Thomas Muster und ...
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
29.06.2010, 19:11 Uhr

… Gerhard Zimmer! Braunschweig sah ein unterhaltsames Tennismatch, der Rest der Welt kam in den Genuss der Wiedergeburt einer Legenede: Gerhard Zimmer is back!
Conor Niland hat das Erstrundenspiel des mit 125.000 Dollar dotierten Challengers in Braunschweig gegen Thomas Muster klar mit 6:2, 6:1 gewonnen. Der 42-jährige Steirer hielt mit dem 28-jährigen Iren, immerhin Nummer 165 der Welt, phasenweise beachtlich gut mit, hatte aber letztlich nicht den Funken einer Chance auf den Aufstieg in die zweite Runde.
Tennis-Fans, die das Match im Livestream via Internet verfolgten, erlebten allerdings ein zweites, für Insider mindestens ebenso bemerkenswertes Comeback: Gerhard Zimmer, langjährige ORF-Reporterlegende, kommentierte das Match in seiner unverkennlichen Art.
Zu Beginn wirkten Muster und Zimmer noch ein wenig eingerostet: Da zog Niland auf 2:0 davon, da versorgte Zimmer die User auch mit nur wenigen stilsicheren Formulierungen und glasklaren Analysen. Dann aber wurde dem Iren wohl ein wenig der Arm schwer: Viele leichte Fehler führten zum Rebreak zum 1:2, und prompt sandte Gerhard Zimmer einen euphorischen Gruß nach Südafrika: „Anschlusstreffer von Thomas Muster zum 1:2!“ jubelte die ORF-Legende.
Muster traf sogar zum 2:2-Ausgleich. Und zwar quasi per Fallrückzieher in der 29. Spielminute, denn bis dahin prägten lange Ballwechsel und ausführliche Einstand-Vorteil-Duelle das Spielgeschehen. Danach allerdings ging's schnell. Jedoch auf dem Scoreboard etwas schneller als auf dem Spielfeld: Thomas Muster hielt sich an die auf tennisnet.com von Andreas Haider-Maurer vorgegebene taktische Marschroute, massierte mit langsamen Bällen Nilands Rückhand. Muster konnte auch von der Grundlinie überraschend gut mithalten, war aber chancenlos, sobald er in die Defensive geriet, viel laufen musste.
Ein Stop von Niland war „ein erster Test für die Schnelligkeit von Muster!“ Der zwar auf den ersten Blick nicht ganz bestanden wurde, aber Zimmer behielt die Zuversicht: „An der Fitness scheint es nicht zu scheitern!“ 2:3.
In diese Zuversicht jedoch mischten sich bald erste Zweifel. „Thomas Muster kann nicht seine Dominanz ausspielen wie zu seiner besten Zeit.“ 2:4. „Ich glaube, Muster hat sich bei seinem Comeback nicht vorstellen können, dass er so gehetzt wird, so hin und her geschickt wird, das ist er aus seiner großen Zeit nicht gewohnt.“
Zur Umstellung auf moderne Gegebenheiten im Welttennis blieb wenig Zeit. 2:5. Zimmer immer noch zuversichtlich: „Für den Aufstieg ins Achtelfinale bekäme Muster 1830 Euro ... also Geld kann nicht die Motivation für die Rückkehr auf die Tour sein.“ Aber die Spielstärke des Gegners von Muster ringt ihm Respekt ab: „Das Tempo der Nummer 165 im Computer ist schon ganz schön, ganz gewaltig!“
Relativ schnell das 2:6. „Der erste Satz ist vorbei. Der 28-Jährige aus Irland gewinnt gegen den 42-Jährigen aus Leibnitz. Man muss sagen, der Sieg ist verdient. Er hat keinen Respekt vor der ehemaligen Größe seines Gegners gezeigt. Er hat keinen Respekt vor den Schlägen von Thomas Muster gezeigt.“ Und die Analyse, wie gewohnt treffend: „Längere druckvollere Rallyes hat er nicht ausgehalten. Thomas Muster, der immer wieder von einer Ecke in die andere raste, hat den Kürzeren gezogen.“
Niland spielt nun deutlich lockerer, zieht das Tempo an, beherrscht Muster nach Belieben. 1:0 Niland, „zu schnell, zu schnell!“, Zimmer sorgt sich um seinen langjährigen Wegbegleiter, Muster fightet aber mit bewundernswertem Einsatz um jeden Ball, „bewundernswert, wie er sich noch immer hineintigert!“ Zwischendurch produziert der 42-jährige Steirer auch einen Vorhand-Winner – „großartig!, groß-ar-tig!“, und Zimmer, aufblühend, analysiert – und damit hat er völlig Recht: „Also eines muss man jetzt schon sagen: Ganz egal, wie das ausgeht, blamieren tut er sich nicht!“
In der Wechselpause bei 6:2, 2:1, als Nilands Sieg bereits relativ konkrete Formen annimmt, stellt Zimmer das Turnier vor: „Der Matador in Braunschweig ist Oscar Hernandez. Er hat dieses Turnier dreimal gewonnen ... 2003, 2007 und 1909.“ Pause. 1909? „Ach nein, 2009 ... aber diese Jahrhundertverwechslung kann passieren, wenn man sich bei diesem Spiel in den Bereichen 1980, 1990 bewegt.“ Ja, dieser Satz zeigt: Gerhard Zimmer ist endgültig wieder in den Herzen der österreichischen Tennisfans angekommen.
Beim Game zum 4:1 zeigen sich auch bei Zimmer schon erste Zeichen der Resignation: „Ich glaube, Muster hat nur dann eine Chance, dem Spiel eine Wendung zu geben, wenn Conor Niland etwas nachlässt.“ Pause. Punkt Niland. „Er tut das bisher nicht.“ Pause. „Deshalb steht es 40:0 und 3:1.“
Das Spiel verläuft nun immer einseitiger. Niland punktet beinahe nach Belieben, die Games dauern immer kürzer. Muster, der zu Beginn des zweiten Satzes einige lange, harte Rallyes zu bestehen hatte, macht nun doch schon einen etwas matteren Eindruck. Dennoch hält er sich tapfer, bemüht sich, rackert – und ist auch nach über einer Stunde Spielzeit noch in der Lage, das Tempo von Niland mitzuspielen … solange dieser Muster nicht zu sehr laufen lässt.
Das Comeback von Thomas Muster ist nach einer viel besseren Vorstellung als von vielen Experten erwartet nach 84 Minuten und dem Ergebnis von 2:6 und 1:6 zu Ende. Ob eine Fortsetzung folgt, ist fraglich, spielt aber auch keine wesentliche Rolle. Denn Gerhard Zimmer, dessen Comeback vor dem Mikrofon in vielen österreichischen Tennisfans nostalgische Gefühle geweckt hat, findet auch zum Abschluss die richtigen Worte: „Er bleibt ein Hero, der French-Open-Sieger von 1995!“
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