Benjamin Ebrahimzadeh spricht über die Trennung von Angelique Kerber

Benjamin Ebrahimzadeh spricht im Interview über die intensive Zeit mit Angelique Kerber und neue Trainingsmodelle.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 18.03.2015, 07:15 Uhr

Benjamin Ebrahimzadeh (35) gehört zu den profiliertesten Tennistrainern in Deutschland. Der gebürtige Saarbrücker, selbst einmal auf der Future-Tour unterwegs, war Chefcoach der Tennisakademie von Rainer Schüttler und Alexander Waske, bevor er persönlicher Trainer von Angelique Kerber wurde.Nach zwei sehr erfolgreichen Jahren trennten sich die Wege im Februar 2015, in einer Leistungskrise von Kerber. Ebrahimzadeh lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern in Altenstadt bei Hanau.

Herr Ebrahimzadeh, Hanau statt Indian Wells oder Miami, Deutschland statt großer Tennistour: Nach der Trennung des Arbeitsverhältnisses mit Angelique Kerber sind Sie gerade zur Zwangspause verdammt. Wie fühlt sich die Auszeit an?

Benjamin Ebrahimzadeh:Mir geht’s gut, auch wenn ich natürlich noch sehr gerne Angie zurück in die Top Ten gebracht hätte. Das ist doch keine Frage. Aber nun verbringe ich erst mal wieder mehr Zeit mit der Familie, das ist auch schön.

Es war eine sehr intensive Zeit, die Sie zusammen mit der langjährigen deutschen Nummer-eins-Spielerin verbrachten. Auch eine auszehrende Zeit sicher?

Ebrahimzadeh:Allerdings. Es war eine sehr emotionale Zeit, eine wahnsinnig spannende Reise. Und auch ein sehr erfolgreicher sportlicher Abschnitt, der Aufenthalt in den Top Ten, WM-Teilnahme, starke Grand-Slam-Auftritte. Ich atme im Moment mal durch, lasse die Dinge sacken, entspanne ein wenig – und kümmere mich um die Familie.

Kam diese Trennung überraschend für Sie?

Ebrahimzadeh:Ja, das schon. Wir hatten immer mal wieder Gespräche, in denen wir gemeinsam überlegt hatten: Wie kommen wir von diesem Punkt aus erfolgreich weiter? Und dann haben wir auch gut neue Ziele angepeilt. Aber so ist das Geschäft, Angie hat das so für sich entschieden. Und ich akzeptiere es. Wenn man in dieser Branche unterwegs ist, weiß man, auf was man sich eingelassen hat. Man unterschreibt einen Vertrag, und weiß: Irgendwo besteht da immer die Möglichkeit, dass einem gekündigt wird. Ich bin nicht naiv.

Viele der deutschen Frauen hatten einen holprigen Saisonstart. Hat das noch mit dieser strapaziösen Saison 2014 zu tun, zuletzt auch noch dem Anlauf zum Fed-Cup-Sieg?

Ebrahimzadeh:Dieses Finale war ein Karrierehöhepunkt für alle im Team. Aber mit Urlaub und Vorbereitung wurde die Zeit bis zum Saisonstart 2015 schon sehr eng. Nun gilt es für alle Fed-Cup-Spielerinnen, die Turnierpausen und Trainingsphasen gut zu planen. Die Saison fällt schon ein wenig aus der Reihe.

Sie übernahmen den Job bei Kerber aus einem recht sicheren Arbeitsverhältnis, als Cheftrainer der Tennis-University von Rainer Schüttler und Alexander Waske. Bedauern Sie das Ganze im Nachhinein?

Ebrahimzadeh:Ich bin dankbar für jeden Schritt, den ich bisher gehen durfte. Die Zeit in Offenbach, in der Tennis-University, war sehr schön, sehr lehrreich. Das war eine Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, seine Kompetenz aufzubauen. Dann kam die Chance, mit Angie zusammenzuarbeiten – und ich möchte auch hier keinen Tag missen. Nun sortiere ich mich gerade neu. So ganz genau weiß ich noch nicht, wohin die Richtung geht. Aber es gab schon viele gute Gespräche.

Sie haben mit Jugendlichen, mit Männern und Frauen zusammengearbeitet. Gibt es jetzt eine Präferenz bei der nächsten Aufgabe, beim nächsten Job?

Ebrahimzadeh:Nein, eigentlich nicht. Ich kenne mich auf WTA- und ATP-Tour aus, weiß im Jugendbereich ziemlich gut Bescheid. Also, da bin ich schon flexibel.

Rund um das deutsche Davis-Cup-Spiel gegen Frankreich wurde viel über das deutsche Herrentennis geredet, auch über die Defizite in der Entwicklung neuer Topspieler. Würde Sie das nicht reizen?

Ebrahimzadeh:Absolut. Wobei ich erst mal sagen muss, dass man mit Michael Kohlmann einen guten Mann für das Davis-Cup-Team und für den B-Kader hat, also die Nachwuchsabteilung. Ich habe auch einige Gespräche geführt, mit Sportdirektor Klaus Eberhard und mit Kohlmann, auch mit Barbara Rittner. Ich bin selbst gespannt, wohin mich die nächste Reise führt.

Sind die Strukturen in Deutschland ausreichend, um aus der Jugend wieder starke Herrenspieler herauszubringen?

Ebrahimzadeh: Das ist eine sehr komplexe Frage und Thematik. Fakt ist: Wenn die jungen Spieler ins Erwachsenentennis kommen, muss man ihnen heute mehr Zeit geben, um sich überhaupt auf der großen Tour zu akklimatisieren und zurechtzufinden. Ein, zwei Jahre mehr bestimmt. Das ist eine allseits anerkannte Tatsache. Und da ist es wichtig, sie zu begleiten, ihnen zu helfen. Und sie nicht einfach in diesem Ozean herumschwimmen zu lassen. Sie brauchen schon eine klare Führung, einen Trainer, der Hilfe und Orientierung gibt.

Vorstellbar wäre ja auch ein Modell, wo mehrere dieser jungen Spieler von einem Trainer gecoacht werden.

Ebrahimzadeh: Das ist eigentlich meine Idee. In Deutschland setzt man zu sehr auf eine Eins-zu-Eins-Lösung im jungen Alter, bei der die Spieler dann auch aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen werden. Da erlebt man dann auch schon mal Situationen, wo bei einem Turnier vier Spieler mit vier Trainern anreisen – und das ganz, ganz früh in ihrer Karriere. Besser und übrigens auch kostengünstiger wäre es, die Kräfte zu bündeln. So könnte man letztlich auch mehr Reisen der Nachwuchsleute finanzieren. Ich könnte mir schon vorstellen, so eine Gruppe zu coachen, das wäre eine interessante Aufgabe.

Wann wollen Sie denn überhaupt wieder loslegen?

Ebrahimzadeh: Ich habe mir jetzt kein festes Datum gesetzt. Wichtig ist: Die Arbeit soll eine Herausforderung für mich sein. Wenn ich die richtige und spannende Aufgabe sehe, bin ich bereit. Ob morgen, übermorgen oder in ein paar Wochen.

Das Gespräch führte Jörg Allmeroth.

von tennisnet.com

Mittwoch
18.03.2015, 07:15 Uhr