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US Open: Das Phänomen Novak Djokovic - erklärt in zwei Spielen

Novak Djokovic war wieder mal unbezwingbar im Halbfinalmatch der US Open gegen Alexander Zverev, trotz der üblichen Aussetzer. Aber eben auch, weil er den Schalter immer wieder umlegen kann.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 11.09.2021, 10:11 Uhr

Novak Djokovic
© Getty Images
Novak Djokovic

Wer das Phänomen Novak Djokovic im Schnelldurchgang ergründen will, muss sich nicht mal das gesamte Halbfinale gegen Alexander Zverev wiederholungsweise anschauen. Zwei Spiele reichen./

Zverev und Djokovic hatten sich in der Nacht zum Samstag die ersten beiden Sätze ihres hochantizipierten Halbfinals fair geteilt, im dritten Satz lagen sie mit 2:2 gleichauf. Und plötzlich schien Djokovic mal wieder von der Rolle. Er tat, was er in solchen Fällen regelmäßig tut und was Zuschauer, Fans und Gegner gleichermaßen verwirrt: Djokovic spielt Serve-and-Volley, was nur selten gutgeht, und er versucht waghalsige Stopps aus absurden Situationen, was ebenso selten gutgeht. In diesem Falle saß sogar Eurosport-Kommentator und Ex-Djokovic-Coach Boris Becker dem falschen Alarm wieder mal auf: "Irgendwas hat er", grübelte Becker, ebenso wie Matthias Stach.

Djokovic aber hatte zunächst vor allem Glück, er rettete sich mit guten Aufschlägen, sonst hatte er offenbar nix, zumindest körperlich. Sein Aussetzer dauerte nur kurz, und während man als Gegner ihn nun in aller Regel genauer beobachtet und gerne mal selbst vom Wesentlichen abgelenkt wird, blieb Zverev diesmal cool. Becker analysierte später, Djokovic habe wohl lediglich psychisch einen Hänger gehabt, die ganze Situation (den Grand Slam vor Augen!) habe ihn vielleicht übermannt.

Zverev gewinnt 53-Schläge-Rallye

Das zweite Spiel, um das Phänomen Djokovic zu verstehen, fand kurz später statt: Djokovic lag mit 5:4 in Front, Zverev schlug also gegen den Satzverlust auf, und der Djoker hatte sich offenbar fest vorgenommen, nun keine Fehler mehr zu machen. Gar keine. Er spielte mit äußerst mäßigem Tempo, mit ungewohnt viel Rückhand-Slice und ließ Zverev machen.

Zverev aber "machte" nicht, Zverev spielte mit, von seiner Sicherheitsposition weit hinter der Grundlinie, die er in entscheidenden Phasen immer noch zu oft einnimmt. Die Sicherheitsgeplänkel gingen nach ewig langen Ballwechseln an Djokovic, er kam zum 0:40. Zwei Punkte später folgte die wohl absurdeste Rallye des Matches, 53 Mal (!) flog die Kugel hin und her, bevor sich tatsächlich Zverev ein Herz fasste zum Vorhand-Winner. Beide Männer gingen danach erschöpft in die Knie, Zverev blickte in seine Box, als wolle er sagen: "Das ist doch alles nicht sein Ernst!"

Djokovic kontrolliert zum Satzgewinn

Es war aber so. Den Punkt danach spiele Djokovic wieder kontrolliert-offensiv, einen Angriffsschlag nach schöner Kombi genau so, dass genug Platz über Netz und neben der Linie blieb, aber keine Chance für Zverev auf einen erfolgreichen Passierball bestand. Zverevs Not-Lob schmetterte Djokovic sicher zur Satzführung nach Hause.

Das Match dauerte noch etwas, Djokovic ließ Durchgang vier nach schnellem Rückstand kräfteschonend liegen (ohne abzuschenken, aber mit schnellen Versuchen auf den Punkt), körperlich die beste Entscheidung für Satz 5. Wo er schnell mit 3:0 in Führung ging und diese nicht mehr abgab. 4:6, 6:2, 6:4, 4:6 und 6:2 hieß es am Ende.

Hier könnt ihr das Match im Ticker nachlesen

Djokovic über Finale: "Als ob das letzte Match meiner Karriere ist"

"Zverev spielt am Limit", urteilte Becker. Und brachte die Sache voll auf den Punkt: "Das Problem ist: Er spielt gegen einen, der hat kein Limit. Er ist grenzenlos."

Djokovic selbst wurde im On-Court-Interview von Patrick McEnroe auf die 53-Rallye angesprochen, was einem da bitte durch den Kopf gehe. "Das willst du gar nicht wissen", scherzte Djokovic, und erzählte lediglich, dass er so viele Jahre lang einiges über Geist und Körper gelernt habe.

Ein Sieg fehlt ihm nun noch zur Geschichte, zum Grand Slam. Der Gegner heißt Daniil Medvedev, er sollte nach seinem klaren Dreisatz-Sieg gegen Felix Auger-Aliassime ausgeruhter ins Finale am Sonntag (ab 22 Uhr MESZ) gehen. Eigentlich. Sein Gegner heißt aber eben Novak Djokovic, der Grenzenlose. "Ich werde das Match angehen, als ob es das letzte meiner Karriere sei", versprach Djokovic bereits.

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von Florian Goosmann

Samstag
11.09.2021, 09:52 Uhr
zuletzt bearbeitet: 11.09.2021, 10:11 Uhr

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