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Nadal ist der König von New York - Medvedev etabliert sich als Kronprinz

Nach seinem Fünf-Satz-Sieg in New York wurde sogar der große Kämpfer Rafael Nadal von Tränen geschüttelt. Verlierer Medvedev aber ist ein Mann der Zukunft.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 09.09.2019, 12:07 Uhr

Rafael Nadal
© Getty Images
Rafael Nadal

Und schließlich, nach einer wilden Achterbahnfahrt über vier Stunden und 51 Minuten und 341 Punkten, doch der 7:5, 6:3, 5:7, 4:6, 6:4-Sieg gegen den 23-jährigen Widersacher aus Moskau. „Es war eins der emotionalsten, schwersten Matches meines Lebens. Und einer der größten Siege“, sagte Nadal später, „das wird unvergesslich bleiben.“

Als man wenige Minuten nach dem verwandelten Matchball auf den großen Videoleinwänden die Highlights seiner Major-Karriere zeigte, eine Chronologie von nunmehr 19 Siegen, war es um die Beherrschung des Grand-Slam-Herrschers geschehen: Aufgewühlt vergrub er seinen Kopf in den Händen, senkte den Blick, wurde von Tränen geschüttelt. „Es war einfach zuviel. Ich zeige solche Gefühle nicht gern in der Öffentlichkeit“, sagte der Matador, abseits seiner Kampfzone Centre Court ein eher scheuer, zurückhaltender Vertreter. 

Mit seinem zweiten Grand-Slam-Sieg dieser Saison, dem siebten Major-Erfolg auf Hartplätzen oder Gras, rückte der 33-jährige Mallorquiner nun seinem ewigen Gegenspieler, dem befreundeten Schweizer Maestro Roger Federer, ganz dicht auf die Pelle. Federer, in dieser Saison ohne Grand Slam-Erfolg geblieben, verharrte bei seinen 20 Pokaltrophäen, während Nadal und Djokovic jeweils zweimal zuschlugen, Djokovic in Melbourne und Wimbledon, Nadal in Paris und in New York.

Die neue Hitliste lautete nun, Stichdatum 2019: Federer 20, Nadal 19, Djokovic 16. Und der Rest der Welt: Zunächst einmal Fehlanzeige, er musste weiter auf den ersten Sieg warten, Stan Wawrinka war immer noch der Letzte, der jenseits der Großen Drei gewann, 2016 in New York.

"Mein Herz auf dem Platz gelassen"

Aber so einfach, wie diese Geschichte auch nach den Offenen Amerikanischen Meisterschaften des Jahres 2019 klingen könnte, nämlich mit der fortgesetzten Dominanz der außergewöhnlichen Gentlemen – so einfach war es eben nicht. Denn mit Medvedev etablierte sich in diesem Sommer und beim letzten Grand Slam der Spielzeit ein veritabler Anwärter für zukünftige Großtaten.

Wie der Russe sich im Big Apple vom ausgepfiffenen Buhmann zum gefeierten Elitewettkämpfer wandelte, wie er seine Müdigkeit nach einem streßreichen Turniermarathon vor den US Open immer und immer wieder abschüttelte, und wie der dann bis zur absoluten Erschöpfung, gegen alle Zweifel und Selbstzweifel, eine faszinierende Aufholjagd gegen Nadal bot, dies alles katapultierte ihn nun auch in die Rolle des herausgehobenen Verfolgers des Führungstrios. „Ich habe mein Herz gezeigt hier draußen auf dem Platz“, sagte Medvedev am Sonntagabend unter stürmischem Jubel der Fans. Kein Zweifel: Er blieb trotz seiner Niederlage der Mann der Stunde, der Mann mit den meisten Siegen der Saison (50), der Mann auch, der wie kein anderer die Fantasie einer Wachablösung befeuerte, den Vormarsch jüngerer Profis zum Gipfel.

Nadal: "Daniil gehört die Zukunft"

Gern wird von den Hauptdarstellern eines großen Duells behauptet, sie hätten alles auf dem Platz gegeben und gelassen. Aber wann traf es wirklich mehr zu als in diesem 291-Minuten-Drama im Tollhaus New York – und vor allem auf einen Mann, den die breite Masse der Sportfans noch nicht wirklich kannte vor ein paar Monaten. Aber jener Daniil Medvedev spielte, kämpfte und rackerte auf Augenhöhe mit dem ultimativen Matchplayer Nadal, er ließ keinen Trick, keine Finte, keinen Schlag aus. Und er fing damit erst so richtig an, als er eigentlich schon geschlagen schien, mit zwei Sätzen und einem Break im Rückstand: „Ich hatte mir schon überlegt, was ich bei der Zeremonie sagen würde“, erklärte Medvedev später. Im fünften Satz, bei einer 1:0-Führung, war er sogar mit drei Breakbällen nahe dran, eine totale Kehrtwende festzuschreiben.

Aber Nadal wehrte die Attacke ab, noch einmal hier und jetzt, in einem fast symbolischen Akt. Aber auch er wusste, was die Stunde geschlagen hatte, in dieser Nacht, die auf den ersten Blick keinen Umschwung im Machtgefüge gebracht hatte. „Daniil gehört die Zukunft“, sprach der Champion. Vielleicht aber auch schon sehr bald die Gegenwart. 

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von Jörg Allmeroth

Montag
09.09.2019, 17:25 Uhr
zuletzt bearbeitet: 09.09.2019, 12:07 Uhr

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