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ATP Halle: Die Federers in der grünen Idylle

Roger Federer kämpft in Halle/Westfalen um seinen elften Titel beim Raseklassiker - und kann gemeinsam mit seiner Familie auch in Pandemie-Zeiten die Beschaulichkeit der deutschen Kleinstadt genießen.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 15.06.2021, 15:48 Uhr

Roger Federer beim ATP-500-Turnier in Halle
© Getty Images
Roger Federer schlug Ilya Ivashka in Runde eins in zwei Sätzen

Als Roger Federer am Montagnachmittag seine Erstrundenpartie in Halle eher wie ein Schwerarbeiter erfolgreich über die Ziellinie gebracht hatte, war noch einmal ein denkwürdiges Schlussbild auf dem Centre Court zu sehen. Federer gab unten auf dem Centre Court dem umtriebigen Stadionsprecher Björn Sassenroth das übliche Blitzinterview, und oben lauschten gebannt Ehefrau Mirka und die Zwillingsmädchen Myla und Charlene sowie die Zwillingsjungs Lenny und Leo dem prominentesten Gewinner des leicht verrückten Eröffnungstages. Der Papa parlierte mit dem üblichen Charme, der gewohnten Lässigkeit, und als das Gespräch dann vorüber war, gab es Applaus aus dem restlichen Haus Federer. „Sie sind halt meine größten Fans“, meinte Federer später, der Rekordchampion beim ATP-Spitzenwettbewerb in Ostwestfalen.

Federer ist es eigentlich gewöhnt, in Halle Federer-Festspiele zu bestreiten. Er ist der Rekordchampion, zehn Mal hat er das Turnier gewonnen, das die Familie Weber einst wie aus dem Nichts in die internationale Tenniswelt stampfte. Aber 2021 sind nur einige wenige Zuschauer zugelassen, Federers beifallsumrauschte Auftritte fallen aus, das Stadion ist kein Tollhaus, sondern ein Ort ziemlicher Stille. Es gibt auch nicht diese unglaublichen Bilder, wie der mittlerweile 39-jährige Schweizer noch lange, lange nach seinen Matches draußen vor den Büros der Turnierdirektion Hunderte Autogramme für Fans aus aller Welt schreibt. „Hier ist es besonders schmerzlich zu akzeptieren, wie Turniere im Moment noch stattfinden müssen“, sagt Federer, der vom Fahrdienst normalerweise vor die Haustür des nahen Spielerhotels chauffiert wird – auf einer Straße, die Roger-Federer-Allee heißt.

Ein Ausflug ins Grüne

Gegen seinen Erstrundengegner Ilya Ivashka aus Belarus waren die Federers – also alle außer Roger – die lautstärkste Zuschauergruppe in der fast verwaisten, in normalen Zeiten fast 13.000 Fans fassenden OWL-Arena. Mirka und die vier Kinder feierten die Punktgewinne des hart schuftenden Papas motivationsfördernd mit Applaus und „Bravo“- und „Allez“-Rufen. Federers Ehefrau, früher selbst einmal eine internationale Spitzenspielerin, hielt viele Szenen dieses Matchs per Smartphone fürs Familienalbum fest, beim Siegpunkt nach 94 Minuten sprang sie jubelnd vom Sitz hoch. Federers Familie liebt die Abgeschiedenheit in Halle seit jeher, dass sich die Abgeschiedenheit nun in diesem Jahr durch die strengen Pandemie-Auflagen noch einmal etwas verstärkt, ist nur auf den ersten Blick unwillkommen. Fakt ist: Man hat weitestgehend seine Ruhe, darf aber für den ein oder anderen Trip auch mal raus aus der nicht mehr so hermetischen Bubble. Es ist buchstäblich ein Ausflug ins Grüne, in die Idylle, in die Beschaulichkeit. Ohne Tennis beinahe Ferienatmosphäre.

Die Federers genießen die paar gemeinsamen Tage, bevor sich die Wege vor Wimbledon trennen. Die Auflagen rund um den Saison-Höhepunkt sind so hart, dass nur die allerengsten Vertrauten aus dem Team Federer in London dabei sein werden – für die Familie mache das „Ganze überhaupt keinen Sinn“, sagt der Maestro, „schon wegen der neuerlichen Quarantäne.“ In Halle will Federer sportlich in Schwung kommen, die Partie gegen Ivashka war die erste auf Rasen seit dem verlorenen Wimbledon-Finale 2019 gegen Novak Djokovic – im erstmals gespielten Tiebreak des fünften Satzes (Endergebnis 12:13). „Zwei Jahre – eine kleine Ewigkeit“, sagt Federer, „ich bin so froh, wieder auf Rasen zu sein. Da gehst du automatisch mit einem anderen Gefühl durch die Welt.“

Federer führt Selbstgespräche

Sein 76. Spiel in Halle war zugleich das 215. auf Rasen und das 1520. in seiner Karriere. Es war aller Wahrscheinlichkeit nach auch eins der seltsamsten, erinnerungswürdig aus vielen, leider auch falschen Gründen. Im zwangsweise ziemlich menschenleeren Stadion waren Federers Selbstgespräche zu vernehmen, und auch sein Ärger über Netzbälle und Entschuldigungsgesten von Gegner Ivashka hinterher. „Sag das bloß nicht noch mal, das Sorry“, grantelte Federer einmal zum Russen herüber. Selbst Federers Kinder fragten danach die Mutter etwas aufgeregt, ob etwas nicht in Ordnung sei – es war sichtbar, für manche auch hörbar.

Die Konkurrenz in Halle ist so stark wie nie im Jahr 2021. Für jeden, der spielt. Auch für Federer. Trotzdem will er alles geben, um den großen Pokalpott wieder in die Hände zu bekommen. Auf Rasen, zumal in Halle, ist er ein grüner Nimmersatt. „Es wäre fantastisch, noch einmal zu gewinnen“, sagt er, „wenn nur die Fans auch dabei sein könnten.“ 

Das Einzel-Tableau in Halle

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von Jörg Allmeroth

Dienstag
15.06.2021, 15:50 Uhr
zuletzt bearbeitet: 15.06.2021, 15:48 Uhr

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