Jan de Witt - „Dominic Thiem ist eine spannende Geschichte"

Jan de Witt im tennisnet-Interview über die Saison von Nikoloz Basilashvili, das Comeback von Andy Murray und die Grand-Slam-Aussichten von Dominic Thiem.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 24.10.2019, 08:38 Uhr

Jan de Witt freut sich auf 2020
© Jürgen Hasenkopf
Jan de Witt freut sich auf 2020

Von Jens Huiber aus Wien

Jan de Witt kommt pünktlich zum verabredeten Frühstücks-Termin im Spielerhotel, der Trip nach Wien im Herbst 2019 hat nach nur einem Match seines Schützlings Nikoloz Basilashvili ein frühes Ende gefunden. Eine Reiseziel hat das Duo de Witt/Basilashvili noch vor sich, Paris-Bercy nämlich, danach geht es in den Urlaub. Die Vorbereitung auf 2020 wird zum Großteil an der Breakpoint Base in Halle/Westfalen stattfinden, die Ziele für das kommende Jahr sind hoch gesteckt.

tennisnet: Herr de Witt. Wie ist aus Ihrer Sicht das Jahr von Nikoloz Basilashvili zu bewerten?

Jan de Witt: Der Rückblick fällt sehr zweischneidig aus. Wenn ich emotional antworte, würde ich sagen: es war eine beschissene Saison. Wir haben das, was wir uns vorgenommen haben, nicht erreichen können. Weder in der Qualität noch in den Ergebnissen. Wenn wir all das umsetzen hätten können, was wir uns vorgenommen haben, wären wir näher an unsere Ziele herangekommen. Ob wir unsere ganz großen Ziele erreichen können, werden wir erst sehen, wenn wir über einen längeren Zeitraum konstant gearbeitet haben.

tennisnet: Diese Ziele sind?

de Witt: Wir denken da nicht so sehr an das Ranking, sondern vielmehr an die großen Turniere, die Grand Slams. Da wollen wir richtig gut sein. Aber das waren wir in diesem Jahr nicht. Dazu müsste man eben über einen längeren Zeitraum stabil und ohne Einschränkungen trainieren können. Wenn man das schafft, und Medvedev ist ein super Beispiel dafür in diesem Jahr, kann man unglaubliches Tennis spielen. Und das traue ich Niko auch zu. Aber 2019 haben wir das nicht geschafft. Und deshalb bin ich mit der Saison nicht zufrieden.

tennisnet: Andererseits?

de Witt: Andererseits kann man natürlich auch sagen: Wir haben so viele Probleme gehabt in diesem Jahr - und stehen dennoch plus-minus um die 20 in der Welt. Da muss man auch Respekt davor haben, was der Spieler in einer schwierigen Situation geleistet hat. Das ist auch nicht selbstverständlich.  Und das macht mich sehr zuversichtlich, dass wir 2020 noch viel gefährlicher sein können.

tennisnet: Gab es ein Match, das sie gerne noch einmal gespielt hätten?

de Witt: So etwas habe ich nicht. Ich bin jetzt kein Mensch, der vergebenen Gelegenheiten nachtrauert. Ich schaue eher nach vorne. Ich hätte gerne ein gesünderes Jahr 2020, ein stabileres mit weniger Schwankungen. Dann haben wir keinen Grund, irgendwelchen Matches nachzutrauern. Es war jetzt nicht so, dass es in diesem Jahr eine Partie gegeben hätte, bei der wir danach gesagt haben: Das war jetzt eine riesengroße Chance, und wir haben sie nicht genutzt. Wir haben einen Haufen Matches gehabt, in denen wir Scheiße gebaut haben und in denen wir nicht hätten verlieren müssen. Aber da ist nichts Herausragendes dabei.

Jan de Witt - "Auf Shanghai bereitet sich kein Schwein vor"

tennisnet: In Shanghai war Daniil Medvedev mit seinen 23 Jahren der älteste Spieler im Halbfinale. War das die Wachablösung, die wir alle schon länger erwarten?

de Witt: Wir müssen dafür natürlich auf die Slams warten. Weil die 1000er haben die Jungs letztes Jahr ja auch schon gewonnen. Das ist nix Neues. Khachanov, Zverev. Die Einordnung bei den Spielern ist so, dass die Slams wirklich das sind, was zählt. Und das sieht man in der Planung von gerade den alten Spielern. Und von denen ist keiner mehr in Form. So wie im letzten Jahr. Weil um eine besondere Leistung bringen zu können, müssen die sich schon richtig darauf vorbereiten. Auf Shanghai bereitet sich kein Schwein richtig vor. Da fliegen wir alle hin und holen das Maximum raus, was noch geht. Aber das ist kein Saisonhöhepunkt. Klar, jeder will gewinnen, wenn er auf dem Platz steht. Aber ein Federer oder Djokovic sind halt nicht dieselben, die wir normalerweise in Wimbledon sehen. Können sie auch nicht sein. Man kann nicht zehn Mal im Jahr so gut vorbereitet sein. Aber: Das, was Dani bei den US Open gezeigt hat, ist für mich ein Zeichen, das diese Wachablöse kommen wird. Und das bald. Nächstes Jahr wird das erste Jahr sein, in dem einer der Jungen einen Slam gewinnt. Da lege ich mich fest.

tennisnet: Zählt Dominic Thiem für Sie noch zu diesen jungen Spielern?

de Witt: Da gehört Dominic auf jeden Fall dazu, auch wenn er auf dem Papier nicht mehr so jung ist. Er gehört zu den Jungen, die noch keinen Slam gewonnen haben. In Paris hat er nach wie vor sicherlich seine größte Chance, auf Hartplatz spielt er inzwischen auch sehr, sehr ordentlich. Es haben sich in letzter Zeit ein paar Sachen verändert. Ich glaube, dass er schon noch davon lebt, dass Günter Bresnik ihn extrem gut ausgebildet hat. Man sieht immer noch, dass er technisch einer der besten Spieler auf der Tour ist. Es gibt für nichts Garantien. Und die Weiterentwicklung von Dominic Thiem ist eine der spannenden Geschichten im Tenniszirkus.

"Das weiß auch Andy Murray nicht"

tennisnet: Kein Junger mehr, aber: Andy Murray hat vergangene Woche in Antwerpen erstmals ein Einzel-Turnier nach seiner Hüftoperation gewonnen. Wie bewerten Sie sein Comeback?

de Witt: Ich persönlich finde es gut, weil Andy dem Tennis gut tut. Ich habe immer genossen, gegen Andy spielen zu dürfen. Es war immer eines der schwierigsten Matches, weil sich Andy wirklich mit dem Spiel beschäftigt. Es ist erstaunlich, dass man mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen diese Leistung überhaupt bringen kann. Und ich freue mich für ihn, weil ich weiß, wie sehr er das Spiel liebt. Andererseits: Wenn man die Bilder von seiner Hüfte gesehen hat, bin ich gespannt, wie lange das gut geht. Das weiß keiner, nicht Andy, nicht seine Ärzte.

tennisnet: Abschließend: Das deutsche Davis-Cup-Team wird ohne Alexander Zverev beim Finalturnier in Madrid antreten. Wie sähen Sie die Chancen von Struff, Kohlschreiber und Co.?

de Witt: Wenn Djokovic und Nadal da gesund auflaufen und ernsthaft spielen, dann wird das sehr schwer für alle anderen Teams. Ich neige dennoch eher dazu zu sagen, dass alles möglich ist, weil da kein Spieler gut vorbereitet antreten wird. Der Termin ist so bescheiden. Die da hingehen sind entweder platt oder kommen aus dem Urlaub. Und warum sollen unsere Jungs da nicht was gewinnen können? Ich halte das für möglich.

Verpasse keine News!
Aktiviere die Benachrichtigungen:
Thiem Dominic

von Jens Huiber

Donnerstag
24.10.2019, 11:23 Uhr
zuletzt bearbeitet: 24.10.2019, 08:38 Uhr

Verpasse keine News!
Aktiviere die Benachrichtigungen:
Thiem Dominic