Zwischen Moto-Taxis und Chefsesseln: Tennis in Kigali
Eine zehnstündige Flugreise nach Afrika kurz vor dem Start der europäischen Sandplatzsaison? Nicht unbedingt jedermanns Sache. Doch die Spieler und Medienvertreter, die sich darauf eingelassen haben, bereuten es wohl keine Sekunde. Die Resonanz vor Ort war durchweg positiv.
von Florian Heer aus Kigali
zuletzt bearbeitet:
08.03.2025, 07:09 Uhr

Professionelle Tennisturniere in der Sub-Sahara-Region sind eine Seltenheit – und genau das macht sie so besonders. Kigali, und wohl Ruanda generell, eignet sich dabei perfekt als Einstieg für Neulinge in Zentralafrika. Natürlich gibt es aber Unterschiede im Vergleich zu Europa.
Der IPRC Kicukiro Ecology Tennis Club, Austragungsort des Rwanda Challengers, liegt auf einem weitläufigen Universitätsgelände im Norden Kigalis. Die Anreise aus dem Stadtzentrum? Ein Abenteuer für sich! Wer sich auf ein sogenanntes Boda Boda wagt – ein kleines Motorrad, das als günstiges Taxi dient – erlebt das pure Stadtleben: Laptop unter dem Arm, Helm vom Fahrer in die Hand gedrückt, und schon geht’s los. Die Verkehrsregeln? Sagen wir mal: Wer das größere Fahrzeug hat, hat Vorfahrt! Was jedoch durchweg respektiert wird: Zebrastreifen, was zum ein oder anderen abrupt artigen Abbremsen seitens des Fahrers führt.
Auf dem Turniergelände angekommen, fühlt sich vieles schnell vertraut an. Das ATP-Challenger-Tour-Logo, die typische Sandplatz-Atmosphäre in Verbindung mit Marketingaktivitäten, in unserem Fall mit der omnipräsenten "Visit Rwanda!“- Werbung. Der Center Court, flankiert von einer Tribüne, bietet dabei die wohl bequemsten Sitze der gesamten Challenger-Tour – echte Chefsessel unter einem schattenspendenden Dach. Trotz freiem Eintritt waren die Zuschauerzahlen unter der Woche überschaubar, doch die, die kamen, genossen die Matches in angenehm entspannter Atmosphäre.
Vor dem Betreten der Tennisanlage musste jedoch einige Dinge beachtet werden. So wurde meine Kamera erst einmal von Spürhunden überprüft – eine Premiere für mich! Das Sicherheitsthema scheint allgegenwärtig: Schwerbewaffnete Polizisten postierten sich an mehreren Ecken des Tennisgeländes. Ob das nötig war? Schwer zu sagen. Fakt ist: Kigali machte auf mich einen extrem sauberen und sicheren Eindruck.
Mein persönlicher Lieblingsplatz auf der Anlage befand sich etwas abseits der Tennisplätze: eine kleine Lodge unter Bäumen, mit einer gemütlichen Bar und einladenden Sitzgelegenheiten. Und überall präsent: der Gorilla – ob als Kaffeemarke, auf Bierflaschen oder in Form von Statuen. Seit dem Filmklassiker “Gorillas im Nebel” sind die majestätischen Tiere weit über ihre Heimat im Virunga-Massiv hinaus bekannt geworden.
Safari & Geschichte: Ruandas Kontraste hautnah erleben
Ruanda ist nicht nur das “Land der tausend Hügel”, sondern auch eine Safari-Destination. Der Akagera-Nationalpark, gelegen im Osten des Landes, bietet mit seinen Savannen und Seen eine spektakuläre Kulisse für die “Big Five” – Löwen, Elefanten, Leoparden, Büffel und Nashörner. Auch einige Spieler nutzten die Chance, um auf einer Tagestour wilde Tiere in freier Natur zu erleben – ein Kontrastprogramm zum Turnieralltag auf dem Sandplatz.
Doch so beeindruckend die Natur Ruandas ist, so unausweichlich ist auch seine Vergangenheit. Der Völkermord von 1994 hat tiefe Wunden hinterlassen, und seine Erinnerung ist in Kigali allgegenwärtig. Die Kigali Genocide Memorial Site ist ein Ort des Gedenkens und der Mahnung, an dem Besucher innehalten, um der Hunderttausenden Opfer zu gedenken. Trotz dieser schmerzhaften Geschichte hat sich Ruanda in den vergangenen Jahrzehnten bemerkenswert entwickelt – ein Land, das heute als aufstrebendes, modernes und sicheres Reiseziel gilt. Doch die Vergangenheit bleibt ein unauslöschlicher Teil der kollektiven Identität.
Ein Turnier, das mehr bietet als Tennis
Das Rwanda Challenger in Kigali ist nicht einfach nur ein Tennisturnier – es ist zumindest zum Teil eine Reise in eine andere Welt. Eine Mischung aus sportlicher Herausforderung, kulturellen Erlebnissen und atemberaubender Natur macht diesen Stopp auf der ATP-Challenger-Tour zu etwas ganz Besonderem. Wer sich als Spieler auf das Abenteuer einlässt, nimmt nicht nur Punkte und Preisgeld, sondern auch unvergessliche Eindrücke mit nach Hause. Letzteres gilt auch für die Besucher.
Hier das Einzel-Tableau aus Kigali