Glück im Tennis: Kann der Zufall Matches entscheiden?

Immer Glück ist Können”, sagte einst der legendäre Fußballtrainer Hermann Gerland. Doch während es sich beim Fußball um eine Low-Scoring-Sportart handelt, wo also wenige Ereignisse das Match komplett kippen können, sieht es beim Tennis anders aus.

von Redaktion
zuletzt bearbeitet: 28.09.2023, 08:35 Uhr

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Natürlich kennt jeder Spieler und auch Fan das Momentum, das auf die eine oder andere Seite umschlägt, wenn ein kritischer Punkt gewonnen wurde. Manchmal kann auch das Glück dabei eine Rolle spielen, denn wie sollte man einen Netzroller beim Breakball sonst bezeichnen?

Alle, die manchmal Tenniswetten online abgeben, haben mit Sicherheit schon mal die Entwicklung der Quoten verfolgt und dabei festgestellt, wie stark sie sich im Spielverlauf ändern können. Ein unerwartetes Break mischt die Karten neu und wenn der Favorit erst mal einen Satz in Führung liegt, sind die Siegchancen nahe bei 100 %.

In diesem Beitrag schauen wir etwas hinter die Fassade und erklären, wie viel der Faktor Glück in einem Tennismatch ausmachen kann, warum die Wahrscheinlichkeitsrechnung mehr Aufschluss gibt und welche weitere Besonderheit des Tennissports eine Rolle spielen könnte.

Der Underdog gewinnt im Tennis eher selten

Es gibt unzählige Faktoren, die den Ausgang eines Tennismatches beeinflussen können. Die Tagesform und allgemein der körperliche Zustand spielen hier natürlich eine Rolle. Allerdings gibt es Begegnungen, bei denen sich die Experten, Fans und auch die Sportwetten-Anbieter schon vor Beginn mehr oder weniger einig sind, wer als Sieger vom Platz gehen müsste.

In der ersten Runde des Hauptfeldes eines Grand Slams kann es schon mal vorkommen, dass die Top 10 der Welt auf Spieler jenseits der Top 100 treffen. Schaut man sich dazu die Quoten der Buchmacher an, wird man feststellen, dass selten mehr als 1,05 geboten wird. Hieraus kann man auf die Wahrscheinlichkeit des Sieges schließen.

Denn: 1/1,05 = ca. 95 %. Die Chance dafür, dass der Favorit seiner Rolle gerecht wird, liegt nach Meinung der Statistiker also bei knapp 95 %. Wenn man jetzt bedenkt, dass die meisten Top-Profis auch nur eine Siegquote von knapp 60 % haben, kann man einschätzen, wie unwahrscheinlich ein Sieg des auf dem Papier schwächeren Spielers wäre.

Es hilft auch nur begrenzt, wenn man sich eine besondere Taktik gegen den besseren Spieler zurechtlegt, denn anders als beim Fußball, wo sich das unterlegene Team tief in die eigene Hälfte zurückziehen kann, muss man sich als Tennisspieler jeden Punkt verdienen und kann nur darauf hoffen, sich in einen Rausch zu spielen. Am Tag selbst gewinnt praktisch immer der Spieler, der heute auch wirklich besser ist.

Reichen ein paar Glücksschläge aus, um ein Match zu entscheiden?

Besonders im Freizeitbereich wird nach einem Match oft analysiert, dass der Gegner einfach Glück hatte, wenn das Spiel nicht so ausgegangen ist, wie man es sich erhofft hat. In den seltensten Fällen mag das stimmen, denn einige Spieler, aber auch Fans, die ein Profi-Match anschauen, halten sich an den offensichtlichen Situationen fest.

Wenn einem Spieler ein Netzroller gelingt oder ein Platzfehler dafür sorgt, dass der Ball unkontrolliert wegspringt, fällt das direkt auf. Geschieht dies auch noch in einer kritischen Phase, kann der Einfluss eines glücklichen gewonnenen Punktes durchaus ein Faktor sein.

In einem anderen Artikel haben wir bereits erwähnt, dass selbst die besten Tennisspieler nur etwa 47 % ihrer Punkte gewinnen. Selbst bei einem eindeutigen 6:2 6:2 passiert es selten, dass der siegreiche Spieler mehr als 60 % der Punkte für sich entscheidet. Insofern könnte man schon vermuten, dass das Glück gewisse Partien entscheiden kann, oder?

Ganz so einfach ist es aber nicht, denn viele Spieler scheinen eine Art Wahrnehmungsfilter zu haben, was das Glück im Tennis angeht, der mit der Attributionstheorie erklärt werden kann. Das bedeutet: Gewonnene Punkte werden als Können abgestempelt, während enge Bälle des Gegners dem Zufall zugeschrieben werden. Auf diese Weise verzerrt sich das Bild, sodass manch einer den Eindruck hat, er habe das Match nur wegen seines Pechs verloren. Dass dem unterlegenen Spieler im Matchverlauf auch einige knappe Winner gelungen sind, die mindestens genauso glücklich waren, hat er “vergessen”.

Die Tennisregeln können für ein kurioses Szenario sorgen

Im Tennis gewinnt nicht automatisch der Spieler, der die meisten Punkte macht. Klingt kurios, aber wenn man einmal darüber nachdenkt, ist es ganz logisch. Denn bei einem 1:6, 7:5, 7:6 ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass der später siegreiche Spieler im ersten Satz deutlich weniger Punkte und dafür in den Sätzen 2 und 3 nur minimal mehr Punkte als sein Gegner gemacht hat.

Selbst in einem gewonnenen Satz kann man mit weniger Punkten zum Erfolg kommen. Bringt man seine Aufschlagspiele konsequent zu 0 oder 15 durch und kratzt beim Gegner immer wieder am Break, hat man beim Zwischenstand von 5:6, wo vielleicht noch alles in der Reihe ist, schon ein paar Punkte mehr gewonnen.

Gelingt dann dem Gegner aber das überraschende Break, ist man auf einmal mit einem Satz im Rückstand, obwohl man eigentlich weniger Punkte verloren hat. Das kann passieren, auch wenn es natürlich nicht die Regel ist. Das kann man dann auch schon unglücklich nennen. Aber genauso muss man konstatieren, dass einzelne Punkte nicht direkt das Match entscheiden werden. Dafür gibt es im Laufe des Spiels einfach zu viele davon.

Fazit: Unglücklich verlorene Punkte gehören zum Matchplan dazu

Egal, ob ein Netzroller oder ein Windstoß, der den Ball ins Aus trägt – so etwas gehört zum Tennis dazu und wird sich im Laufe eines Matches, wo etliche Punkte ausgespielt werden, in irgendeiner Form mit Sicherheit wieder ausgleichen.

Natürlich ist nicht garantiert, dass man auch nochmal einen Netzroller bekommt, wenn der Gegner einen gespielt hat. Aber vielleicht muss der Gegner nochmal mit unangenehmem Wind aufschlagen oder sein Gegner spekuliert zweimal auf die richtige Ecke beim Angriffsschlag – es gibt nämlich mehr als nur eine Art des Glücks im Tennis.

Treffen zwei Spieler mit einem ähnlichen Niveau aufeinander, kann natürlich auch mal das Glück entscheiden. Doch rein statistisch betrachtet gehört das einfach zum Match dazu und muss nicht mit langen Überlegungen einhergehen, ob man der geborene Pechvogel oder Glückspilz ist. In der Regel bekommt man ja noch eine Chance, um sich wieder ins Match zurück zu kämpfen.

von Redaktion

Mittwoch
27.09.2023, 17:35 Uhr
zuletzt bearbeitet: 28.09.2023, 08:35 Uhr