Carlos Boluda: Der „neue Nadal“ hängt den Schläger an den Nagel

Carlos Boluda galt in Spanien einst als "next big thing", der Durchbruch blieb ihm jedoch verwehrt. Wieso? Und warum hat Youngster Carlos Alcaraz aus seiner Sicht gute Chancen, es besser zu machen als er?

von Florian Heer
zuletzt bearbeitet: 11.01.2021, 12:15 Uhr

Carlos Boluda
© Florian Heer
Carlos Boluda

August vergangenen Jahres. Der Tenniszirkus hatte nach der Corona-Zwangspause gerade wieder Fahrt aufgenommen, die ersten Turniere in Italien fanden bei besten äußeren Bedingungen statt. In Triest gewann der Spanier Carlos Alcaraz im Alter von 17 Jahren und drei Monaten seinen ersten Titel auf der ATP-Challenger-Tour. Von allen Seiten prasselten die Lobeshymnen auf den Teenager ein. Vergleiche mit Rafael Nadal lagen nahe. Nur der 20-fache Grand-Slam-Sieger war als Spieler der Iberischen Halbinsel noch jünger, als er seinen ersten Challenger Triumph feiern konnte. Im Verlaufe der Saison gewann Alcaraz noch zwei weitere Titel und wurde von der ATP als Newcomer des Jahres geadelt.

Eine ähnliche steile Karriere war Carlos Boluda vorhergesagt. In Deutschland weitestgehend unbekannt, wurde dem talentierten Rechtshänder nicht selten von den spanischen Medien das Prädikat „neuer Nadal“ verliehen. Zahlreiche Erfolge im Jugendalter führten zu dieser fragwürdigen Auszeichnung. Mit nur 27 Jahren hat der Spanier nun beschlossen, nach einem Jahrzehnt, in dem er einem Traum nachjagte, seinen Schläger an den Nagel zu hängen. Als Kind voller Illusionen musste der erwachsene Boluda eine Welt entdecken, die ganz anders war als die, von der er geträumt hatte.

In einem Interview mit der spanischen Tennis-Website Punto de Break verriet er, dass die Entscheidung vor anderthalb Monaten gefallen sei. „Zweifel hatte ich schon seit längerem und habe es vor mir hergeschleppt. Jetzt fühlt es sich wie eine Befreiung an“, erklärte Boluda. „Spanien ist ein Land, in dem ein Sportler, wenn er erfolgreich ist, sehr viel Aufmerksamkeit erfährt. Sie hätten mich sonst mit einem anderen verglichen. Vielleicht hätte ich weniger Druck verspürt, aber ich glaube nicht, dass es etwas geändert hätte. Was meine Karriere am meisten beeinflusste, waren schlecht getroffene Entscheidungen. Ich denke, am Ende wäre ich auf andere Weise unter Druck gesetzt worden.“

Titelgewinne und Sorgen auf dem ITF-Pro-Circuit

Der Mann aus Alicante konnte den Ansprüchen, die insbesondere von außen an ihn herangetragen wurden, nicht gerecht werden. Am Ende stehen neun Titelgewinne im Einzel auf dem ITF-Pro-Circuit auf der Habenseite. Sich auf den höheren Turnierserien zu etablieren, blieb Boluda allerdings verwehrt. Seine höchste Platzierung erzielte er mit Platz 254 in der ATP-Weltrangliste im März 2018. Dies ist auch einer der Gründe für das frühe Karriereende.

„Mein Ziel war es, auf der Challenger-Tour unterwegs zu sein, um mich wie ein Tennisspieler zu fühlen. Die Welt der Futures wird immer schlimmer, sie behandeln dich immer schlechter. Du fühlst dich nicht wie ein Tennisspieler, du fühlst dich wie Dreck. Wenn du in den Top 100 stehst, ist alles wunderbar, aber nicht alle finden den Weg dorthin“, stellt Boluda fest und ergänzt: „Körperlich fühle ich mich bestens und auch mein Tennis ist auf einem sehr guten Niveau. Vielleicht treffe ich den Ball sauberer als je zuvor, aber wenn diese mentale Stärke verloren geht, ist es das Ende.“

Auch menschliche und finanzielle Aspekte haben zu seinem Entschluss geführt. „Jedes Jahr, das in meiner Tenniskarriere verging, hatte ich eine Person weniger an meiner Seite. Ich war immer sehr aufrichtig. Bei Fragen hatte ich immer ein offenes Ohr. Nun, diese Unterstützung habe ich selbst in den letzten Jahren nirgendwo erfahren. Meine Familie war da und hat mir sehr geholfen, aber sie kommt nicht aus dem Tennissport und kann mich nicht in diesem Sinne führen. Zudem habe ich mein ganzes Leben lang Geld in Tennis investiert. Ich denke, das ist auch eine Voraussetzung, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem es sich nicht mehr auszahlt. Mein Herz sagt mir weiter Tennis zu spielen, aber die Brieftasche sieht das anders.“

Boluda nun als Coach unterwegs

Dem Tennissport will der Iberer jedoch weiter erhalten bleiben. Ab dieser Saison wird Boluda die spanische Profi-Spielerin Nuria Parrizas als Coach betreuen. Diese rangiert auf Platz 233 der WTA-Rangliste. Beim letzten ITF-Turnier des Jahres in Monastir, Tunesien, konnte das Tandem bereits ihren ersten gemeinsamen Titel gewinnen. Auch privat sind die beiden ein Paar.

„Sie war bisher immer allein auf der Tour unterwegs. Deshalb habe ich beschlossen, sie zu unterstützen. Sie vertraut mir. Vorher konnte ich ihr nicht viel helfen, da ich selbst aktiv war. Jetzt ist es mir möglich, also gibt es keine Zeit zu verlieren“, freut sich Boluda auf die neue Aufgabe.

Spaniens „Next big thing”?

Und was ist mit Alcaraz? Wird er der „neue Nadal“ werden? Die Wege der beiden Talente haben sich in der Vergangenheit bereits gekreuzt.

„So schnell wird es keinen „neuen Nadal“ geben“, stellt Boluda klar. Anhand einer Anekdote erklärt er jedoch das Besondere an Spaniens nächster Nachwuchshoffnung. „Alcaraz hat mit Juan Carlos Ferrero an der Spitze ein hervorragendes Umfeld. 2018 konnte ich mit ihm das erste Mal sprechen, als wir beide an der Akademie trainierten. Er war 15 Jahre alt, aber man konnte seine Klasse bereits erkennen. In dieser Woche verlor er in der zweiten Runde eines ITF-Junior-Events, welches dort ausgetragen wurde. Nach seinem Match traf ich ihn in der Umkleidekabine und fragte ihn: "Wie geht es Carlos? Heute lief es nicht so gut." Seine Antwort lautete wie folgt: „Ich habe letzte Woche nicht sehr gut trainiert und ich habe mich heute nicht gut gefühlt. Aber nichts ist passiert, wir müssen lernen und weitermachen.“

Mir wurde klar, dass dieser Junge eine Mentalität hatte, über die nur wenig Spieler verfügen. Mit 15 Jahren war eine Niederlage für mich ein Drama, vielleicht hätte ich drei Tage gebraucht, um wieder zum Training zurückzukehren und das verlorene Match zu vergessen. In den ersten Stunden nach einer Niederlage konnte man nicht einmal mit mir sprechen. Dieser Junge hat etwas Besonderes und jetzt, da einige Jahre vergangen sind, wurde dies bestätigt. Er ist ein Junge, der aus Niederlagen lernt und dann stärker zurückkommt, das ist eine sehr große Tugend. Er ist mental unglaublich stark.“

von Florian Heer

Montag
11.01.2021, 14:50 Uhr
zuletzt bearbeitet: 11.01.2021, 12:15 Uhr