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US Open: Zverev, Görges und der Aufschlag als "Spiegelbild der Tennisseele"

Am Aufschlag hängt im Profitennis so vieles - und wenn er weg ist, hat man ein Problem. Alexander Zverev scheint dieses nun gelöst zu haben.

von Jörg Allmeroth aus New York
zuletzt bearbeitet: 01.09.2019, 17:33 Uhr

Alexander Zverev

Boris Becker hat ihn einmal als „schwierigen Freund“ bezeichnet. Oder auch als „Mitglied meiner Familie“. Er meinte den Aufschlag. Seinen wichtigsten Schlag. Den Schlag, der ihm als wichtigste Waffe bei drei Wimbledon-Siegen und insgesamt sechs Grand-Slam-Triumphen diente. „Herrliche und furchtbare Momente“ habe er erlebt mit diesem Weggefährten, so Becker, „es gibt keinen Zweifel, dass an diesem Schlag fast alles hängt im Tennis.“ Am einzigen Schlag, den kein Gegner beeinflussen, stören, verhindern kann.

Auch Alexander Zverev kann ein Lied singen über den Aufschlag, über die Launen und Tücken des Service. In diesem Jahr rutschte er in seine größte Krise, weil auf einmal sein stärkster Pluspunkt, der Aufschlag, auf einmal zu seinem größten Gegner wurde. Kurz vor den US Open schied er beim Masters-Turnier in Cincinatti mit sage und schreibe 20 Doppelfehlern gegen den Serben Miomir Kecmanovic aus. Er fand es hinterher selbst „surreal“: „Es kann doch nicht sein“, so Zverev, „dass der Aufschlag weg ist.“ Nun, weg war er nicht, sondern schwach bis sehr schwach. Zverev landete eben keine Volltreffer mehr, sondern Doppelfehler. Und auch die Prozentquote seiner ersten Aufschläge war mau und mittelmäßig.

Zverev mit 25 Assen

Und nun? Als Zverev sich am Samstag in Flushing Meadows mit dem Slowenen Aljaz Bedene in vier harten Sätzen duellierte und die umkämpfte Partie verdient 6:7, 7:6, 6:3 und 7:6 gewann, war die Welt des Deutschen wieder vom Kopf auf die Beine gestellt. Alles war wie in besten Zeiten, es musste auch so sein, sonst hätte Zverev die Bewährungsprobe gegen den zupackenden Rivalen kaum gemeistert. Zverev schlug 25 Asse, servierte nur sieben Doppelfehler, es war eine Bilanz, wie sie der turmhohe Hamburger braucht.

Er muss die Zermürbungskämpfe auf den vergleichsweise langsamen Hartplätzen in Flushing Meadow mit seinem Aufschlag bestimmen. Gewinnt er, wie gegen Bedene, über 70 Prozent seiner Servicepunkte und 21 von 23 Aufschlagspielen, kann ihm in der Regel nicht viel passieren. Was im übrigen auch für Julia Görges gilt, die ebenfalls in New York wieder von einem besseren Aufschlag zehrt und nun, wie Zverev, in die Runde der letzten 16 gelangt ist. „Die Gleichung ist einfach: Starker Aufschlag bedeutet mehr Selbstvertrauen“, sagt Görges, „da gehst du gleich mit einem ganz anderen Gefühl auf den Court.“

Der Aufschlag als "Spiegelbild der Seele"

Zurück zu Zverev. In den letzten Monaten hatte sich der Streß im Team Zverev bei ihm, dem Chef der Firma, wie eine Krankheit auf das Service niedergeschlagen. Woche für Woche war ein Verfall bei dem Deutschen zu beobachten, der noch im letzten November bei seinem Sturm auf den WM-Thron von einem fulminanten Aufschlag profitiert hatte. Am Finalwochenende hatte er Roger Federer und Novak Djokovic besiegen können, weil er sich mit seinem präzisen und harten Service sofort entscheidende Vorteile verschaffte und eine Dominanz in den Ballwechseln gewann. „Der Aufschlag ist wie ein Spiegelbild der Seele“, sagt Becker, der Altmeister, „wenn es da plötzlich nicht mehr stimmt, ist das kein technisches Problem. Sondern ein mentales.“

Bei Zverev lief ja auch alles schief neben dem Court, Probleme mit der Freundin, Probleme mit dem Manager, der Krach zwischen Papa Zverev und Supercoach Ivan Lendl. Und auf einmal merkte Zverev, dass die Selbstverständlichkeit, mit der zuvor als brillanter Aufschläger durch die Welt zog, eben nicht das war: eine Selbstverständlichkeit. Hilflos registrierte Zverev, wie er plötzlich die Doppelfehler anhäufte, zauderte und zögerte. Man sah ihn immer wieder den Kopf schütteln, es war ein Bild des Unverständnis über das, was da mit ihm geschah. Im Sommer verschärfte sich die Krise sogar noch einmal, manche Experten verglichen das Problem sogar mit der Golfer-„Krankheit“ Yips, dem Zittern im Arm, wenn der Ball auf dem Grün eingeputtet werden muss.

Der Federer-Effekt?

Schon in den ersten Trainingstagen in New York spürte Zverev aber, dass sich die Dinge änderten. „Auf einmal lief es wieder. Verrückt“, sagt Zverev. Hatte es mit der festgemachten Vereinbarung zu tun, künftig von Team8, der Agentur von Roger Federer und dessen Manager Tony Godsick betreut zu werden? Nicht ausgeschlossen, sogar wahrscheinlich. Zverev wirkte von der ersten Minute an aufgeräumter, entspannter und gelassener bei den US Open, so ausbalanciert wie noch nie in diesem Jahr. Seine Gegner bekamen es über den Aufschlag zu spüren. Plötzlich stimmten die entscheidenden Zahlen wieder, reichlich Asse, wenig Doppelfehler. Und gute Punktquoten, wann immer der erste Aufschlag im Feld landete.

Von der wiedergefundenen Stärke muss Zverev auch gegen den kleinen argentinischen Rackerer Diego Schwartzmann profitieren, am Montag im Achtelfinale. Zverev muss sehr, sehr gut servieren, um den kleinen Mann mit dem großen Kämpferherzen erst gar nicht richtig ins Spiel kommen zu lassen. Nach einem Sieg könnte es dann im Viertelfinale zum Duell mit Rafael Nadal kommen.

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Zverev Alexander

von Jörg Allmeroth aus New York

Sonntag
01.09.2019, 15:08 Uhr
zuletzt bearbeitet: 01.09.2019, 17:33 Uhr

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