Playback, Miami 1990: Vollieren wie Edberg, kleiden wie Agassi

Kein Tennis in der Corona-Pause - die Gelegenheit, sich ein paar Klassiker reinzuziehen und Pläne zu schmieden. Zum Beispiel den, mehr ans Netz zu gehen.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 30.03.2020, 16:42 Uhr

Stefan Edberg
Stefan Edberg

Kein Tennis weit und breit in Sicht - bis zum 7. Juni sicher. Und wenn man die Vöglein auf den Dächern zwitschern hört, auch darüber hinaus. Beste Gelegenheit also, etwas in Erinnerungen zu schwelgen. Oder diese gar aufzufrischen. Und das war noch nie leichter als heute.
TennisTV ist hierbei das Stichwort. Die großartigen Kollegen aus den USA öffnen seit Jahren ihr Archiv, immer zum aktuell laufenden Turnier gibt's die "Classics"; nur zu selten kommt man im Turnierbetrieb jedoch dazu, diesen ausführlich Aufmerksamkeit zu schenken. Damit ist nun Schluss./

Miami-Halbfinale 1990. Kurzer Blick zurück: Ivan Lendl war damals Weltranglisten-Erster und somit topgesetzt vor Boris Becker, Horst Skoff befand sich auf der Höhe seines Schaffens. Und Emilio Sanchez spielte eines seiner besten Turniere auf Hartplatz, mit Siegen über Skoff und Lendl. Becker unterlag früh Jean-Philippe Fleurian. 

Vergangenen Freitag im Wohnzimmer in der schönen Südpfalz: Aufschlag für Stefan Edberg gegen Emilio Sanchez, und schon im ersten Ballwechsel wird einem wieder mal vor Augen geführt, wieso Edberg als bester Serve-and-Volleyspieler aller Zeiten gilt. Einen Vorhand-Return von Sanchez taucht der Schwede spektakulär ab, im weiteren Verlauf des Matches serviert er zu 99 Prozent auf die Rückhand des Spaniers.

Sanchez, bei dem man stets das Gefühl hatte, er müsse mehr Länge in den Schlag bekommen, einen größeren Schläger als den Head Prestige spielen (mit einer Schlagfläche von nur 600 cm²), ist hilflos. Der Kick-Aufschlag von Edberg auf die Rückhand stellt ihn vor unlösbare Probleme, im Zweifel rückt Edberg im Ballwechsel mit einem hohen Angriff auf Sanchez' Rückhand oder einem gediegenen Slice auf - und volliert weg.

Edbergs Rückhand-Taktik gegen "Poor Sanchez"

Es ist faszinierend aus heutiger Sicht: Wie flink Edberg am Netz auftaucht, dank seines perfekten Kick-Aufschlags und dem Sprung nach vorn, und den ersten Volley meist bereits innerhalb des T-Feldes nimmt. Man weiß das ja alles (wenn man das entsprechende Alter hat) und ist dennoch verblüfft, vielleicht weil man dieses Tennis heute gar nicht mehr sieht. Als "Poor Sanchez" bezeichnet Kommentatorin Mary Carillo den armen Emilio, der sich so fühlen muss wie unsereins, wenn die hilflose Rückhand durchweg gequält wird. Sanchez muss selbst Serve-and-Volley spielen (um Edberg auf dem Weg ans Netz zuvorzukommen), was er natürlich kann (er bildete mit Sergio Casal eines der weltbesten Doppel), aber was eben nicht für ein gesamtes Match reicht. Ergebnis: ein 6:1, 7:5 für Edberg, das eigentlich viel glatter wirkte.

Finale also gegen Andre Agassi, der vielleicht sein kultigstes Outfit überhaupt trägt, den Nike-Lava-Look. Agassi hat die bisherigen Matches gegen Edberg verloren, kurz zuvor noch in Indian Wells hatte Edberg gesiegt.

Andre Agassi
© Screenshot / TennisTV
Andre Agassi
Andre Agassi
© Screenshot / TennisTV
Andre Agassi

Agassi wirkt dennoch wie ein Spieler der neuen Generation, könnte grundsätzlich auch heute noch so mithalten. Ist Agassi oder Djokovic der beste Returnspieler aller Zeiten? Wie man's nimmt. Agassi nimmt die Bälle früh und geht auf Risiko, Djokovic hat sich darauf spezialisiert, den Return möglichst lang vor die Füße des Aufschlägers zu spielen, um den Ballwechsel auf Null zu setzen. Für Edberg wäre die dauerhafte Rückhand-Taktik wie gegen "Poor Sanchez" gegen Agassi tödlich, er muss etwas mehr variieren, kommt aber dafür gegen den damaligen Aufschlag-Einwurf von Agassi auch beim Return in die Ballwechsel. Am Ende siegt Agassi dennoch glatt, 6:1, 6:4, 0:6, 6:2 und gewinnt sein erstes Masters-Turnier.

Ohnehin wird 1990 zu seinem Durchbruch: Ein paar Monate später kommt Agassi ins Finale der French Open, im Spätsommer ins das der US Open, beide enden mit Niederlagen, in Paris gegen Andre Gomez und einem Kampf mit seiner Perücke, in New York gegen Pete Sampras.

Edberg hingegen gewinnt im Juli zum zweiten Mal in Wimbledon (gegen Boris Becker) und krönt sich am 13. August erstmalig zur Nummer 1 der Welt.

Was mitnehmen?

Aber was bedeutet das Ganze fürs eigene Spiel? Seien wir ehrlich: Für die beidhändige Rückhand von Agassi ist's zu spät, für (lange) Haare ebenso. Für eine neue Taktik aber nicht.

Mein Plan für die Saison 2020 (wenn die Plätze irgendwann wieder offen sind) steht jedoch: Ich will den inneren Edberg in mir entdecken. Ab ans Netz, heißt es ab dann. Frei nach dem Motto: Ergebnis egal!

von Florian Goosmann

Montag
30.03.2020, 17:16 Uhr
zuletzt bearbeitet: 30.03.2020, 16:42 Uhr