Der Tennisvater der besonderen Art

Der Vater von Andrea Petkovic ist der Stratege im Hintergrund und der wichtigste Berater. Eine Tenniskarriere der Tochter wünschte er sich aber nicht.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 31.05.2011, 08:49 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Paris
Länger als zwei Wochen hält es Zoran Petkovic (50) nie in der großen, weiten Tenniswelt aus, ob nun in Melbourne, Paris, Wimbledon oder New York. Anschließend muss der Vater von Deutschlands neuem Centre-Court-Star Andrea Petkovic wieder dringend zurück ins beschauliche Alltagsleben, heim nach Darmstadt, wo er gern „Frau Müller und Herrn Meier einen schönen Volley beibringt“. Petkovics geliebter Brot- und Butter-Job ist, Tennislehrer beim TEC Darmstadt zu sein, nur für die vier Major-Wettbewerbe der Tour verstärkt er die ohnehin schon größer gewordene Entourage der berühmten Tochter. Echte Stars und allerlei Wichtigtuer, drängelnde Agenten und Sponsorenvertreter, andere Tennisfamilien – all das verträgt Papa Petkovic im ganz normalen Chaos auf den Grand-Slam-Bühnen eben nur sehr dosiert und bleibt grundsätzlich distanziert: „Es ist unglaublich, was bei so einem Event alles an Geschwätz und Gerüchten umläuft.“ In Paris, bei den French Open 2011, ist seine Anwesenheit indes noch weiter gefragt, nun erst einmal rund um das Kracherspiel von Andrea im Viertelfinale gegen Maria Sharapova am Mittwoch auf dem „Court Central“,dem „Spiel der Spiele“ im bisherigen Turnier.
Pakt zwischen Vater und Tochter
Petkovic ist trotz seiner sporadischen Präsenz immer noch die wichtigste Figur im Team der Weltranglisten-Zwölften, in einer kunterbunten Truppe, die alle möglichen Aufgaben und Dienste für die Senkrechtstarterin erledigt. „Er ist aber der einzige, den ich nicht bezahle. Und mit dem ich über viele andere Sachen, aber auch noch über Tennis rede“, sagt Tochter Andrea. Worauf es im professionellen Geschäft ankommt, weiß Vater Zoran ganz genau - schliesslich war er mal Davis-Cup-Spieler für Jugoslawien, bevor er in den Wirren des Bürgerkrieges die junge Familie schnappte und Anfang der 90er Jahre nach Deutschland übersiedelte. Petkovic senior weckte zwar die Liebe fürs Tennis bei der kleinen Andrea, doch der älteren Andrea, der Teenagerin, empfahl er mehrfach, wegen der exzellenten Schulnoten auf die unsichere Karriere im professionellen Damentennis zu verzichten.
„Ihr standen alle Möglichkeiten offen, mit einem Einser-Abitur“, sagt Petkovic, „wir hatten damals sogar Streit.“ 2006 schlossen Vater und Tochter einen Pakt: Schafft es Andrea binnen zwei Jahren nicht, unter die Top 50 zu kommen, ist Schluss. Schafft sie es, geht die Karriere weiter. 2008 erlitt die mehrfache deutsche Jugendmeisterin dann einen Kreuzbandriss bei den Australian Open, das verabredete Ultimatum wurde verlängert. Doch dann verlief das Comeback so glanzvoll und vielversprechend, dass es keinen Zweifel mehr gab: Alle Petkovics würden nun auf die Karte Profitennis setzen.
Kein Verwöhnprogramm für Andrea
Vater Petkovic bleibt selbst dann im Spiel, wenn er nicht vor Ort ist, an einer der Stationen der weltweiten Tour. Als Andrea in Miami gegen die ehemalige Weltranglisten-Erste Jelena Jankovic zurücklag, rief sie in einer Regenpause daheim in Darmstadt an. Der Papa korrigierte ein paar Kleinigkeiten, riet dazu, die „Bälle schlicht höher übers Netz zu spielen, um mehr Sicherheit zu bekommen“, und erst dann wieder „auf Risiko zu gehen.“ Der Tipp half, die Tochter gewann, und Petkovic ging tags darauf wieder ganz schlicht und ergreifend zur Arbeit beim TEC Darmstadt. Sie sind eben Tenniseltern der ganz besonderen Sorte, er und Ehefrau Amira, die der Tochter auch schon mal den Marsch bläst, wenn die sich zuhause einfach auf die Coach fläzt und sich nicht an den familiären Hausarbeiten beteiligt: „Dann wird ruckzuck zum Abwaschen oder Putzen eingeteilt. Verwöhnprogramm ist da nicht drin“, sagt Andrea Petkovic.

Zoran Petkovic, drahtig wie zu seinen aktiven Zeiten, ist und bleibt der einflussreichste Ratgeber, ganz gleich, ob da noch ein Trainer Petar Popovic, ein Berater Heinz Günthardt oder auch noch ein Mentalcoach im Team sind. Das exzellente Gespür für strategische Planung ist dem 50-Jährigen als Drahtzieher im Hintergrund dabei genau so wenig abhandengekommen wie das feine Auge für kleinere und größere sportliche Fehler. „Mein Vater war mein erster Trainer. Und ist sozusagen mein Trainer auf Lebenszeit. Er kennt alle Schliche und Kniffe“, sagt Tochter Andrea. So abgebrüht wie sie selbst neuerdings an ihre Aufgaben herangeht, ohne langes Lamentieren und Diskutieren, so cool hält auch Teilzeitbeobachter Zoran Petkovic auf der Tribüne die Matches durch, allerdings in einem Akt enormer Selbstverleugnung: „Innerlich kocht es gewaltig. Das kostet mich echte Überwindung, da ein Pokerface aufzusetzen.“ Um das Potenzial der Tochter in den Topmatches der ersten wirklich anspruchsvollen Saison nicht zu gefährden, verordnete der Papa inzwischen auch ausreichend Pausen zum Luftholen: „Wir müssen Schwerpunkte setzen, wollen nicht, dass die Lust und Kraft verloren gehen.“
Daheim in Griesheim, dem Darmstädter Stadtteil, hat das Telefon der Petkovics in den letzten Wochen kaum stillgestanden. Marketingagenturen und Manager boten ihre Dienste an, mal mehr, mal weniger seriös. Doch Zoran Petkovic will, jedenfalls in absehbarer Zukunft, selbst den Finger draufhaben bei der Geschäftstätigkeit um Tochter Andrea. „Wir sind alle der Meinung, dass uns niemand die Entscheidungen abnehmen muss“, sagt er. Und auf das „große Ding“, den geldschweren Deal mit einem namhaften Sponsor, könne man auch ruhig noch „ein bisschen warten“: „Niemand leidet, wenn das noch dauert.“(Foto: Jürgen Hasenkopf)

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Dienstag
31.05.2011, 08:49 Uhr