Alex Antonitsch im Gespräch: „Der Laver Cup ist ganz große Werbung fürs Tennis“

Ex-Profi und tennisnet-Herausgeber Alex Antonitsch war drei Tage lang in Genf dabei – und hat eine klare Meinung zum Laver Cup.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 23.09.2019, 17:37 Uhr

© Getty Images
Das Gewinnerteam 2019 beim Laver Cup: Team Europe

Alex, wie hast du den Laver Cup erlebt – vor allem das dramatische Finish beim Zverev-Match?

Es war einfach Wahnsinn! Ich hatte das Gefühl, das gesamte Team, die gesamte Bank war mittendrin, alle sind ins Feld gelaufen. Was mir aufgefallen ist: Fast an allen Tagen wurde riesiges Tennis geboten, großer Einsatz und unglaubliche Emotionen. Und Nerven gezeigt! Raonic konnte ja im Tiebreak am Ende kaum noch einen Ball schlagen./

Nerven, weil 17.000 Leute zuschauen? Und dazu Borg, McEnroe, Federer, Nadal?

Alexander Zverev hat es gesagt: Es ist solch ein Druck, neben Federer zu spielen im Doppel! Dominic Thiem wurde von Borg, Nadal und Federer gecoacht – mehr Tennis-Kompetenz gibt‘s gar nicht. Das sind Bilder, die sieht man nur hier. Wie Federer bei der Siegerehrung meinte: Man wollte Tennis-Unterhaltung bieten und alles auf dem Platz lassen. Es ist vielleicht gemein, das zu sagen: Aber von Leuten wie Nick Kyrgios würde ich mir das auch auf der ATP-Tour wünschen. Ich finde den sensationell, wenn er gewinnen will. Hier merkt man, was ihm das bedeutet. Der hat fast geheult, als Team World verloren hatte.

Es fällt ohnehin auf: Kyrgios blüht bei Team-Events immer auf und verhält sich deutlich besser als auf der Tour.

Der hat einmal einen Ball durch die Beine gespielt, das war‘s an Blödsinn. Ich hatte keine Sekunde das Gefühl, dass er den Laver Cup jemand nicht ernst nimmt. Da hat es bei Kyrgios ganz andere Partien gegeben. Dem hat das hier Riesenspaß gemacht.

Warst du zum ersten Mal live dabei?

Ja, und ich war skeptisch. Ich habe die Premiere in Prag verfolgt und dachte: Okay, im Fernsehen kommt das megagut rüber. Hier in Genf habe ich dann Menschen aus aller Welt getroffen. Mexikaner, Peruaner, Asiaten. Ich habe sie gefragt, warum sie da sind. Weil sie‘s im Fernsehen gesehen haben und live erleben wollten. Wann sieht man diese Zahl an Topspielern noch? Wobei man sagen muss: Der Laver Cup lebt aktuell von Federer und Nadal. Er wird seine Feuertaufe bestehen müssen, wenn die beiden nicht mehr dabei sind.

Seit diesem Jahr ist die ATP an Bord, die parallel allerdings auch zwei Turniere in Metz und St. Petersburg ausgetragen hat. Die sind beim Hype um den Laver Cup fast untergegangen.

Der Laver Cup wurde anfangs auch von der ATP kritisch gesehen. Und wird es immer noch teilweise. Was ich verstehe. Von Metz und St. Petersburg hat kaum jemand etwas mitbekommen. Als Turnierdirektor dort würde ich mir auch denken: Danke, ATP… Als Auch-Turnierdirektor (in Kitzbühel, Anm. d. Red.) sage ich, dass man hier etwas ändern muss. Metz und St. Petersburg werden zwar entschädigt, aber ein Beigeschmack ist da. Der Plan der ATP war, durch den Einstieg mehr Einfluss auf den Laver Cup zu haben. Letztlich muss man klar sagen: Der Laver Cup ist große Werbung für unseren Sport – ganz großes Kino.

Kannst du ihn schon einordnen als jemand, der alle großen Turniere und Tennisevents erlebt hat?

Ich bin jetzt 53 Jahre alt, habe mein erstes Turnier mit 12 oder 13 wahrgenommen. Habe super Events selbst als Spieler erlebt. Den Davis Cup im Prater-Stadion. Aber das, was ich hier als neutraler Besucher gesehen habe… Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Ich bin bekennender US-Sport-Fan, Eishockey und Basketball, und das ist vergleichbar. Die Leute nehmen es an. Die Spieler drehen eine knappe Stunde nach dem Matchball noch Ehrenrunden, machen Selfies. Der Einsatz, den man dazu braucht, ist voll da. Ich bin auch einer, der nie Golf schaut – aber den Ryder Cup gucke ich mir an. Genau deswegen.

Wie wichtig sind die Tage vorher für solch ein Team-Event, um sich zusammenzuraufen? Nicht jeder ist mit jedem gut befreundet, Nadal und Fognini oder Zverev und Tsitsipas gelten beispielsweise nicht als beste Freunde auf der Tour.

Die Zeit zusammen zieht Leute natürlich nach oben. Klar ist auch: Im Team Europe hat man Federer und Nadal, die den Ton angeben. Die Jungen machen mit, da traut sich auch keiner, nicht mitzuziehen. Und man sieht, dass es ihnen Spaß macht. Ich behaupte auch, dass die was lernen. Wie Zverev gesagt hat: Er hatte keine so gute Saison, aber solch ein Erfolg bringt so viel! Nadal war, als er nicht gespielt hat, der aktivste Spieler. Da kannst du auf dem Platz gar nicht negativ werden.

Ist der Laver Cup der neue Davis Cup?

Ich bin ja Old-School-Davis-Cup-Mann. Der Davis Cup hat das Tennis geprägt in Deutschland und Österreich, neben Boris Becker oder Thomas Muster. Da ist Tennis zu Leuten gekommen, die einfach den Länderkampf sehen wollten. Was beim Davis Cup jetzt abläuft, ist ein Witz. Ohne Heim- und Auswärtsspiele ist es für mich kein Davis Cup. Ich hoffe sehr, dass die ATP und ITF sich noch mal zusammensetzen. Man muss nach dieser Woche in Genf aber klar sagen: Der Laver Cup hat zu 100 Prozent seine Berechtigung. Die Frage ist, was passiert, wenn Federer und Nadal nicht mehr dabei sind. Weil die das ja auch leben. Selbst Federer sieht man selten so emotional.

In Vorberichten zum Laver Cup wurde immer wieder das Antrittsgeld erwähnt, das von der Ranglistenposition abhängig ist. Oder die Siegprämie von 250.000 Euro pro Spieler für das Siegerteam. Ein Problem?

Man verdient auch beim Davis Cup, dort macht man‘s halt mit den Verbänden aus. Nach den Änderungen jetzt, ohne Heim- oder Auswärtsspiele und mit dem Finalturnier, geht‘s da ausschließlich ums Geld. Und auch sonst gibt es ja Preisgelder. Die Leute, von denen wir hier reden, von denen braucht das Geld niemand. Die spielen deswegen auch nicht. Wenn einer nicht will, sagt er ab. Stan Wawrinka, Novak Djokovic oder Felix Auger-Aliassime haben das getan – okay. Die Frage ist, ob sie mitbekommen, um was es hier geht. Ob sie das wollen, ob sie das leben.

Federer ist zum einen Mitorganisator, zum anderen Spieler. Seine Sponsoren sind letztlich auch die Sponsoren des Laver Cups. Ist das okay?

Mal knallhart gesagt: Es müssten eigentlich alle, die im Tennis zu tun haben, Federer gratulieren. Ich sehe das nicht als Interessenskonflikt.

Als es ins letzte Match ging, schrieben einige in den sozialen Medien von „einem guten Skript“. Glaubst du an solche Verschwörungstheorien?

Also wenn Thiem am Ende absichtlich verloren hat… dann bin ich im falschen Film. Oder Federer/Tsitsipas - der Tiebreak war Weltklasse! Aber vielleicht sieht man das anders, wenn man es vor Ort erlebt und merkt, wie der Arm schwer wird. Noch mal: Ich habe öfter auf ATP-Events das Gefühl, dass einige mehr beißen könnten. Gerade auch von den Herrschaften, die hier dabei waren. Fabio Fognini war am Freitag so nervös, der hat keinen Ball reingekriegt. Die Jungs spielen hier nicht für sich allein. Und mit den Legenden draußen ist es noch heftiger. Aber natürlich werden Leute kritisieren, dass es nur eine Exhibition ist. Aber es spricht doch für sich: drei Tage in Genf, fünf Mal 17.000 Zuschauer, macht 85.000 mit allen Sessions. Und sonst mit allem drumherum, von Public Viewing bis zum Trainingsplatz vor der Arena.

Ist es fürs Tennis auch eine Chance, wenn etwas mehr Show dabei ist – um neue Zuschauer anzuziehen?

Mich haben meine Eishockey-Freunde und andere Sportler angerufen. Was da abgeht, wie die rumspringen, meinten sie. Die wussten gar nicht, dass Tennis so geil sein kann! Wie man es im TV rüberbringt, ist ja noch mal ein Thema. Wie die im Doppel miteinander sprechen, sich gegenseitig coachen, Nadal und Federer… Das kriegt man sonst ja gar nicht mit. Auf tennisnet haben wir die Leute ja im Vorfeld befragt, wo sie lieber wären, beim Davis Cup oder Laver Cup. 85 Prozent waren für den Laver Cup. Nach diesem Wochenende hat sich das bestätigt.

Das Gespräch führte Florian Goosmann in Genf.

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von Florian Goosmann

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zuletzt bearbeitet: 23.09.2019, 17:37 Uhr

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