Alexander Zverev bei den ATP Finals: Zerrissener Auftritt in einer schwierigen Zeit

Alexander Zverev hat bei den ATP Finals in London einen schlechten Start erwischt. Auch das Thema um die Gewaltvorwürfe seiner Ex-Freundin Olga Sharypova begleiten ihn weiterhin, viele Fragen hierzu bleiben offen.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 17.11.2020, 12:57 Uhr

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Alexander Zverev
© Getty Images
Alexander Zverev

Es waren nur ein paar Minuten nach seinem zerrissenen WM-Start verstrichen, als sich der Verlierer des Abends irgendwo in den Weiten der Londoner O2-Arena auf einen Stuhl setzte und auf eine Videoleinwand blickte. 7 Minuten und 57 Sekunden dauerte danach die virtuelle Pressekonferenz mit dem geschlagenen Alexander Zverev, es ging um seinen mauen Auftritt beim 3:6, 3:6-Fehlstart gegen Daniil Medvedev, es ging um Doppelfehler, die Perspektiven für das weitere Turnier, es ging um die nächste Partie gegen den Argentinier Diego Schwartzman am Mittwochnachmittag.

Bevor der Moderator das Frage-und-Antwort-Spiel beschloss, spekulierte man immer wieder insgeheim, ob auch noch das Thema angesprochen würde, das Zverev dieser Tage wie ein unsichtbarer Schatten folgt. Das Thema, das eigentlich immer da ist, auch wenn es nicht direkt angesprochen wird: Die Vorwürfe einer ehemaligen Freundin Zverevs, die ihn wegen häuslicher Gewalt und massiver Einschüchterung anklagt. Vielleicht wartete Zverev sogar selbst auf eine weitere Frage dazu, aber an diesem Abend kam nichts dazu zur Sprache. Zverev stand auf und ging. Er hatte es hinter sich, die Niederlage, den Pressetermin.

Zverev und das Thema Sharypova

Die Lage ist kompliziert für Zverev, auch wenn es zu den Paradoxien dieser Saison gehört, dass er sogar noch ein wenig davon profitiert, dass gegenwärtig in der Corona-Pandemie keine Zuschauer zu den großen Tennisturnieren zugelassen sind. Zverev hätte in London mit Missfallensbekundungen rechnen können in normalen Zeiten, schließlich hat sich allein schon im Kosmos der sozialen Medien eine starke Protestwelle gegen den Deutschen manifestiert. Beim Masters-Turnier in Paris erntete eine Online-Mitteilung über Zverev so heftige Reaktionen, dass Zverev fortan kaum noch erwähnt wurde bis zu seinem Finaleinzug. Auf Twitter kursierten Slogans mit dem Titel wie „ZverevVerbannen“ oder Solidaritätsbekundungen mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin Olga Sharypova.

Zverev kann dem Drama außerhalb des Courts nie wirklich und vollständig entkommen. Alles, was er dieser Tage tut und lässt, wird an dem Geschehen gemessen, das sich abseits des Sports abspielt. Man konnte das in Paris und in London nun klar beobachten: Gewann Zverev in Frankreichs Metropole, schwang ein Vorwurf in der Behauptung mit, er siege unbeeindruckt, kühl und emotionsfrei. Nach Niederlagen wie jetzt gegen Medvedev wurde und wird gemutmaßt, Zverev könne sich der Affäre Olga doch nicht entziehen und die Vorwürfe einfach mir nichts, dir nichts abschütteln.

Zverev hat die Anschuldigungen immer wieder vehement zurückgewiesen, aber seine eher kargen Statements haben ihm in der öffentlichen Wahrnehmung nicht viel geholfen. Dass er in London eine vorbereitete Erklärung von seinem Mobiltelefon ablas, war weniger ein Problem. Das Problem war, dass Zverev zwar allgemein und formalistisch den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe bestritt, aber beispielsweise nicht für sich erklärte, was das alles bedeuten könnte – welche Motive er etwa bei seiner ehemaligen Freundin vermutete. Denn eins ist klar, aus Zverevs Perspektive: Hält er seine Ex gemäß seiner Statements für eine Lügnerin, muss er ein Motiv vermuten.

Zverev in London: "Eins meiner schlechtesten Spiele seit Wiederbeginn"

In Paris hatte sich Zverev zum Turnierabschluss zur Aussage verstiegen, alles sei großartig in seinem Leben, unter der Maske könne er nur „lächeln“ über das Theater drumherum. Es war eine instinktlose Aussage, sie klang wenig überzeugend, eher verstockt und trotzig. Und sie fällt in schwachen Momenten dann auch selbstverständlich auf Zverev zurück, in Momenten wie dem verlorenen Auftaktspiel gegen Medvedev in der O2-Arena. Zverev startete zwar gut in diese Partie, sofort gelang ihm ein Break gegen den wendigen Russen. Aber im nächsten, dem ersten eigenen Servicespiel, meldete sich ein alter teuflischer Bekannter zurück: Der Doppelfehler, das Problem des unsicheren Aufschlags überhaupt. Sage und schreibe drei Doppelfehler reihte Zverev aneinander, statt einer 2:0-Führung hieß es 1:1.

Und wenig später, bei 3:2-Führung für Medvedev, besiegelten zwei weitere Doppelfehler Zverevs in Serie das vorentscheidende Break zum 2:4. „Nervös“ sei das Spiel ganz einfach gewesen, sagte Zverev, um dann zu ergänzen: „Wenn ich so spiele insgesamt, dann gewinne ich hier gar nichts mehr. Das war eins meiner schlechtesten Spiele seit dem Wiederbeginn der Tour.“ Tatsächlich ist die WM nun – jedenfalls auf den ersten Blick – ein Turnier wie jedes andere, der Gruppenmodus ist nicht mehr relevant, Zverev muss schlicht alles gewinnen, um noch Titelchancen zu haben. Aber nicht nur wegen der verwaisten Spielstätte im letzten Londoner WM-Jahr ist gerade alles anders für den Deutschen, der vor zwei Jahren zum jungen WM-Helden aufstieg. Ein Bild aus einer ganz fernen Vergangenheit, aus vielen Gründen.

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von Jörg Allmeroth

Dienstag
17.11.2020, 15:19 Uhr
zuletzt bearbeitet: 17.11.2020, 12:57 Uhr

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