sand spielen. Wie gut passt Ihnen das?

Ich habe am Montag mitSvetlana Kuznetsovagesprochen, sie hatte es schon angedeutet, dass es wahrscheinlich Sotschi werden wird. Da war ich total überrascht, ich war fest davon überzeugt, dass wir in Moskau spielen. Ich weiß auch nicht warum. Mir kam gar keine andere Stadt in den Kopf, weil ich mir so sicher war – „Moskau, wo sollen die sonst spielen?“. Es ist natürlich für uns ein bisschen unglücklich, weil’s nochmal zwei Stündchen weiter ist und nachher direkt Stuttgart ist. Aber wir machen das, ist ja klar. Und zum Glück – das erleichtert mich – ist es auf Sand, denn dann haben wir in Stuttgart keine dermaßen große Umstellung. Das kriegen wir schon hin. Das ist besser als Australien. Wir nähern uns langsam an.(lacht)

Es hat ja in letzter Zeit wieder verstärkte Stimmen gegeben, die nach einerReform von Davis Cupund Fed Cup schreien. Man sieht auch nun bei den Herren, dass in der ersten Runde kaum Top-Stars dabei sind. Würden Sie eine Reform ebenfalls begrüßen?

Generell fand ich das Format eigentlich immer ganz okay. Was ich aber schon immer fand: dass acht Mannschaften in der Weltgruppe(im Fed Cup; Anmerkung)sehr wenig sind. Wir waren letztes Jahr im Finale – und wenn wir jetzt gegen Australien verloren hätten, würden wir gegen den Abstieg spielen. Das ist schon ein bisschen krass. Was ich jetzt auch gemerkt habe, dadurch dass wir das erste Mal im Finale waren: Es war sehr, sehr nahe dran zur ersten Runde im neuen Jahr. Und von meinem Gefühl her war das einfach so, dass wir das Fed-Cup-Finale, das ja für uns eine große Niederlage war, noch gar nicht so verdaut hatten. Als ich auf den Platz rausgegangen bin und wieder die Nationalhymne erklungen ist, kam für mich noch einmal das Vorjahresfinale hoch. Und dann waren wir jedoch schon wieder da und mussten ums Überleben kämpfen, um nicht wieder absteigen zu müssen. Barbara hatte einmal gesagt, dass sie es sich gut vorstellen könnte, dass auf 14 Nationen aufgestockt wird und die beiden Vorjahresfinalisten vorgesetzt sind. Ich weiß nicht, wie umsetzbar das ist, aber das fände ich optimal und klang in den Worten von Barbara sehr, sehr logisch.

Es ist unbestritten, dass Sie auf der Tour eine der absolut beliebtesten Spielerinnen sind. Es scheint Sie de facto jede Spielerin zu mögen, und Sie scheinen ebenso mit so gut wie allen bestens zurechtzukommen. Fühlen Sie sich manchmal ein bisschen wie der Roger Federer des Damentennis?

Ach Gott, das wäre schön, wenn ich halb – ach, nicht mal halb, nur ein Fünftel seiner Erfolge hätte!(lacht)Das würde ich sofort unterschreiben. Im Ernst: Ich bin einfach schon immer sehr unkompliziert gewesen. Ich bin halt in einer großen Familie aufgewachsen, immer mit vielen Menschen, immer mit vielen Kindern um mich herum. Ich habe zwar nur eine Schwester, aber wir sind acht Cousinen. Es war immer ganz klar, dass wir geteilt haben, dass wir versucht haben, zusammen Dinge zu erreichen. Und ich glaube, dass ich erstens deswegen auch immer diese Team-Sachen total gerne mag. Und zweitens sehe ich das nicht so ein, warum ich, wenn ich jemanden auf dem Platz besiegen will, dann auch außerhalb des Platzes mit wem gemein umgehen sollte.

Was viele Damen auf der WTA-Tour ja anders handhaben dürften.

Das muss jede für sich entscheiden. Ich kann das super trennen. Ich kann auf dem Platz alles geben, und ich gucke auch gar nicht rüber. Mir ist das egal, gegen wen ich spiele. Ich spiele einfach für mich, ich will unbedingt gewinnen. Auch wenn ich gegen eine gespielt habe, die ich total gerne mag, kann ich das super auseinanderhalten – egal ob ich gewonnen habe oder verloren habe. Da bin ich sehr gesegnet damit, dass ich das so super auseinanderhalten kann. Wenn man das als Persönlichkeit einfach nicht so gut kann und merkt, „Ich bin auf dem Platz aufgeregter, wenn ich gegen eine Freundin spiele“, dann sollte man vielleicht mit niemandem auf der Tour befreundet sein. Es ist natürlich ein professioneller Sport, in dem man dann Entscheidungen für sich treffen muss.

Victoria AzarenkaundGarbine Muguruzahaben zuletzt – nicht als erste Spielerinnen – die recht mangelhafte Kollegialität auf der Tour angeprangert. Es scheint so, als ob die meisten ihre eigene Suppe brühen und oftmals ein gewisser Zickenkrieg herrscht. Stört Sie das auch, wie es teilweise zugeht?

Also ich muss sagen, dadurch dass ich mich mit allen ganz gut verstehe – und vor allem mit Azarenka zum Beispiel, wir sind sehr gut miteinander befreundet und schwätzen immer am Frühstückstisch oder sonst wo –, glaube ich, affektiert mich das vielleicht nicht so sehr wie andere. Ich schwätze mit allen, ich bin mit einigen enger befreundet, mit anderen nicht so eng, aber ich bin mit allen auf gutem Fuß, deswegen betrifft mich das nicht. Es ist natürlich ein schwieriger Sport. Man muss taff sein, man muss auf dem Platz viel einstecken können, und das härtet natürlich ab und vereinsamt auch. Und ich glaube, dass das miteinander Hand in Hand geht, wenn man dann natürlich härter und unsensibler wird, versucht, sich abzukapseln. Das wirkt sich dann auch oft aufs Privatleben aus.

Das Gespräch führte Manuel Wachta.

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Montag
02.03.2015, 19:52 Uhr