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Nach Twitter-Kontrovserse: Sandgren attackiert Medien

Tennys Sandgren hat nach seinem Viertelfinal-K.o. bei den Australian Open gegen den Südkoreaner Hyeon Chung (4:6, 6:7, 3:6) die Medien attackiert. "Ihr entmenschlicht mit Stift und Papier", warf der Amerikaner den Journalisten in einer denkwürdigen Pressekonferenz vor.

von Ulrike Weinrich
zuletzt bearbeitet: 24.01.2018, 15:20 Uhr

Tennys Sandgren

Von Ulrike Weinrich aus Melbourne

Tennys Sandgren kam mit ernster Miene in den fensterlosen Pressekonferenzraum mit den imposanten Videoleinwänden. Doch über Tennis wollte der Amerikaner nach seinem Viertelfinal-Ausscheiden bei den Australian Open erst einmal nicht sprechen. Schon eher über Tennys, der seiner Meinung nach so ganz anders ist, als viele ihn sehen. Also zückte er sein Smartphone und begann mit der Medienschelte. "Mit einer Handvoll Follower und einigen Likes auf Twitter ist in euren Köpfen mein Schicksal besiegelt", las Sandgren vom Display ab.

Der 26-Jährige musste sich sichtlich konzentrieren und wirkte nervös. Ganz anders noch als in den Tagen zuvor bei seinen tollen Siegen gegen den früheren Melbourne-Champion Stan Wawrinka (Schweiz/Nr. 9) oder den Österreicher Dominic Thiem (Nr. 5). Sandgren, ein bekennender Christ aus dem US-Bundesstaat Tennessee, warf den erstaunten Journalisten vor: "Ihr wollt lieber Propaganda-Maschinen, anstatt Informationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Perspektiven zu erforschen."

"Ich werde Christus antworten - und nur ihm"

Oder auch: "Ihr entmenschlicht mit Stift und Papier und hetzt Nachbar gegen Nachbar auf. Wenn ihr das macht, merkt ihr bald, wie ihr die Hölle beschleunigt, die ihr nicht wollt - und die wir alle vermeiden wollen." Der Weltranglisten-97. beteuerte zum Schluss seiner abgelesenen Stellungnahme: "Ich will der Beste werden, der ich sein kann und die Liebe verkörpern, die Christus für mich hat. Ihm werde ich antworten - und nur ihm." Nach dem mehrminütigen Monolog ließ Sandgren nur noch sportliche Fragen zu.

Nach seinen überraschenden Erfolgen im Melbourne Park waren sämtliche Aktivitäten des stämmigen College-Spielers unter die Lupe genommen worden. Natürlich auch sein Twitter-Profil. Sandgren folgt zum Beispiel seinem Landsmann Nicholas Fuentes, einem nachgewiesenen Nationalisten. Dieser war einst für einen Podcast namens "America First" verantwortlich.

Melbourne-Durchmarsch von Sandgren beeindruckend

Der bekennende Donald-Trump-Anhänger Sandgren wollte sich aber schon nach dem Coup gegen Thiem nicht in die rechte Ecke drängen lassen und betonte bei der Pressekonferenz am Montag: "Wem man bei Twitter folgt, spielt doch gar keine Rolle. Die Dinge, die du siehst, bestimmen nicht, was du denkst oder glaubst. Das ist doch verrückt, so etwas anzunehmen." Den Vorwurf, dass er mit dem radikalen rechten Spektrum sympathisiere, wollte er allerdings nur ansatzweise entkräften. Zwar erklärte Sandgren, dass er kein Unterstützer der sogenannten Alt-Right-Bewegung sei, aber er meinte auch: "Ich finde einige Inhalte interessant." Viel wichtiger sei aber, dass er ein "strenggläubiger Christ" sei und Christus folge.

Rein sportlich betrachtet ist der Durchmarsch von Sandgren beim Happy Slam beeindruckend. Bei 13 Versuchen war er in der Qualifikation für ein Major-Turnier gescheitert. Ins Hauptfeld der French Open und US Open 2017 schaffte es "Sang", so der Spitzname des passionierten Videospielers, nur mit Wildcards. Nach seinem ersten Sieg bei einem Grand Slam überhaupt schaltete der Melbourne-Debütant in der zweiten Runde Wawrinka aus. Der Schweizer war nach einer Knie-OP allerdings noch nicht wieder der alte "Stan, the Man".

Seine Glückssträhne Down Under bezeichnete die "Tennys-Überraschung", dessen schwedischer Urgroßvater schon diesen Vornamen trug, als "pretty cool". 2014 war Sandgrens Karriere wegen einer Hüft-Verletzung noch stark gefährdet. Knapp vier Jahre später glückte dem Amerikaner jetzt der Durchbruch auf der ganz großen Bühne - mit all seinen Begleiterscheinungen...!!!

von Ulrike Weinrich

Mittwoch
24.01.2018, 15:20 Uhr