Kann Novak Djokovic 2020 alle Grand-Slam-Turniere gewinnen?
Novak Djokovic beherrscht die Tennisszene auch im Jahr 2020 bislang nach Belieben. Kann er diesmal auch den Grand Slam schaffen?
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
02.03.2020, 07:19 Uhr

Als Novak Djokovic nach seinem letzten, dem 79. Turniersieg, gewohnheitsmäßig zu den weiteren Zielen für das Tennisjahr 2020 gefragt wurde, kam es auf dem Centre Court von Dubai zu einem bemerkenswerten Moment. „Ich will den Rest der Saison ungeschlagen bleiben“, sagte der 32-jährige Capitano der Branche, nachdem er mal wieder einen der Stars der neuen Generation, den Griechen Stefanos Tsitsipas, im Endspiel souverän 6:3, 6:4 distanziert hatte. Die Menge johlte, Djokovic grinste. Dann schob er nach: „Das war ein Spaß, Leute. Ach, eigentlich doch nicht. Es ist kein Spaß.“ Und noch einmal ein Grinsen.
Djokovic, er ist auch mal der Schelm, der sich nichts Böses dabei denkt, Fans, Medien und Kollegen leicht in Verunsicherung zu stürzen. Ernsthaft denken kann er an eine derart blütenweiße Saison nicht, er weiß, dass ihm das auch als gnadenlose Arroganz ausgelegt würde. Aber dass er hohe und höchste Ziele für 2020 hat, ist unbestritten, noch höhere jedenfalls, als seine gegenwärtige Siegesserie von 21 Erfolgen hintereinander seit Ende 2019 (18 in 2020) möglichst immer noch ein Stückchen zu verlängern.
Klammheimlich träumt Djokovic davon, etwas zu schaffen, was noch keinem in der Moderne des Sports gelungen ist, nämlich alle vier Majors in einem Kalenderjahr zu holen – er wäre der erste und einzige, der das dann nach Rod Laver (er gewann in der vorprofessionellen Ära) schaffen würde. „Träumen ist immer erlaubt. Die Ambition ist da, aber eben auch große, große Konkurrenz“, sagte Djokovic, „ich bin gerade sehr glücklich im Hier und Jetzt, ich genieße den Augenblick.“ Er war im übrigen schon der einzige, der die vier Grand Slams hintereinander in der Tennis-Neuzeit gewann, wenn auch in zwei unterschiedlichen Spielserien.
Djokovic über Krise 2018: "Momente, wo du dich verzettelst"
Kaum zu glauben, dass Djokovic noch vor zwei Jahren in einer fast existenziellen sportlichen Krise steckte und selbst Freunde glaubten, ein Abschied vom Wanderzirkus sei denkbar. Im Frühjahr 2018 musste erst sein langjähriger Weggefährte Marijan Vada an die Seite des 32-jährigen Serben zurückkehren, um ihn wieder in die Erfolgsspur zurück zu führen. „Es gibt diese Momente in deiner Karriere, wo du dich verzettelst, die Probleme falsch behandelst, Schuldige suchst. Und nicht bei dir selber anfängst“, sagte Djokovic, „inzwischen habe ich diese große Balance in meinem Leben und in meinem Sport wieder gefunden.“ Auch Goran Ivanisevic, der eigensinnige kroatische Star vergangener Tage, gehört ja mittlerweile zum Team Nole, er war auch dabei in Dubai, ein Mann der klaren Worte ist er geblieben: „Was Novak auf dem Platz zeigt, wie er diesen Sport liebt und für ihn wirbt, das ist unglaublich“, sagte der „Herr der Asse“, „er hätte noch mehr Respekt verdient, keine Frage.“
Die Geschichte, dass Djokovic verzweifelt um die Anerkennung und Liebe der globalen Tennisgemeinde kämpfe, wirkt indes erkaltet. Vorgestrig, überholt. Djokovic weiß selbst, dass die Auseinandersetzung mit Federer oder Nadal zuallererst eine sportliche Sache ist, und da hat der „Djoker“ eindeutig die besten Karten, einmal in der großen Gesamtabrechnung als Nummer eins durchs Ziel zu gehen. Djokovic war schon der beherrschende Spieler der Zehner-Jahre, er könnte auch noch die erste Hälfte des nun begonnenen Jahrzehnts dominieren. Noch scheint die Wachablösung durch die ehrgeizigen Herausforderer um Tsitsipas, Zverev, Thiem und Co. nicht unmittelbar bevorzustehen, gerade Djokovic könnte sein Konto mit Grand-Slam-Pokalen weiter aufstocken. Und damit auch Federer (20 Major-Titel) und Nadal (19) überholen, aktuell kommt der Serbe auf 17 Grand-Slam-Erfolge.
Team Djokovic: Angst vor einem Fehlstart in 2020
Nach dem auszehrenden Tennisjahr 2019 hatten manche in Djokovics Team die Sorge, die Saison 2020 könne kritisch werden – und mit einem Fehlstart beginnen. „Es hakte vor dem ersten Auftritt gewaltig“, sagte einer aus dem Team Nole in Dubai, „aber dann kam der Sieg mit Serbien beim ATP Cup. Und alles hat sich gedreht.“ Djokovic verlor bisher noch kein einziges Spiel, in Dubai wehrte er in einem magischen Entfesselungsakt im Halbfinale gegen Gael Monfils sogar drei Matchbälle ab, danach schlug er mit Tsitsipas einen weiteren Top-Ten-Spieler. Überhaupt die Siege gegen die Top-Konkurrenz, keiner ist da so unbarmherzig mit den ärgsten Rivalen wie Djokovic. Sechsmal hat er in einer Saison schon mehr als 20 Siege gegen Top Ten-Gegner aufnotiert, 2015 kam er auf sage und schreibe 31 Siege gegen Elitespieler. Von den 18 Siegen Djokovics in 2020 kamen allein sieben gegen Top Ten-Gegner. Das nennt man Machtdemonstration.
Ein Bild von Djokovics Siegeslauf in Dubai blieb haften, das Bild eines unglaublichen Spreizschritts und Spagats im Duell mit Monfils. So viel Akrobatik und Artistik war nicht jedem geheuer. Auf Twitter fragte sich ein Tennisfan: „Ist er nicht eigentlich ein Außerirdischer?"
