Justin Engel im Interview: „Urlaub gab es noch nie - ich liebe Tennis!“

Deutschlands wohl größte Zukunftshoffnung Justin Engel hat sich in die Top 200 der ATP-Charts gespielt. Und dabei ist der Nürnberger gerade erst 18 Jahr alt geworden. Im Interview mit Tennisnet zieht der Teenager Bilanz über die letzten Monate, schwärmt vom Davis Cup und möchte einfach weiterspielen.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 02.10.2025, 14:28 Uhr

Justin Engel bei den BMW Open im Frühjahr 2025
© Jürgen Hasenkopf
Justin Engel bei den BMW Open im Frühjahr 2025

Philipp Kohlschreiber, da darf es keine zwei Meinungen geben, sieht dermaßen fit aus, dass ihm der sofortige Wiedereinstieg in die ATP-Tour jederzeit zuzutrauen ist. Wie er mit dem aktuellen Tempo zurecht käme, testet die langjährige deutsche Nummer eins seit ein paar Monaten mit einem jungen Mann, der gerade erstmals unter die besten 200 Spieler der Welt eingezogen ist: Justin Engel, seit dem gestrigen Mittwoch 18 Jahre alt. 

Engel nutzt die turnierfreien Wochen für Trainingseinheiten in der TennisBase Oberhaching, dem DTB Bundesstützpunkt und Leistungszentrum des Bayerischen Tennis-Verbandes. Kohlschreiber übernimmt die Übungsleitung - und noch viel mehr. Der Erfahrungsschatz des mittlerweile 41-jährigen, gebürtigen Augsburgers ist enorm. In jeder Hinsicht. Kohlschreiber deckt also die sportliche und taktische Flanke der Entwicklung von Justin Engel ab (gemeinsam mit dessen Vater Horst), für die mediale Seite hat sich Team Engel mit Stefan Hempel einen Mann ins Boot geholt, der seit Jahren für Sky die großen Tennisturniere als Kommentator begleitet. 

Kohlschreiber und Engel haben nach dem Tennistraining noch eine Einheit im Gym eingelegt, wenige Minuten später hat sich der Altmeister verabschiedet, Justin Engel indes nimmt sich Zeit für ein Gespräch. 

Tennisnet: Justin. Holger Rune hat in jungen Jahren zweimal die BMW Open gewonnen, konnte mit den Siegerautos aber nichts anfangen - weil er noch keinen Führerschein hatte. Wie sieht das bei Dir aus, jetzt, wo Du gerade 18 Jahre alt geworden bist?  

Justin Engel: Als Tennisspieler ist es schwierig, einen Führerschein zu machen. Ich lerne natürlich, ich versuche alles, aber ich habe leider bis jetzt noch keine Zeit gefunden. 

Tennisnet: An einem Geburtstag zieht man ja auch gerne Bilanz über das abgelaufene Jahr. Wie sieht Deine aus? 

Engel: Es war auf jeden Fall ein Traumjahr. Ich habe in Hamburg gegen Jan-Lennard Struff gewonnen, in der ersten Runde eines ATP-Tour-500-Turniers. Dann habe ich in Stuttgart mein Rasendebüt gehabt und auch gleich mal die erste Runde gegen James Duckworth gewonnen. Und dann auch noch gegen Alex Michelsen. Schließlich bin ich noch für den Davis Cup nominiert worden. Ja, also auf jeden Fall bis jetzt ein Mega-Jahr und ich kann es kaum erwarten, wie es nächstes Jahr wird. 

Tennisnet: Du hast ganz bewusst darauf verzichtet, bei den Junioren bei den Grand Slam anzutreten. Obwohl Du dort sicherlich beste Chancen gehabt hättest. Warum? 

Engel: Für mich war die Herrentour immer schon das Wichtigste. Also ich habe jetzt nie großen Wert darauf gelegt, bei den Junioren irgendwas groß zu reißen. Mein Ziel war immer, dass ich bei den Herren gut spiele, nicht bei den Junioren. Deswegen.war ich jetzt bei den ITF Junioren, bei den U18 nicht so erfolgreich, war nicht Top 30, Top 20. Ich habe einfach mein Ding weitergemacht, Fitness gemacht, einfach Positives gesehen und einfach Schritt für Schritt mich an das Herrentennis angepasst. Das lief bis jetzt gut und ich kann es kaum erwarten, weiter bei den Herren so mitzuspielen - und zu gewinnen. 

Tennisnet: Das ist in den letzten Monaten so gut gelungen, dass Du auf einem guten Weg bist, Dich für die NextGen Finals zu qualifizieren. Als erst zweiter Deutscher nach Alexander Zverev. War das von vornherein ein Ziel in diesem Jahr? 

Engel: Konkret habe ich mir dieses Ziel eigentlich nach dem Match gegen Struff gesetzt. Da habe ich mir gedacht, jetzt ist es möglich, weil es gab viele Punkte für das Match. 

Tennisnet: Wir neigen ja gerne dazu, gerade junge Spieler miteinander zu vergleichen. Wie weit ist etwa ein Fonseca, der ein bisschen älter ist als Du. Stellst Du auch Vergleiche an? 

Engel: Da schaue ich jetzt nicht so extrem drauf. Ich meine, jeder hat seine eigene Entwicklung, jeder hat sein eigenes Tempo, wie er sich entwickelt. Ich will einfach mein Bestes geben auf dem Platz. Ich will einfach der beste Tennisspieler sein, der ich sein kann. Und wenn es mal früher kommt, umso besser. Wenn es mal ein bisschen später kommt, auch nicht schlimm. Aber ich habe ein Ziel - und das ist die Nummer eins der Welt zu werden. 

Tennisnet: Dazu eine Beobachtung von den US Open vor ein paar Wochen. Da hast Du in der Quali verloren, danach mit ein paar deutschen Fans Selfies gemacht. Und einer davon hat mit dem Finger auf Dich gezeigt und gesagt: „Das ist die nächste Nummer eins der Welt“. Prallt so etwas einfach an Dir ab? 

Engel: Natürlich war ich erstmal ein bisschen down nach dem Match da, aber ich finde es toll, wenn Leute sowas zu mir sagen. Es gibt mir schon einen Push, es ist sehr motivierend und ich finde es auch schön, dass die Leute so positiv über mich denken. 

Tennisnet: Vor ein paar Tagen hast Du dein Debüt im deutschen Davis-Cup-Team gegeben. Wie würdest Du die Erfahrungen in Tokio zusammenfassen? 

Engel: Die Woche war unmenschlich. Wir waren so super als Team. Es hat so viel Spaß gemacht. Und das Match an sich, das war für mich total was Neues. Es war so laut, das habe ich noch nie so erlebt. Ich hatte davor noch keinen Davis Cup live angeschaut, sondern nur im Fernsehen. Und ich habe echt nicht gedacht, dass es so laut sein kann. Ich musste auch erstmal reinkommen, aber ich habe mich gut verhalten auf dem Platz. Zum Glück habe ich einen Punkt geholt für Deutschland. 

Tennisnet: Du hast in diesem Jahr viel Tennis gespielt, ein paar Turniere stehen noch an. Freust Du Dich schon auf die Off-Season? Planst Du einen Urlaub? 

Engel: Es ist schwierig für einen jungen Spieler wie mich eine richtige Off-Season zu machen, weil wir müssen Turniere spielen, wir müssen schauen, dass wir nach vorne kommen. Urlaub gab es noch nie. Ich liebe Tennis. Ich sehe es ja nicht als Job, sondern ich mache es sehr gerne.
 

von Jens Huiber

Donnerstag
02.10.2025, 13:45 Uhr
zuletzt bearbeitet: 02.10.2025, 14:28 Uhr